Ansichten eines Informatikers

Der Turm der Narren

Hadmut
1.12.2018 22:42

Vom Besuch in der wohl höchsten Klapsmühle der Welt.

Der Burj Khalifa in Dubai gilt als das (derzeit) höchste Gebäude der Welt. 163 Stockwerke, knapp 830 Meter hoch. Und sie haben eine Besucherebene (observation deck), die allerdings nur auf etwa der Hälfte der Höhe liegt, was auch daran liegen mag, dass der Turm nach oben immer dünner wird und weiter oben schlicht der Platz für ein Besucherdeck und die zugehörigen Aufzüge fehlen würde. Bereits auf halber Höhe ist da nicht mehr so richtig Platz.

Schon vor 8 Jahren, bei der Rückreise meiner letzten Neuseelandreise, wollte ich in Dubai auf diese Besucherebene, denn damals war der Turm gerade neu eröffnet worden. Damals ging das aber nicht, weil sie meinten, die Besucheretagen seien geschlossen, sie hätten Probleme mit einem Kabel. Ein anderer Tourist hatte damals verärgert die Vermutung geäußert, dass da wohl gerade irgendeine Berühmtheit oder Exzellenz die Besucheretage mal für sich alleine haben wollte, weil man nur auf der außenrum laufen könne. Danach war ich zwar nochmal in den Emiraten, hatte aber nie die Zeit übrig, zum Burj Khalifa zu fahren. Nun also sollte es endlich passieren.

Obwohl: Ein Taxifahrer hatte mich damals schon gewarnt, man solle sich nicht zuviel davon versprechen. Der Turm sei schlicht zu hoch um als Aussichtsplattform zu taugen. Denn in Dubai sei es, und das kann ich bestätigen, oft sehr dunstig. Das sei keine Umweltverschmutzung, sondern ein natürliches Phänomen, denn auf der einen Seite zermahle der Wind den Sand der Wüste und sorge damit für eine hohe Feinstaubbelastung, während von der anderen Seite, dem Meer, feuchte Luft auf das Land geblasen werde. Träfen beide zusammen, kondensierte die Feuchtigkeit am Feinstaub und es entstünde eine blickdichte Nebelsuppe. Dann sieht man von oben gar nichts mehr. Und soviel kann ich vorwegnehmen: Ich hatte zwar das Glück eines ziemlichen klaren Tages, nur getrübt durch die ziemlich dreckigen Fenster, aber sie haben dort auch bewegliche Kameras mit großen Displays, die man irgendwohin zielen lassen kann und dann auf dem Bildschirm angezeigt wird, wie es dort nachts oder früher (anscheinend vor etwa 30 oder 40 Jahren, stand leider nicht dran) aussah. Es ist frappierend, man guckt mit der Kamera irgendwo hin und zielt auf Häuser, und auf dem Bild sieht man einen Teil der Häuser, überwiegend aber nur Wüstensand. Kein hohes Haus, alles flach.

Im Internet findet man, dass die günstigsten Tickets ohne Schnickschnack und Sonderlocken ab 135 Dirham zu haben wären, also so ungefähr 35 Euro. Weil ich aber keinen Drucker dabei hatte und mit Online-Tickets die schlechte Erfahrung gemacht habe, dass man da manchmal eine Online-Verbindung braucht, ich mir aber wegen 2 Tagen keine SIM-Karte kaufen wollte, und dort gerade sehr wenig los war, dachte ich mir, kaufste das Ticket normal an der Kasse. Die mit Schnickschnack, persönlichem Berater und Zugang zu einer weiteren, etwas höheren Etage kosten übrigens 370 Dirham. Das wollte ich jetzt aber nicht.

Die Warteschlange war zwar eigentlich nicht lang, aber es ging verblüffend langsam voran, weil sie von mehreren Kassen nur ein oder zwei geöffnet hatten. So ganz klar war das nicht, ob die zweite jetzt offen ist oder nicht. Was mich ärgerte. Denn sie hatten da an der Wand auch zwei Kiosk-Computer, an man Karten direkt kaufen konnte, das aber abgesperrt, da kam man nicht hin. Als da gerade so eine Betriebstussi an mir vorbeilief, fragte ich, wo man den Manager sprechen könnte. Ich wollte einfach mal wissen, warum sie einen da – nicht gemessen, gefühlt – 25 bis 30 Minuten warten lassen, obwohl es da Eintrittskartenautomaten gibt. Sie sagte, sie hole ihn.

Noch bevor der auftauchte, kam ich dann an der Kasse dran.

Ein einfaches Ticket, ein Erwachsener, bitte. Sie nahm gelangweilt meine Kreditkarte und verschwand damit zur anderen Kasse.

Da intervenierte ich und rief laut „Stop!”.

Denn mir war aufgefallen, dass sie da nirgends Preise aushängen hatten. Zwar hatten sie über den Kassen eine ganze Reihe hochmoderner Monitore, die offenbar zur Unterstützung der Kassen dort hingen, aber die zeigten nur Werbung für den Turm, schöne Menschen freuen sich grundlos. Sie guckte mich verständnislos an und ich mopperte verständnislos, dass ich es erwarten würde, dass sie mir erst mal einen Preis sagt, bevor sie da an der Kreditkarte herumbucht. Irgendwas schien mir da faul. Sie meinte, ich solle mich nicht so aufregen, sie hätte ja noch gar nichts gemacht. Und schrieb mir den Preis auf einen Zettel: 525 Dirham.

Wie bitte!?

Laut Webseite kosten die einfachen Tickets 135, die besseren 370 Dirham. Von 525 steht da nichts. Und ich will eines für 135 haben.

Sie meinte gelangweilt, die seien alle auf Tage hinaus ausverkauft, es gäbe nur noch die. Nöh, da mach ich nicht mit. Dann lassen wir es bleiben. So lass ich mich weder verarschen noch abzocken.

Zufällig kam just in diesem Augenblick der Manager, den ich dann gleich wegen beiden Punkten, Warteschlange und faule Ticketpreise, ansprach.

Ja, meinte er, das mit den Automaten ginge gar nicht, das wäre zu kompliziert für die Menschen, die würden da zu lange brauchen. Und die würde sowieso keiner verstehen. Deshalb könne man die gar nicht einsetzen. (Muss man sich mal überlegen: Die Dinger haben nur eine einzige Funktion, und dafür, sagt er, seien sie nicht zu gebrauchen.) Och, sagte ich, weltweit würden die Leute Fahrkarten an Automaten kaufen, 40 Meter weiter hätte es einen McDonalds, wo man sich seine Burger am Automaten bestellt, und er könnte mich ja mal probieren lassen. (Ich hatte vorher gesehen, dass einer sich an den Absperrungen vorbeischlich, als der Security-Heini gerade mal pinkeln war, und sich da ruckzuck seine Karte holte. Die Dinger funktionierten einwandfrei.)

Aber das sei ja was ganz anderes, meinte er, an Fahrkartenschaltern und bei McDonalds müssten die Computer ja vorher keine Verfügbarkeit abfragen, sondern einfach immer weiterverkaufen, denn McDonalds könnte beliebig viele Hamburger braten, während ihre Kapazität begrenzt sei. Und wieso funktioniert’s dann im Kino? Und Sitzplätze in der Bahn seien auch beschränkt, und trotzdem schaffen sie es, die präzise zu verkaufen. Der erzählte mir da einen vom Pferd.

Nein, sagte der Manager, Computer könnten eben grundsätzlich keine Verfügbarkeit prüfen, denn dazu müssten sie erst beim Server anfragen, und das sei für Computer zu kompliziert. Ich gab den Hinweis, dass ich von Beruf Informatiker bin und er mir gerade Mist erzählt, denn wer sonst sollte den Server abfragen, wenn nicht ein Computer? Außerdem wurden die an der Kasse die Tickets ja auch nicht manuell ausstellen, sondern einen Computer benutzen. Warum der Computer an der Kasse es könne, der fünf Meter weiter an der Wand aber nicht, sei nicht ersichtlich.

Nein, beschied er, die günstigen Tickets seien alle ausverkauft, da oben sei es voll, es gebe nur noch die für 525. Basta!

Das verstünde ich nicht, beklagte ich. Denn bislang sei zwar überhaupt nicht ersichtlich, was ich für die 525 Dirham eigentlich bekäme, aber der Besuch auf der Plattform ist doch mit drin. Oder? Ja, das bestätigte er, natürlich sei der Besuch der Besucherebene da mit drin. Wie sollte das gehen, fragte ich, wenn doch die Plattform so ausverkauft und überfüllt ist, dass sie keine 135-Dirham-Tickets mehr haben, wie sollte dann einer mit einem 525-Dirham-Ticket da noch reinkommen, wenn’s doch überfüllt ist? Wenn’s überfüllt sei, würden sie ganz schließen, meinte er. Aha. Also sei es gar nicht überfüllt, denn sie haben ja nicht geschlossen.

Und warum sie einen dann überhaupt erst eine halbe Stunde anstehen ließen, wenn doch die Tickets nicht mehr zu haben seien. Warum sie nicht Preise und Verfügbarkeit auf den Monitoren anzeigen würden.

Das ginge nicht. sagte er. Man könne auf den Monitoren nicht einfach irgendwas anzeigen.

Freilich geht das, sagte ich, ich bin Informatiker und mir ziemlich sicher, dass man auf Monitoren auch Preise und Verfügbarkeiten anzeigen kann. Das geht. Todsicher. Man müsste halt nur wollen. Im Kino geht’s ja auch.

Nein, wiederholte er, denn die Monitore würden ja von Computern gesteuert, und Computer könnten die Verfügbarkeiten nicht vom Server abfragen, das könnten nur Menschen. Ob der Server ein Computer sei, will ich wissen. Ja. Also könnten Computer doch wissen, ob Karten verfügbar sind.

Mein Verdacht sei, so sagte ich ihm direkt, dass sie die Leute gerade verarschen und abzocken. Das Problem sei gar nicht, dass die Computer die Verfügbarkeit nicht abfragen könnten, sondern im Gegenteil, dass sie es könnten. Ich sei mir sicher (was war nämlich ziemlich wenig da los), dass sie noch 135-Dirham-Tickets hätten, und die Leute mit der 525-Masche einfach nur über den Tisch ziehen wollen und deshalb den Zugang zu den Kiosk-Computern gesperrt hätten, weil die wohl anzeigten, welche Tickets zu welchen Preisen es gäbe, während mit die gelangweilte Tusse an der Kasse alles erzählen kann. Ich hielte es für Betrug. Er widersprach nicht mal, sondern sagte nur noch, dass es kein Ticket für weniger als 525 Dirham gäbe. Andere kauften das, einer nach dem anderen.

Ich habe es nicht gekauft. Zwar kam’s mir auf den Unterschied von rund 100 Euro bei der Reise dann nicht so wirklich an, aber wenn ich mich verarscht und abgezockt fühle, werde ich eben pampig. Und bin gegangen.

Etwas später kam ich in der Shopping-Mall (Dubai Mall), in der der Tower und dessen Besuchereingang liegen, an einem Reisebüro vorbei, die solche Tickets bewarben. Dort wollte man für eines der Tickets, die angeblich ausverkauft waren, 180 Dirham. Ich habe mir dann im Hotel im Internet von einer Ticketagentur eines für 138 Dirham gekauft, nachdem deren Online-Verfügbarkeitsprüfung sagte, ja, klar, ist verfügbar. Sogar die Webseite des Burj Khalifa selbst bot noch einige 135-Dirham-Tickets an, wenn auch nur noch zu wenigen Zeiten, aber jedenfalls nicht ausverkauft.

Ich kam dann also etwas später per Internet und 138-Dirham-Online-Kauf an genau so ein Ticket, die es angeblich nicht mehr gab. Um gleich in die nächste Schikane zu geraten. Man muss durch eine Sicherheitskontrolle. Taschen werden geröntgt, die Hosentaschen muss man leeren und durch den Metalldetektor gehen. Meine Fototasche war auf dem Röntgenschirm nicht zu klären und sie wollten gebieterischen Tones unbedingt in die Tasche schauen, fassten auch ein paar Dinge an, sagten dann aber nichts, weil sie nicht das Gesicht verlieren wollten, indem sie zugaben, dass sie nicht wussten, was das für Dinge sind, Ich hatte aber noch so ein kleines Lavaliermikrofon (so ein kleines externes Ansteckmikrofon) in der Hemdentasche, so ein ganz billiges Ding für 8 Euro. Und das erkannten sie, ein Mikrofon. Mikrofone sind da nicht erlaubt, ich wurde angewiesen, zurück zur Garderobe und Gepäckverwahrung zu gehen und das kleine Mikrofon dort zu lasssen. ja, wie, und dann nochmal durch den ganzen Sicherheitskram? Nein, meinten sie, ich sei ja nun untersucht, wenn ich wiederkäme könnte ich ohne Sicherheitsuntersuchung direkt reingehen. (Wäre ich da zuständig, wären sie bei mir damit durchgefallen.) Ich kam also mit der Fototasche an die Garderobe und die meinten, ich wolle die Tasche dalassen, sagte aber, dass es nur um das kleine Mikrofon gehe. Ah, ja, sagten sie, Mikrofone seien nicht erlaubt.

Wieso sie dann nichts sagten, wenn praktisch jeder sein Handy mitnehme, wollte ich wissen. Und bekam dafür eine Belehrung über Mikrofone.

Der Sicherheitsfuzzi zog sein Handy raus, legte es auf den Tisch und meinte, ich solle ihm das Mikrofon zeigen. Ich zeigte auf das untere Ende. Falsch, lachte er mich aus, das sei ein Lautsprecher. Ich probierte es noch einmal, er lachte mich wieder aus. Ich würde an seinem Handy ja kein Mikrofon finden. Aha. Wie er denn damit telefoniere, wenn es kein Mikrofon habe, wollte ich wissen. Nun, so belehrte er mich, das sei was völlig anderes. Was der Unterschied zwischen dem Mikrofon in seinem Handy und dem in meinem Ansteckmikfrofon sei, war meine Frage. Der Unterschied sei, so wurde ich abschleßend belehrt, dass Handy-Mikrofone immer nur mene eigene Stimme und nie die von irgendwem sonst aufnehmen könnten. Mit meinem Mikrofon dagegen könnte ich ja fremde Gepräche aufnehmen.

Ich habe mir dann aber doch verkniffen zu erklären, dass es genau umgekehrt ist. Dass man mit dem Handy wunderbar alle Geräusche im Raum aufnehmen kann und man diese kleinen Ansteckmikrofone am Hemdkragen (auch mit dem Handy) ja gerade dazu verwendet, eben nur (oder vorrangig) die eigene Stimme aufzunehmen. Ich lobte stattdessen in ehrfürchtigem Ton ihre Weisheit und Sachkunde, ließ ihnen das Mikrofon und ging endlich in den Turm, froh darüber, dass sie nicht darauf gekommen waren, dass in jeder Kamera noch ein Mikrofon steckte.

Man geht dann durch ein Labyrinth von Gängen, die offenbar vor dem wartenden Volk verbergen sollen, wie enorm lang die Warteschlangen bis zu den Fahrstühlen sein können. Da passen sehr, sehr viele Leute in die Warteschlange. Nur: Die Warteschlange war völlig leer. Vor den Fahrstühlen warteten gerade so viele Leute, dass sie in ein oder zwei der Fahrstühle passten, also quasi gar keine Warteschlange, weil man nicht länger warten musste, als wenn man alleine gewesen wäre, eben weil man auf den Fahrstuhl an sich wartet. Ich hatte so das Gefühl, dass sie einem nicht deshalb versuchen, die 525-Dirham-Karten anzudrehen, weil sie überfüllt und ausgebucht sind, sondern im Gegenteil nicht auf gewisse Mindesttagesumsätze kommen.

Man fährt dann mit einem fast ganz verdunkelten Aufzug hoch, in dem Beamer Informationen an die Innenwände werfen.

Oben angekommen sieht man dann schon die Außenfenster, aber da lassen sie einen dann nicht durch. Es gibt da eine Fotoecke, in der ein kommerzielles Fotografenteam Leute in albernen Posen vor dem Greenscreen fotografiert. Nach Ende des Besuchs kann man beim Rausgehen dann wie in den Freizeitparks bekloppte Fotos kaufen, auf denen man vor dem Turm dumm rumsteht oder an irgndeinem Querbalken hängt. Oder mit schwarzen Handschuhen wie Tom Cruise an der Außenfassade rumklettert. Und durch die wollen sie jeden Neuankömmling durchschleusen, damit der Fotograf von jedem Besucher Bilder macht, die man dem später beim Rausgehen als Souvenir andrehen will. Ein deutliches Wort des Grimms eröffnete mir dann aber doch den direkten Zugang zu den Außenfenstern ohne mich dem Fotografen für dämliche Bilder aussetzen zu müssen.

Nun, ich hatte Glück, das Wetter war so klar, dass man sehr gut bis zum Boden und schemenhaf sogar bis Sharjah und Abu Dhabi, die Nachbarermirate schauen konnte. Nur die Fenster waren leider ziemlich dreckig, der Feinstaub aus der Wüste klebte außen an den Fenstern. Und tatsächlich hat man von oben eine wunderbare Aussicht. Falls man sie nicht hat, gibt es fest montierte, aber bewegliche Kameras mit großen Monitoren, mit denen man irgendwohin zeigt und dann auf den Monitoren wahlweise sieht, wie es da bei Nacht, vor vielen Jahren oder eben bei guter Sicht ausgesehen hätte. Es gibt Tage, an denen fährt man da hoch, sieht nichts, und schaut sich dann auf Monitoren an, wie es ausgesehen hätte, wenn man was gesehen hätte. Allzuviel gibt es aber eigentlich gar nicht zu sehen. Auf der einen Seite das Meer, auf der anderen Wüste, und im Norden und Süden willkürliche Ansammlungen von Hochhäusern.

Grotesk fand ich aber, dass die wenigsten Leute dann tatsächlich zu den Fenstern rausschauten. Es ist geradezu, als wollte man die Leute von den Fenstern fern-, aber so lange wie möglich dort hoben halten (warum, wenn sie doch angeblich an Überfüllung leiden?) Tatsächlich war es da oben sogar ziemlich voll, aber nicht, weil die Leute alle gucken wollten, sondern weil man sie dort mit allem möglichen Tünnef und Killefit beschäftigte, den man genausogut oder besser unten auf dem Boden statt in 400 Meter Höhe hätte tun können. Diverse fotografen, die die Leute vor Green Screen fotografierten, um sie dann alle vor dasselbe Hintergrundbild zu pappen und das noch schlecht. Virtual Reality, man konnte sich – gegen Geld natürlich – in große Kästen stellen und an Seilen ziehen, um auf einer VR-Brille zu sehen, wie es wäre, wenn man mit dem Gleitschirm von oben runterfliegt. Warum aber muss man für den Gebrauch einer VR-Brille auf 400 Meter? Jede Menge Scheiß, wie Hängesessel oder an die Außenfenster gemalte große bunte Flügel in Pastellfarben, wie bei Vicotrias Secret. Und die Chinesinnen und Inderinnen drehen da völlig durch. Eine nach der anderen muss sich zwanghaft vor diese auf die Scheiben geklebten/gemalten Flügel stellen um ein strunzdämliches Foto zu machen, sie sie mit Flügeln aussehen, stehen dann aber da wie bestellt und nicht abgeholt. Den größten Brüller finde ich, dass sie die beiden Etagen mit Verkaufsregalen zugestellt haben und dort oben jeden erdenklichen Blödsinn und Kitsch verkaufen. Alberne Stofftiere, Tassen, potthässliche Burj-Khalifa-Modelle in Glas und silbrig, und natürlich original Kamelmilchschokolade. Und noch jede Menge anderen Klimbim. Was man so braucht im höchsten Gebäude der Welt. Da geht es nicht darum, aus dem Fenster zu schauen. Die Fenster sind Nebensache. Da geht’s darum, die Leute durch einen Nepp-Parcours zu schleusen und sie mögichst lange dort zu halten. Kein Wunder, dass die auch bei kleinen Besucherzahlen schon an voller Befüllung leiden.

Als ich dann nach einiger Zeit wieder gehen wollte, hätte ich mich in einer Schlange hinten anstellen müssen, weil ich aber alleine war (und die meisten anderen in Gruppen unterwegs), kam ich ganz vorne an die Spitze der Schlange und kam erst mal mit einem vom Personal alleine in den Fahrstuhl. Der nun quatsche mich debil grinsend in diesem breiten Pidgin-Pseudo-Englisch in stupidem Tonfall „All good?” an und so mit Thumbs up und erwartete von mir das Gleiche, die Geste, oh wie toll es da gewesen sei. Du Depp kommst mir gerade geschlichen, schoss mir durch den Kopf, und ich sagte mal in aller Deutlichkeit, dass ich das für einen Haufen Bullshit halte, erst as mit den Tickets, und dann dieser Rummelplatz aus Blödsinn und Firlefanz.

Und dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hätte: Plötzlich veränderte der sich komplett, war plötzlich ein ganz normaler intelligenter Mensch, der völlig normal Muttersprachler-Englisch sprach und noch dazu genau meiner Meinung war. Ja, das sei halt alles nur Geschäft, da ging’s nur darum, möglichst viel Geld abzugreifen und sonst gar nichts. Eine ordentliche Organisation der Eintrittskarten bekämen sie nicht hin, weshalb sie immer Kontingente an Reseller verkauften, und ob die dann weggehen oder verfallen, wisse dann auch niemand so richtig.

Als ich dann da rauskam, war ich wieder in der Shopping Mall, in der der Ein- und Ausgang liegen. Anscheinend gehören Turm und Mall demselben Konzern. In der Eingangshalle wird deren nächstes Projekt vorgestellt, eine Art Riesenspargel, der einen ganzen Kilometer hoch sein und 2021 fertig werden soll. Sieht kurios aus, weil eigentlich nutzlos, aber mit avantgardistischen Seilkontruktionen abgespannt. Davon haben sie da ein großes Modell und ziemlich viele Leute, Hostessen und – wie heißt eigentlich eine männliche Hostess – die einem dann, warum auch immer, erklären, was das ist, dass es eigentlich zu nichts gut ist, aber als Wahrzeichen für einen riesigen Geschäfts- und Unterhaltungspark dienen soll, und dass es ganz toll sei. Ich kam an eine ganz außergewöhnlich gut aussehende dunkelhäutige Afrikanerin, die mir also in sauber erlernerten Standardtexten und tadellosem Englisch erklärte, wozu es eigentlich nicht viel zu erklären gab. Professionell, vornehm, gestelzt.

Dubai sei so ein wunderbares, glückliches Land, sagte ich ihr traurig, wo man solche wunderbaren Bauwerke bauen könne. In Deutschland sei das nicht möglich.

In professionellem Mitgefühl erkundigte sie sich besorgt, warum das in Deutschland nicht möglich sei.

Nun, sprach ich, das würden unsere Feministinnen verhindert. Immerhin sei dieses erigierte Ding ein Männer-Symbol, und das würden sie nicht dulden. In Deutschland müsste nun alles weiblich sein, weshalb wir da höchstens ein tiefes Loch graben können und dann darum herumsitzen und darüber jubeln müssten.

Sie bekam einen Lachkrampf. Richtig laut, richtig dreckig. Verschämt hielt sie sich einen der Prospekte vor dem Mund, aber die anderen guckten alle erstaunt und pikiert.