Ansichten eines Informatikers

Wie sich Neuseeland verändert hat

Hadmut
9.11.2018 22:08

Und dabei bin ich mir meiner Denkfehler durchaus bewusst.

Ich bin zum dritten Mal in Neuseeland. 2002 mal für 17 Tage, 2010 mal für 4 Wochen (davon 3 im Wohnmobil auf beiden Inseln) und jetzt wieder. Das reicht nicht für eine Beurteilung, obwohl mir viele Leute hier sagen, das wäre genau richtig für eine Beurteilung, denn wenn man etwas ständig sieht, sieht man die Veränderungen nicht mehr, die sich stückchenweise ergeben.

Ich hatte neulich geschrieben, dass mir die Hauptstraße in Auckland, die Queen Street, verändert vorkommt. Früher gab es da viele kleine Läden, was mir wegen einer Begebenheit dort in Erinnerung gelieben war, und heute reihen sich da die großen weltweiten Luxus-Labels aneinander wie eine Open-Air-Luxus-Shopping-Mall.

Einen ähnlichen Effekt meine ich auch hier bei den Maori zu beobachten, wenngleich ich dabei Denkfehler mache, weil ich mehrere Parameter verändert habe, nicht nur die Zeit. Ich bin diesmal an anderen Orten und habe die große Show am großen Touristenort Rotorua besucht, während ich bei meiner ersten Reise Maori-Kultur draußen auf dem Land gesehen habe. Außerdem gibt es hier, wie erwähnt, eine Spaltung des Dorfes in zwei Teile, von denen die einen eher das realistische Leben zeigen und die anderen eben die große Show in Form eines Parks machen. Weil ich beim letzten Mal in der Realistisches-Leben-Hälfte war, bin ich diesmal natürlich in die andere Hälfte gegangen, den Show-Park.

Trotzdem habe ich den Eindruck gewisser Veränderungen.

Während mir vor 16 Jahren noch erklärt wurde, was es mit Masken so auf sich hat und dass man die zum Verkauf an Touristen absichtlich schlecht macht (Warum? Weil die Masken für ihre Ahnen und für bestimmte Personen stehen, und – ich kann mich nicht mehr erinnern, warum – auf gar keinen Fall in einer Küche oder beim Essen hängen dürfen. Weil man bei Touristen aber nie ausschließen kann, dass die die Maske in die Küche legen oder hängen, und das großes Unglück für den Dargestellten bedeuten würde, macht man die Masken zum Verkauf so grottig, dass sie garantiert keinem Verstorbenen ähnlich sehen und keiner darunter noch Schaden nehmen könnte.), ist es inzwischen nur noch die Schnitzerei- und Tanz- und Gesangs-Show mit Zunge rausstrecken. Ich habe mich erkundigt, sowohl das Grundstück, als auch der Parkbetrieb gehören einem Maori-Tribe, und sie sagten auch (was ich auch früher schon oft gehört habe), dass das da zentral von einer Familie organisiert würde (obgleich sich ja herausstellte, dass einige der Tänzer angeheuerte Berufstänzer sind, aber die sehen auch nicht alle gleich aus und sagen auch, dass sie von verschiedenen Tribes sind). Im Prinzip sind das so etwas wie Familienbetriebe, und die haben da eben ihr Business entdeckt. Und machen damit vermutlich sehr viel Geld. Gestern abend leitete die Chefin die Show, und teilte die Touristenschar hochprofessionell in Gruppen ein, die dann jeweils von einer ihrer Verwandten (Töchter, Enkelinnen usw.) geführt wurden, eine sprach von einer anderen als von ihrer Cousine. Der Guide, der mich morgens rumgeführt hatte, sprach auf Nachfrage unumwunden von „It’s a tourist attraction”. Beim Abendessen, dass zwar sehr gut war, aber sowohl von Essen her, als auch von Darbietung und Gebäude und Service wirkte wie jedes andere Gruppenarbendessen in einem gehobenen modernen Hotelbetrieb, fragte ich die Chefin mal, was daran jetzt eigentlich noch Maori-kulturell sei. Es sei im Hangi zubereitet, dem traditionellen Maori-Ofen, im Prinzip einer Kiste, die an einer Stellte mit geothermischer Hitze im Boden eingelassen ist und von selbst kocht. Ja, aber das Essen selbst? Nee, eigentlich nicht. Das seien fast alles Sachen, die erst mit den weißen Einwanderern gebracht worden seien. Aber besser schmecken.

In einem ihrer Hakas, die sie touristenmäßig (und wohl auch, um es selbst jeden Abend machen zu können) gerne etwas ins Komische ziehen und einen Jux draus machen, kam eine Szene vor, in dem einer mit einer Schlagwaffe einem imaginären Gegner geradewegs den Schädel einschlägt. Um sodann (mit Erklärung des Sprechers und unter Gelächter des Publikums) dessen Gehirn zu greifen wie aus einer Packung Pralinen, augenrollend zu essen und sich grinsend – Oh, lecker! – den Bauch zu reiben.

Es ist unterhaltsam, es ist kurzweilig (auch wenn ich sagen muss, dass ihr Reportoire sehr überschaubar ist und sie eigentlich immer nur die gleichen wenigen Figuren endlos wiederholen) und es ist zu einer Art Zirkusauftritt verkommen. So realistisch wie ein Clown im Zirkus oder der Versuch, das Wesen des Indianers in dessen Spielbanken in Las Vegas zu ergründen.

Dessen muss man sich im Klaren sein.

Auch im Klaren muss man sich aber sein, dass Maori (im Gegensatz zu manchen Ureinwohnern anderer Länder) zumindest in der Mehrzahl sehr intelligente, moderne, aufgeschlossene, umgängliche, freundliche, anpassungsfähige Menschen sind (ich wurde allerdings auch schon vor den Maori-Gangs gewarnt), die hier keineswegs eine Randgruppe darstellen, sondern eben ihr Geschäft betreiben und davon leben.