Ansichten eines Informatikers

Blindempfehlung High Ground

Hadmut
1.10.2020 0:36

Ich möchte blind einen Film empfehlen, den ich (noch) nicht gesehen habe.

Einfach deshalb, weil die Australier richtig gutes Kino, verdammt gute Filme machen.

Seit einiger Zeit beschäftigen sie sich damit, ihre nicht so ehrenwerte Geschichte der gewaltsamen Besiedelung Australiens aufzuarbeiten, aber im Gegensatz zu den hiesigen linken Spinnern machen sie das nicht mit Terror und Beschuldigungsorgien, sondern mit Show und guten Filmen.

Ganz vorne gehörten schon die Eröffnungs- und Abschlussfeier der olympischen Spiele 2000 in Sydney dazu, als man die ganze Eröffnungsfeier – übrigens eröffnet von einem kleinen, weißen Mädchen, das ganz alleine vor ein Milliardenpublikum trat, sich gespielt an den Strand legte, mit Sonnencreme eincremte und dann einschlief, weil die Mythologie der Aborigines in der Dreamtime, der Traumzeit stattfindet, und deshalb aus logischen Gründen erst mal jemand da sein muss, der träumt. Man hat mir damals in Australien (ich war kurz danach da) erklärt, dass es das erste mal überhaupt war, dass alle Stämme der Aborigines zusammenkamen und da gemeinsam etwas zu veranstalten, und dann gleich die größte Show bekamen, die es gibt. Es hieß, sie hätten sich sehr, sehr gefreut darüber, dass Cathy Freeman das Feuer entzünden durfte.

Aborigines sind großartige Geschichtenerzähler und Überlieferer alten Wissens. Sie haben nur das Problem, dass sie – soweit ich weiß – niemals die Schrift erfunden haben, dafür aber enorm gut im Memorieren sind und die Geschichten und das Wissen weitererzählen. Einer hat mir das mal erklärt, wie das bei ihnen so läuft. Sie werden von kleinauf hart erzogen, sich Informationen auf Anhieb und sofort zu merken und einzuprägen. Ist lebenswichtig. Weil das mit der modernern Welt aber nicht mehr so funktioniert, gab es vor Jahren mal ein Projekt junger Aborigines, die Geschichten der Alten und vor allem deren Sprachen auf Video aufzunehmen, um sie überliefern zu können. Ich hatte darüber im Zusammenhang mit der Frage, ob wir die Schriftfähigkeit gerade verlieren und uns auf Hieroglyphen/Emojis und Video reduzieren, schon mal geschrieben als eine Kulturgruppe, die die Schrift überspringt und direkt zu Video springt. Natürlich können die inzwischen alle lesen und schreiben, englisch eben, und es gibt englische Umschriften ihrer Sprachen, aber da geht halt viel verloren, und deshalb gefällt ihnen das so nicht. Von Video scheinen sie aber begeistert zu sein, weil bei ihnen eben auch Betonung, Mimik, Aussprache wichtig sind. Gerade weil sie keine Schriftsprache haben, ist die Sprache bei ihnen nicht so leicht auf die reine Wiedergabe von Worten zu reduzieren. Mit Video geht das alles.

Sehr bekannt und halt großes Drama ist „Australia”, wo ja auch ein Aborigine-Junge eine Hauptrolle spielt, aber das ist halt großes Standard-Kino. Gut gemacht, aber doch mehr Standard-Kino.

Wer das etwas einfacher, aber tiefgründiger haben will, der sollte mal „Long Walk Home” schauen. Zwei Mischlingskinder (aborigines/weiß) werden in den 1930er Jahren von den Briten den Eltern weggenommen und in ein Waisenhaus gesteckt, büchsen aber aus und müssen 2000 Meilen zurück nach Hause durch das australische Outback laufen. Und erleben dabei eben allerhand.

Nun gibt es wohl einen neuen Film, der – habe ich nicht mitgekriegt – im Februar schon hier in Berlin auf der Berlinale lief: High Ground.

Ich habe ihn nicht gesehen, auch nicht gemerkt, dass er läuft. Ich finde das Angebot der Berlinale inzwischen nicht nur grauslich, sondern schaffe es auch nicht, da hinzugehen, weil entweder die Filme, oder die Verkaufszeiten für Tickets während der Arbeitszeit stattfinden. Typisch für Berlin, dass Kultur und Angebote nur auf Leute ausgelegt sind, die nicht abeiten.

In den nächsten Tagen soll der Film nun auf den Festspielen in Brisbane laufen und dann in die Kinos kommen, anscheinend kann man ihn auch schon auf DVD/Bluray vorbestellen. Da gibt es einen Artikel über den Film, der anscheinend auch von Aborigines produziert wurde. Es geht darum, dass sie dafür extra eine aufblasbare Kinoleinwand in die Ortschaft so ganz weit draußen im Outback, durch krokodilverseuchte Flüsse, geschafft haben, um denen dort den Film, den sie dort gedreht haben, zuerst zu zeigen.

Was ich nur sehr selten mache: Einen Film zu empfehlen, den ich nicht gesehen habe. Ich bin mir aber von den Vorschaufilmen her schon sicher, dass der Film dieses Australien-Feeling, dessentwegen ich da immer wieder hingefahren bin, plastisch rüberbringt:

Wenn ich gerade nicht nach Australien kann, dann muss Australien eben zu mir.