Ansichten eines Informatikers

Die Mauerfall-Verschwörung

Hadmut
10.11.2019 15:05

Eine Leserin trägt mir gerade eine überaus unterhaltsame Verschwörung zum Sonntag-Nachmittag zu.

Sie meint, die würde mein Blog bestätigen. Was könnte einem an einem Herbstsonntag besseres widerfahren?

Es geht um die Mauer.

Der ganze Mauerfall sei ein einziger großer Fake. Geschickte Propaganda.

Die Mauer sei gar nicht gefallen. Die Russen und die obersten SED-Bonzen hätten das inszeniert.

  • Die DDR sei pleite und am Ende gewesen, weit mehr pleite und kaputt, als zugegeben.
  • Die Russen hätten die DDR loswerden wollen, weil einfach viel zu teuer.
  • Die Russen seien der Meinung gewesen (so ganz genau habe ich allerdings nicht verstanden, warum), dass das geteilte Deutschland ein Sicherheitsrisiko für Europa gewesen war und deshalb weg musste. Das könnte im Prinzip stimmen, denn vor der Wende wurden ja links und rechts der Grenze die Waffensysteme und Armeen, Pershing und SS-20 und so weiter aufgehäuft. Ich war ja selbst in einer Sondereinheit der Bundeswehr, die zusammen mit den Amerikanern die Grenze durch schmutzige Miniatombömbchen unpassierbar gemacht hätte.

    Eduard Schewardnadse habe mal eine Bemerkung gemacht, die zwar kurz, aber deutlich verstehen ließ, dass die Russen beim Wettrüsten und der Konfrontation ganz dringend die Notbremse ziehen wollten, weil sie fürchteten, dass das ganz außer Kontrolle geraten könnte.

Das sei nicht einfach so passiert, das habe man genau eingefädelt. Das ganze Theater sei eben ein inszeniertes Theater gewesen. Eigentlich habe man die DDR schlicht aufgeben und verschenken wollen, aber ein „wir sind pleite, könnt Ihr uns nicht aufnehmen” wäre zu peinlich und demütigend gewesen. Die Russen hätten das ihrer Armee nicht verkaufen können, dass man das erst lange erkämpft und verteidigt hat, um es dann doch einfach aufzugeben. Stalins Geheimdienstchef Lawrenti Beria habe die Wiedervereinigung 1953 schon einmal vorgeschlagen, weil er die DDR als Ballast nicht haben wollte, und sei dafür erschossen worden. Deshalb habe es einer großen List und Täuschung bedurft.

Gorbatschow sei der Strippenzieher gewesen und habe eine Situation inszeniert, in der es so aussah, als sei die Mauer quasi von selbst umgefallen. Das könnte erklären, warum die Stasi die Aufmärsche erst so ein bisschen aufschaukelnd und hochkochend bekämpft hatte, damit es echt aussieht, und dann plötzlich nichts mehr gemacht hat. Es könnte die Frage aufwerfen, ob „Wir sind das Volk” von der Stasi selbst organisiert war.

Es legt natürlich den Gedanken nahe, dass Honecker da nicht mitgemacht hätte und deshalb abgesetzt wurde, „wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”. Die DDR quasi aufgegben wurde, wie ein unrentabler Firmenbereich. Betriebsbedingte Kündigung nach Perestroika. Als hätten die Russen gemerkt, dass ihnen viele ihrer UDSSR-Kolonien eigentlich nur die Haare vom Kopf fressen und weg müssen. Erfolgreiche Eigensanierung der Russen vor deren Insolvenz.

Man könnte natürlich auch die Frage stellen, ob die Amerikaner heimlich eingeweiht waren und Ronald Reagans berühmtes „Mr. Gorbachev tear down that wall” ein „Ja, wir sind einverstanden” und propagandistische Schützenhilfe war, so ein „Ja, uns ist es ohne Konfrontationslinie auch lieber und wir legen uns öffentlich und damit unwiderruflich darauf fest” und „Wir helfen Euch, indem wir so tun, als würden wir das fordern, damit Ihr innenpolitische Erleichterung habt”.

Und dann der ganze Trubel von vor 30 Jahren, den wir gestern gefeiert haben und von dem wir immer noch ganz ergriffen sind und die Tränen bekämpfen, ein gigantisches Theaterstück war, das – samt der Ansage „ist das … jetzt sofort, unverzüglich” – darauf ausgelegt war, einfach alle zu überrumpeln, Westdeutsche, SED-Kader, Stasi, Polizei, Grenzer. So, dass es gar nicht erst zu Diskussionen, Gegenmeinungen, Kritik, Rechtsmitteln, Gegenwehr kommen konnte. So, dass sich erst mal alle unbändig freuen und feiern.

Ich habe das nicht nur noch gut in Erinnerung, das wurde ja diese Woche im Fernsehen rauf und runter präsentiert, und auf Tagesschau24 fast in Echtzeit nochmal nachgespielt, wie da nachts und innerhalb weniger Stunden eine ganze Lawine in Gang kam, die nicht mehr aufzuhalten und so verdammt schnell war, dass keiner was dagegen tun konnte oder wollte, weil es niemand schnell genug begriffen hat.

Es haben ja auch viele der DDR-Grenzer gesagt, dass für sie eine Welt zusammengebrochen ist. Ich kann mich erinnern, 1989 im Fernsehen eine Szene gesehen zu haben, danach aber nie wieder, in der sie einen Grenzer im völligen Nervenzusammenbruch zeigten, der nur noch heulte und mit den Nerven am Ende war. Aber nicht etwa, weil man die Grenze, die sie so lange bewacht hatten, geöffnet hatte und die Ossis alle in den Westen gerannt waren. Was den dann völlig fertig gemacht hatte, war, dass die abends dann alle wieder zurück kamen. Es also gar nicht nötig gewesen wäre, sie einzusperren.

Das zeigt aber, wie schwierig das gewesen wäre, das langsam und so als politische Entscheidung zu inszenieren im Sinne von „Wir werden in 6 Monaten anfangen, die Grenze abzubauen und dann langsam in den Westen gehen, nach Buchstaben geordnet”. Das ging nur schnell und sonst gar nicht.

Die Frage wäre freilich, ob die Fluchtrouten über Drittstaaten und die deutsche Botschaft in Prag von selbst passiert ist, also wirklich von den Flüchtlingen ausgegangen ist, oder ob selbst das inszeniert gewesen wäre, um da ideell etwas in Gang zu setzen. Wenn man will, dass sich die Massen bewegen, muss man denen das vorturnen und ihnen ein paar Tage Zeit geben, um sich mit dem Gedanken anzufreunden. Und dafür sorgen, dass es auf allen Nachrichtenkanälen kommt.

Die Leserin meint, das würde meine These bestätigen, dass nicht die BRD die DDR aufgenommen oder selbige ihr beigetreten ist, sondern die DDR die BRD übernommen habe.

Vielleicht hatten die Russen sich das wirklich als Geschenk, als Eigentumsaufgabe gesehen, so wie die Leute in Berlin den Sperrmüll vor die Tür stellen und „Zu verschenken” dran schreiben. Vielleicht hatte die SED das, wenn das von langer Hand eingefädelt und geplant war, aber anders umgesetzt. Die würden sich sicherlich nicht einfach selbst aufgeben und terminieren. Wenn die Russen denen gesagt hätten, dass sie das nicht mehr wollen, und die DDR das irgendwie hinkriegen solle, dass das wie von selbst passiert aussehe, wird denen nolens volens klar gewesen sein, dass sie sich nicht halten können, wenn die Russen sie nicht mehr stützen. Die werden nicht über das ob, sondern nur über das wie diskutiert haben. Wie man den eigenen Zusammensturz so inszeniert, dass er glaubwürdig aussieht, es alle wollen und trotzdem die Ziele erreicht werden. Und sich gleichzeitig die Resourcen der BRD unter den Nagel reißt.

Interessante Hypothese.

Falls das so gewesen wäre, dann wäre das trojanische Pferd ein Scheiß gegen diese Nummer gewesen, einen ganzen Staat hinzustellen und vom Gegner reinnehmen zu lassen. Die Logik wäre aber dieselbe: Nach jahrelangem, zermürbendem Konfrontationskampf hat man eingesehen, dass man nicht weiterkommt und scheinbar aufgegeben und ein Geschenk gemacht, damit der Gegner sich für den Sieger hält und feiert, während man selbst Zugang erhält. Die DDR war das Pferd und der Westen war Troja. Nur mit dem Unterschied, dass nicht vorher um die schöne Helena gekämpft wurde und der Sieger sie bekam, sondern wir als Verlierer danach die dröge Angela bekommen haben.

Es würde erklären, warum da kein Schuss gefallen und so viel „schief gelaufen” ist. Das ist vielleicht gar nicht schief gelaufen. Das war vielleicht genau so gewollt und geplant.

Die Leserin meint, das basiere auf diesem Buch. Ich habe es aber noch nicht gesehen.

Die Frage der Fragen ist: Stimmt’s oder stimmt’s nicht?