Ansichten eines Informatikers

Wer würde Geisteswissenschaften vermissen?

Hadmut
4.11.2019 22:38

Klare Antwort: Die Geisteswissenschaftler. Sonst niemand.

Merkt man ja immer, wenn die mal streiken. Die Leute merken es entweder gar nicht erst, oder sind erleichtert, dass es auf einmal so ruhig und sauber ist.

Die NZZ stellte die Frage, wem die Geisteswissenschaftler eigentlich fehlen würden, wenn sie weg wären.

Sich über individuelle Praktiken oder institutionelle Strukturen aufzuregen, gehört zum Alltag jedes Berufs. In den Geisteswissenschaften aber werden solche Momente heute regelmässig als Skandal registriert. Denn es gibt gute Gründe, sie als Anzeichen eines sich beschleunigenden Niedergangs hin zu ihrem historischen Ende aufzufassen.

Es geht zu Ende? Endlich. Herrlich.

Die machen ja auch nichts. Das ist alles so write only, man tut nur so, als würde man Wissen generieren und weitergeben.

Die berechtigte Annahme, wonach die durchschnittliche Leserzahl von akademischen Publikationen dieser Art unter zehn Gelehrten pro Artikel liegt, kann den Studenten jedoch nicht trösten. Denn ohne solche Veröffentlichungen und den entsprechenden Zeitaufwand ist heute an eine Universitätskarriere nicht zu denken. Mit anderen Worten: Die Geisteswissenschaften steigern ihre angebliche Professionalität zu einem immer absurderen Missverhältnis zwischen gefordertem Arbeitsvolumen und dem fortschreitenden Ausschluss potenziell interessierter Adressaten.

Na gut, das ist jetzt nicht nur da so, auch in den MINT-Fächern, vor allem den deutschen, gibt es unzählige Publikationen, die mehr Autoren und mehr Seiten als Leser haben. Als ich damals in den Bibliotheken Informatik-Dissertationen recherchiert habe, hörte man beim Aufschlagen bei fast allen noch das Papier knirschen, weil es vom Schnitt noch zusammenhing, und noch nie jemand reingeschaut hatte. Genau dieses Geräusch und diesen Effekt gab es übrigens vor dem Oberverwaltungsgericht Mannheim, als die das Exemplar des Zweitgutachters inspizierten und feststellen, dass es noch jungfräulich war, dass noch nie jemand (und damit auch nicht der Prüfer) die Seiten der hinteren Kapitel aufgeschlagen haben konnte. (Die einzige Informatikdissertation, die mir jetzt einfiele, die von einer nennenswerten Zahl von Personen oder überhaupt gelesen wurde, insbesondere von mehr Personen, als sie Prüfer oder gar Seiten hat, wäre meine eigene. Wahrscheinlich die meistgelesene deutsche.)

Ganz nüchtern lässt sich deshalb hochrechnen, dass es niemand ausserhalb der Welt der Geisteswissenschaften registrierte (oder gar bedauerte), wenn deren Existenz morgen global eingestellt würde. Das Interesse an ihrem Überleben ergibt sich mittlerweile vor allem aus der Funktion als Einkommensquelle für Hochschullehrer.

Naja, bedauern … es wäre schon bedauerlich, wenn die Bekloppten alle aus der Klapsmühle in die Welt entlassen werden.

Die Glanz- und Prestigezeit der Geisteswissenschaften lag zwischen Romantik und Erstem Weltkrieg, als ästhetische Erfahrung in der Begegnung mit Literatur, Kunst und Musik für die aus der Aufklärung hervorgegangenen bürgerlichen Gesellschaften zunehmend die Rolle einer säkularen Religion erfüllte, zu deren Theologie einige damals neue akademische Fächer wurden.

Das ist vielleicht zeitlich richtig eingeordnet, aber falsch bezeichnet. Sagen wir einfach mal von Hegel/Marx bis Stalin. Vom Aufkommen der Schnapsidee bis zum Horror ihrer Umsetzung.

An den Universitäten haben vor allem ihre Vertreter seither die Stimmung politischer Korrektheit als den Anspruch kultiviert, in Zeiten neuer Herausforderungen und der von ihnen ausgehenden Unsicherheiten die traditionellen Orientierungen einer sozialdemokratischen bis sozialistischen Linken hochzuhalten. So als habe sich 1989 nicht ereignet – und als sei die Welt seit Karl Marx kaum komplexer geworden. Mit besonderer Hingabe widmen sie sich dabei der Beschreibung und den Forderungen vielfältiger Minderheitsidentitäten, stets unter der Prämisse, dass mit dem Minderheitenstatus auch ein moralischer Vorrang verbunden sein müsse. […]

Kann man also das sich abzeichnende Ende der an den Universitäten etablierten Geisteswissenschaften – nach der von Krisen heimgesuchten zweiten Hälfte ihrer Geschichte – noch aufhalten? Dazu besteht wenig Hoffnung – und wohl auch nur wenig Anlass. Einige Anzeichen in unserer Gegenwart allerdings mögen auf potenzielle neue Funktionen verweisen – die nicht unbedingt mit den Traditionen des geisteswissenschaftlichen Selbstverständnisses konvergieren.

Das freut mich in gewisser Weise zu hören.

Man könnte es auch so sagen: Die Gender Studies waren die äußerlich sichtbaren Metastasen eines von Krebsgeschwüren durchzogenen Sterbenden.

Ich kann mich erinnern, vor vielen Jahren gelesen und auch irgendwo im Blog beschrieben zu haben, dass in den USA irgendeine der Top-Universitäten die Rechtswissenschaften rausgeworfen und an die Fachhochschule verschoben hat, weil sie meinten, das sei nur noch gewöhnliche Berufsausbildung, wissenschaftlich sei da nichts mehr geboten. Ich erinnere mich an eine Gerichtsverhandlung, in der bezüglich einer wissenschaftlichen Streitfrage vortrug, dass man doch auch in der Juristerei gewisse wissenschaftliche Anforderungen stelle und dann einstimmig von der vorsitzenden Richterin, dem eigenen und dem gegnerischen Anwalt belehrt wurde, dass ich mich irrte. Die Juristerei habe mit Wissenschaft rein gar nichts zu tun. Das sei ein verbreiteter Irrtum.

Und wir hatten das ja auch schon gesehen, dass in den USA so manche Universität das Affentheater der Geisteswissenschaftler entweder satt hat oder sich finanziell nicht mehr leisten kann, seit deren hochbetrügerisches Schneeballsystem nicht mehr läuft, und die Fakultäten dicht machen und auflösen (auch, weil das nach amerikanischem Recht die Hintertür ist, um tenured professors wieder loszuwerden).

Große Bereiche der Geisteswissenschaften waren ja eigentlich auch nie etwas anderes als Tarnung für Geldwaschanlagen, in denen Parteigünstlinge gefüttert wurden.

Und wenn man dann, wie ich das mal gemacht habe, auf Auskunft klagt, was in deren Studium eigentlich vorkommt und Curriculum sein soll – oder schon der bloße Vorgang, dass man überhaupt klagen muss und nicht einfach in den Studienplan schauen, Skripte runterladen oder Bücher kaufen kann, ist ja schon der totale Betrugsnachweis – dann stellt sich eher die Frage, was man überhaupt vermissen könnte, wenn man wollte. Ist ja nichts da. Und selbst viele Absolventen der Philosophie stellen ernüchtert fest, dass sie einen Abschluss erhalten, bis dahin aber so gar nichts gelernt und geleistet haben.

Es wird Zeit, mit diesem ganzen Schwindel mal aufzuhören.