Ansichten eines Informatikers

Taubenfüße, Korrelation und Kausalität

Hadmut
17.11.2019 12:06

Ein Amputations-Skandal.

Die BILD schreibt über Forschungsergebnisse aus Paris. Wenigstens unterscheiden sie zwischen Korrelation und Kausalität.

Korrelation:

Französische Wissenschaftler haben einen Zusammenhang zwischen den verstümmelten Füßen von Stadttauben und dem Vorkommen von Friseursalons hergestellt. Sie untersuchten Taubenpopulationen an 46 Standorten in Paris, ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachblatt „Biological Conservation“.

Die Wissenschaftler um Frédéric Jiguet vom Pariser Naturkundemuseum fanden demnach heraus: Je mehr Friseure in der Nähe einer Taubenpopulation ansässig waren, desto höher die Zahl der Verletzungen! Krumme oder verkümmerte, teilweise sogar fehlende Zehen seien kein seltenes Bild.

Gut, man denkt da an die Geflügelversion von Sweeney Todd, aber sie geben auch eine Kausalität:

Der Grund nach Ansicht der Forscher: Neben Zweigen verwenden die Tiere auch schädliche „Baustoffe“ wie Kunststoff oder eben menschliche Haare für den Nestbau. Doch die Haare sind nicht nur kuschlig – sie führen nach Angaben der Forscher auch dazu, dass sich die Tauben immer wieder mit den Füßen in ihnen verfangen.

Die Folge sind Entzündungen, die die Füße der Tiere schwer schädigen oder sogar zum Absterben führen können. Das Phänomen der abgeschnürten Zehen ist nicht neu: Im Englischen wird es von Umweltschützern mit dem Begriff stringfoot (auf Deutsch etwa Schlingfuß) übersetzt.

Naja.

Immerhin haben sie verstanden, dass eine Korrelation keine Kausalität ist und man dann, wenn man die Korrelation entdeckt hat, man noch nach der Kausalität suchen und sie erklären muss. Sie waren ja auch vom Naturkundemuseum und nicht von der Soziologie.

Trotzdem geht mir die Sache nicht tief genug. Denn Haare solch mörderischer Länge sind sicherlich auch geschlechtskorreliert. Dann nämlich würde man soziologisch schließen, dass Damenfriseure Tauben morden.

Was mich daran erinnert, dass ich als Kind mal gewisse Zeit Tanzmäuse hatte. Und dabei viel gelernt habe. Nicht nur die Sache mit dem exponentiellen Wachstum, sondern dass es ein jugendlich-naiver Fehler war, den Viechern als Nistmaterial Watte reinzulegen. Die haben sie zwar gerne verwendet, aber die Jungen haben sich fürchterlich darin verwickelt und verklebt, und der Vater saß dann abends zwei Stunden mit Schreibtischlampe, Lupenbrille, Pinzette und Nagelschere da, um winzige Tanzmausbabies von vielleicht einem Zentimeter aus ihren undurchdringlichen Kokons zu holen, und mir zu erklären, dass man dafür geeignetes Nistmaterial in der Zoohandlung kauft, Baumwollfasern. Nie wieder Watte. (Papiertaschentuch in kleine Stückchen reißen geht notfalls auch.) Die nämlich hatte bei einem der Mäusebabies schon ein Bein abgeschnürt, was bereits abgestorben war und mir dann letztlich eine dreibeinige Maus eingebracht hatte. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass auch Menschenbabies Finger oder Zehen verlieren können, wenn sie sich ein Haar von Mutti um den Finger oder Zeh wickeln, weil das bei einem Baby reiche, um die Blutzufuhr zu unterbrechen. Kann dann über Nacht schon absterben.

Übrigens war das mit dem exponentiellen Wachstum der Tanzmäuse nicht geplant. Das sollte eigentlich nur ein Kurzzeitexperiment ohne Vermehrung sein. Ich hatte von einer Bekannten der Familie zwei Tanzmäuse geschenkt bekommen. Nur zwei.

Sie hatte versichert, das seien zwei Weibchen.

Sie sagte, sie kenne sich da aus, sie sei Expertin. Das seien zwei Weibchen. Da könne nichts passieren. Das könne man ja bei Mäusen auch gut unterscheiden, man könne das auf der Unterseite ja klein aber offenkundig sehen.

Hoch und heilig hatte sie uns versichert, das seien zwei Weibchen. Da könne nichts passieren, die könnten sich nicht vermehren.

Wir könnten uns da auf sie verlassen, hatte sie gesagt.

Es waren zwei Weibchen.

Beide schwanger.

Es hat nicht lange gedauert, da habe ich wenigstens einen gewissen Teil der Unterhaltskosten wieder reingeholt, indem ich sie alle einer Zoohandlung verkauft habe (der auch entgegen seiner Regeln die dreibeinige nahm, weil die am schnellsten rennen konnte). So um die 50 Stück hatte ich denen gebracht. So hatte ich schon im Grundschulalter Exponentialrechnung verstanden. Ich weiß es nicht mehr, aber ich glaube, sowas um DM 1,30 habe ich pro Maus bekommen. Und festgestellt, dass sich die Mäusezüchterei finanziell nicht rentiert, weil die Ausgaben höher waren und die Arbeit zum Saubermachen des Käfigs noch dazu kam. Über Betriebswirtschaft hatte ich auch gleich was gelernt. Über Biologie und Fortpflanzung sowieso. Der Anlass für den Verkauf war übrigens, dass ich mal etwas unachtsam in den Käfig gestellt hatte und die Viecher nachts mitbekommen hatten, dass sie damit über den Käfigrand klettern konnten (der war aus Holz gebaut, nicht sehr hoch und oben offen) und die dann am nächsten Morgen in der ganzen Wohnung rumwuselten. Das war dann so der Punkt „jetzt reicht’s.”

Nachtrag: Ich habe erst später erfahren, wofür die Zoohandlung überhaupt Tanzmäuse ankaufte. Es war zwar damals noch Standard, dass Zoohandlungen auch Tanzmäuse im Angebot hatten, aber die waren nicht, wie ich angenommen hatte, oder jedenfalls nicht nur für Kinder als Haustier gedacht, sondern wurden hauptsächlich als Lebendfutter für Schlangen, Raubvögel und so weiter verwendet und verkauft.