Ansichten eines Informatikers

War mal offline…

Hadmut
21.11.2018 8:31

Bin wieder online.

Bin im Norden und wollte da so rumtuckern, und eigentlich nochmal an einen der schönsten Orte der Welt, an dem ich vor 8 Jahren schon mal eine Nacht verbracht und dazu davor einen tollen Abend und einen wunderbaren nächsten Morgen verbracht habe: Cape Reinga. Der offiziell nördlichste Punkt Neuseelands. Was nicht mal stimmt, denn etwas nebendran gibt es einen Landzipfel, der noch ein paar Meter nördlicher geht, aber völlig unzugänglich ist. Insofern ist Cape Reinga der nördlichste zugängliche Punkt Neuseelands und ein wunderbarer Ort. Denn dort gibt es nichts außer eben diesem berühmten Leuchtturm, etwas davon entfernt der Parkplatz (mit einem seltsamen wasserlosen Bio-Klo), dazu ein Tor, das zu dem langen geschlängelten Fußweg zum Leuchtturm führt und gruselige Geräusche, die abergläubische Naturen das Fürchten lehren, weil sie sich nach bösen Geistern anhören, aber nur daran liegen, dass sie oben auf dem Dach des Bogens drehbare Windpfeifen angebracht haben, die sich im Wind drehen und deshalb ganz kurios heulen. Dazu Aussichten zum Niederknien. Sonst nichts. Eine der bekanntesten Attraktionen Neuseelands, und ich war da beim letzten Mal ganz alleine. Und es ist so schön und wunderbar dort.

Gut, dass ich so alleine dort war, liegt vielleicht auch daran, dass man da vorher über 100 Kilometer (heißt auch: Ninety Mile Beach) eine einsame Straße entlang fahren muss, und ich die letzten ca. 15 Kilometer gar nicht hätte fahren dürfen, weil damals noch Schotterstrecke, was mit Mietwägen nicht erlaubt ist, und bei einem falsch Abbiegen wäre ich auf einem sehr steilen Schotterstück fast steckengelieben, was sehr viel Ärger bedeutet hätte. Inzwischen ist die Strecke durchasphaltiert, und es wären sicherlich wunderbare Drohnenaufnahmen geworden, aber ein Umweg von insgesamt rund 500 Kilometern war mir dann jetzt doch zuviel, zumal ich ja keine Langeweile hatte, ich habe ja schöne andere Orte und Plätze gefunden und mich eben zugunsten der Orte entschieden, an denen ich noch nie war. Hätte ich zwei, drei Tage mehr gehabt… Cape Reinga kommt dann eben bei der nächsten Neuseelandreise wieder dran.

Ich war jedenfalls in einer Broschüre der Touristeinformationen auf die Northland Journeys gestoßen, und hatte deshalb meine Pläne, die eigentlich darauf hinausliefen, wieder nach Cape Reinga zu fahren, umgeworfen, und dachte mir, machst Du doch einfach reihum (gegen den Uhrzeigersinn) diese 6 Tagesreisen.

Naja, also diese Reisepläne kann man nicht zu ernst nehmen. Sie sind nicht so genau, und die meisten der angegebenen Attraktionen habe ich entweder gar nicht gefunden oder mir gedacht „Was, das soll hier die Attraktion sein?” Dafür haben sie mich an schöne Orte gebracht, an die ich sonst nie oder nicht so gefahren wäre. Beispielsweise das Kaff, in dem ich das Drohnenvideo mit der Fußgängerbrücke und der Stromleitung aufgenommen habe. Das Kaff fühlt sich tot an. Da ist nichts. Als ich dahinkam, dachte ich mir „Ach Du Scheiße”. Da kann man nicht mal was zu essen kaufen, tanken auch nicht, völlig verschlafen. Und einen extrem schnarchnasigen Campingplatz haben sie gerade noch, den ich zunächst ganz fürchterlich fand. Die haben zwar sogar einen Laden für Camper, mit Lebensmitteln, Zeugs, Badesachen, der aber jedes Jahr erst am 26. Dezember öffnet. Ich war der einzige Gast auf dem Campingplatz. Es standen zwar noch ein paar Wohnwagen oder Wohnmobile herum, aber verlassen, Dauermieter, die gerade nicht da waren, oder Leute, die ihren Wagen dort bis zur Saison abgestellt haben. Am Empfang eine alberne Alte mit Minnie-Maus-Stimme, die meinte, sie müsse mich auf diesem riesigen Campingplatz, auf dem alles frei war, auf dem allerletzten Platz irgendwo hinter dem Haus oben auf dem Berg platzieren, und – das war so eine realitätsverleugnende Frohnatur – mir bedeutete, dass sie mir den Platz nicht auf dem Plan, sondern persönlich zeigen wolle, ich möge ihr folgen. Sprach’s, setzte sich auf ein Quadbike und düste davon. Ich versuchte ihr zu folgen, es ging aber nicht. Der Weg war verdammt eng, die Kurven auch, die Bäume hingen niedrig, und ich hörte oben die Zweige schon über das Dach schleifen, und das ist problematisch, denn das gilt als grob fahrlässig, das deckt die Versicherung nicht ab, da zahlt man dann ein neues Dach für den Camper. Die Alte war weg. Irgendwann kam sie wieder und fragte, wo ich bleibe. Ich versuchte ihr das Problem zu erklären, sie wollte das aber nicht einsehen, dass ein Wohnmobil (noch dazu das Riesen-Ding, mit dem ich da rumfahre) größer, höher, breiter, länger als ein Quadbike ist und dass sie da durchkommt, noch lange nicht heiße, dass ich da auch durchkomme. Und verdammt steil wurde es da auch. Ach, die Zweige seien doch so weich, da passiere nichts. Es geht nicht, es passt nicht. Wohnmobil eben breiter und höher als ein Quadbike, dafür weniger geländegängig. Sie war etwas beleidigt und angeranzt, meinte aber dann doch, dass ich eben einen von den vielleicht 50 riesig großen freien Camperplätzen nehmen soll, die man ganz einfach, geradeaus und ohne jegliche Probleme anfahren kann. Alles stinklangweilig da, ich etwas angeranzt, dachte mir noch so, wo zu Geier bin ich da gelandet. War dann abends nochmal im Dorf (ein paar Häuser, sonst nichts) und habe diese Brücke entdeckt und die mir für den nächsten Morgen vorgenommen. Abends war ich dann noch auf dem Campingplatz-Klo pinkeln, dachte schon, das ist aber alles Mist hier, immerhin hatten sie eine große 15-Meter-Kinderrutsche vom Dusch- und Toilettenhaus runter zu den Standplätzen, und wie ich wieder zurückwollte, dachte ich aus unerfindlichen Gründen, dass ich da einen Trampelpfad gefunden habe und wissen wollte, wo der hingeht.

Nun kann ich der Versuchung von unbekannten Trampelpfaden generell nur schlecht widerstehen, habe aber aus guten Gründen dabei immer mindestens mein Hand-GPS (als Ariadne-Faden für den Rückweg, denn in Australien oder Neuseeland, wo es viele Weg gibt, die genau gleich aussehen, kann man sich leicht verlaufen, besonders bei Dunkelheit), Taschenlampe, Kamera mit. Da hatte ich gerade gar nichts dabei, weil ich ja eigentlich nur pinkeln wollte, und fand mich unversehens auf einer Mini-Nachtwanderung, weil der Trampelpfad durch ein Gebäusch an ein altes Eisentor geführt hatte, das mit einer Schlinge verschlossen war und an dem stand, man möge es wieder schließen. Da musste ich dann natürlich durch. Und hörte das Rauschen des Meeres, fand dann in der Dunkelheit nach Gehör einen Trampelpfad und dann einen Plankenweg Richtung Meer und einen wunderbaren Strand.

An diesem Strand habe ich den nächsten Morgen und Vormittag verbracht, und hatte den – abgesehen von zwei Joggerinnen, die im Abstand von einer Stunde mal vorbeigerannt kamen, völlig für mich allein. Und dann natürlich noch diese Brücke.

Ohne diese Nourthland Journeys, die eigentlich knattrig schlecht gemacht sind, und die einen damit in Gegenden bringen wollen, in die wirklich niemand sonst fährt, der nicht da wohnt, wäre ich da aber nicht hingekommen. Also dachte ich mir, machst Du sie halt.

Es hat mich an sehr schöne Orte gebracht.

Und es hat mich in Ödnis gebracht.

Gestern abend bin ich auf die letzte Route, den Ancient Kauri Trails gefahren, und hatte noch ein paar faszinierende Superaussichten in Omapere, um dann im tiefen, tiefen Wald zu verschwinden.

Nun war ich zwar entfernt in der Gegend schon mal, aber vor 8 Jahren und nicht so nördlich.

Gute Güte, wo bin ich da gelandet?

In den Kauri-Wäldern.

Und da ist sonst nichts. Da führt eine eng gewundene Straße durch Wälder – und das war’s.

Naja, nicht ganz. Ich kam an diesem berühmten Riesen-Baum vorbei, aber schon, als es zu dunkel war und regnete, das musste ich dann nicht haben.

Irgendwann war’s dann finster, und kein Ziel abzusehen. Ich konnte mich aber erinnern, dass ich in einiger Entfernung vor 8 Jahren mal auf einem Campingplatz war, und die eine Nachtwanderung mit einer Biologin angeboten hatten, mit der man sich auf die Suche nach Kiwis begeben konnte. Wir haben sie damals auf dieser Nachtwanderung gehört, aber nicht gesehen. Mir fiel so auf der Fahrt ein, dass ich verpennt hatte, aus meinen alten GPS-Logs den Weg der Nachtwanderung zu extrahieren und zu notieren, dann hätte ich da jetzt hinfahren können, lag so grob auf dem Weg. Als ich an einem Wegweiser Night Walk Trails vorbeikam, und dachte, das isses, das mache ich jetzt. Carpe noctem.

Jo, da stand ich dann auf einem finsteren Parkplatz im finsteren Walde und hatte es mir nicht gar so finster vorgestellt, weil zwar nicht ganz, aber fast Vollmond war. Aber eben schlechtes Wetter und wolkenverhangen. Ich bin zwar noch losmarschiert, warm eingepackt, aber fragte mich dann irgendwann im Wald drinnen, was ich da eigentlich mache. Gefühlte 50 km von der nächsten Zivilisation entfernt völlig allein im stockfinsteren Wald herumzutappen… warum? Na, um endlich Kiwis zu sehen. Problem daran: Schalte ich meine Stirnlampe an, sehe ich die Kiwis garantiert nicht, weil die garantiert vor mir fliehen (sehr scheu und nachtaktiv) und meine Augen außerhalb des Lichtkegels gar nichts mehr sehen. Schalte ich sie aber aus und versuche, mich an die Dunkelheit zu adaptieren, konnte ich gerade ein bisschen was am Himmel sehen, aber nichts am Boden, und damit auch nicht gehen – oder bestenfalls auf einem gerade Forstweg, an dem ich vorbeikam. So oder so, Kiwis würde ich damit nicht sehen, und habe dann kehrt gemacht. Weil Übernachten dort nicht erlaubt war, bin ich weitergefahren … kam dann im Wald an einem Schild „Camp irgendwas” vorbei, wo es aber auch stockfinster war, und fahre und fahre und fahre… und komme zu keinem Ziel. Ganz selten mal ein Haus, alles dunkel, alles finster, weit und breit kein anderer Verkehr. Irgendwann kam ich dann an eine Abzweigung, die zu einem Park und dem Campingplatz führen sollte, auf dem ich vor 8 Jahren mal war, aber es war eine Schotterstrecke. Die ich ja nicht fahren darf. Ich fahre weiter und weiter und es wird immer finsterer und ein Schild sagt „Nächster Campingplatz 49 km” und irgendwann war es mir zu blöd.

Das sind so die Augenblicke, in denen man sich darüber freut, so einen vollständigen Camper und nicht nur einen PKW zu haben, in dem man alles bei sich hat. Ich habe dann irgendwo neben der Straße so einen Streifen zum Quer-zur-Fahrbahn-Parken gefunden, weil da mitten in der Pampa eine Schule stand (auch alles dunkel, bis auf ein Licht an einem Haus), und da so gegen 22:30 beschlossen, jetzt reicht’s mir. Hingestellt und aus. Handy: Null, gar kein Empfang. Stellenweise hatte wegen der hohen Bäume oder Bergwände dort nicht mal mehr das GPS funktioniert. Bloggen oder sowas war da nicht mehr. Also habe ich mich einfach ins Bett gelegt und beschlossen zu schlafen, bis es nicht mehr geht. Irgendwann, gefühlt, aber nicht geprüft so gegen sechs, wache ich auf, weil Laster an mir vorbeidonnerten, die einen Höllenlärm verursachten. Bin wieder eingeschlafen und viel später wieder aufgewacht. Bis ich dann endlich fertig war und los bin, war es Viertel nach Zehn, ich war also rund 12 Stunden nur damit befasst, auf diesem Parkplatz zu stehen, zu schlafen, und mich wieder einsatzbereit zu machen. Wohlgemerkt: OHne Internet. Aber dafür mal richtig ausgeschlafen. Mitten im Wald, im Nirgendwo. Ich habe diese Northland Journeys, die mich dahinbrachten, verflucht, das Wetter noch dazu, denn seit gestern mittag regnete es meistens und heute horgen so richtig dolle, dass ich mich überwinden musste, überhaupt auszusteigen und das Gas für die heiße Dusche auf- und wieder zuzudrehen.

Die Strecke erwies sich auch im weiteren Verlauf als öde, und das Wetter als miserabel, und was macht man da in seiner Not?

Ich kam an zwei Museen mit nichtssagenden Namen vorbei, die auch auf der Routenbeschreibung empfohlen werden. Dachte mir, gehste halt ins Museum, da ist es dann wenigstens warm und trocken, wenn es sonst schon nichts ist.

Und habe auf diesem Weg zwei ganz wunderbare, richtig schöne Museen gesehen. In die ich sonst nie gekommen wäre.