Ansichten eines Informatikers

Speicherkartenzauber

Hadmut
10.10.2018 20:45

Geht mir auf den Sack!

Mir gehen ja schon die Internet-Provider auf den Wecker, die mit „bis zu X MBit” werben, damit aber nur sagen, was sie einem höchstens geben, aber nicht, was mindestens oder im Mittel.

Der gleiche Mist findet bei Speicherkarten für Kameras statt.

Es geht mir schon länger auf den Senkel, dass die auf der Packung groß die Maximalgeschwindigkeit angeben, für den Gebrauch (und den Preis!) aber die Mindestgeschwindigkeit maßgeblich ist, und man in der Kameraanleitung genau nachlesen sollte, welche Karten man braucht. Das Problem der Kompatibilität ist, dass Kameras prinzipiell mit uralten Speicherkarten „kompatibel” sind, und man da ein paar langsame Fotos draufschreiben kann, das aber bei Serienfotos oder gar Videoaufnahmen einfach zu langsam werden kann. Und dann vieles nicht funktioniert, weil nicht klar dasteht, welche Mindestgeschwindigkeit gefordert ist und was die Karte liefert.

Zumal dann Angaben wie „FullHD” oder „4K” auch nicht aussagefähig sind, weil das stark von Codec und Kamera abhängt, was die Kamera da rausbläst. Es gibt stark kompriminierende Bimmelkameras, die unscharf und mit geringen Umfang, aber mit vielen Artefakten komprimieren, und dann gibt es 10 Bit, unkomprimiert oder verlustfrei oder verlustarm, und da sind die teuersten und schnellsten Karten gerade gut genug. Zumal 4K und 4K noch lange nicht das gleiche ist. Video-4K ist doppelte Breite FullHD, also 2×1920 = 3840. Nach Ansicht der Kino-Leute ist das aber unbrauchbarer Schrott, denn Kino-4K heißt 4096. Und dann kommt’s halt auch einfach drauf an, wieviele Bilder pro Sekunde man aufnimmt. Ich habe eine Nikon 1 J5, die mit 4K beworben wurde, dann aber nur 15 Bilder pro Sekunde schafft (klare Sache: Für FullHD mit 60 Bildern pro Sekunde gebaut, dann kamen die Produkt-Manager und sagten, man braucht jetzt 4K), was ungefähr der Handkurbel aus der Stummfilmzeit entspricht.

Dummerweise gibt es inzwischen schon drei Nomenklaturen für SD-Speicherkarten, die Speed Class, die UHD Speed Class und die Video Speed Class. Und dafür ist die Mindestgeschwindigkeit ausschlaggebend. Und der eine Hersteller gibt die eine und der andere die andere an.

Hier gibt es eine schöne Tabelle dazu. Außerdem Ausführungen dazu, dass die Maximale Geschwindigkeit auch wichtig sei, weil sie die Bus-Geschwindigkeit beschreibt.

Current Class 10 cards have a maximum bus speed of 25 MB/s. At this maximum bus speed, recording 1080p video at 60 frames per second (fps), the card should perform well. However, if a device can shoot 120 fps or more, the card’s speed may not be enough to keep up. The card may start recording, but later stop.

There are three types of UHS-I cards: SDR25, which gets 25 MB/s, SDR50/DDR50, which gets 50 MB/s file transfer rate, and SDR104, which gets 104 MB/s file transfer rate.

UHS-I UHS Speed Class 3 or V30-V90 is the best option for 1080p 120 fps or more, as well as 4K video recording. For 4K, again, the frames per second play a role. At 30 fps, the user could use a UHS-I UHS Speed Class 1 card or V6-V10, but at 60 fps 4K, the user would require the UHS-I UHS Speed Class 3 card or V30-V90.

Similar to UHS-I, UHS-II has two bus speeds, 152 MB/s and 312 MB/s. UHS-II devices are fairly limited at the moment, but higher resolution video recording and more requirements for frames per second make UHS-II cards a necessity for these new devices. V30 and higher are recommended for host devices utilizing a UHS-II interface.

Nun habe ich mir gerade neue Karten bestellt. Weil die schnellen teuer und für manche, aber eben nicht für alle Zwecke erforderlich sind, und die langsameren billiger sind, habe ich von beiden eine bestellt, selber Hersteller.

Und komme mir verarscht vor!

  • Eine „schnelle” San Disk Extreme Pro SDXC UHS-I Card, 128 GB, mit Angabe „U3, V30, 4K UHD”, kostet auch mehr, gibt auf der Packung „SPEED UP TO 95 MB/s 633x” an, aber mit Sternchen, im winzig-Gedruckten und zwei Geschwindigkeitsangaben auf der Rückseite steht, dass sie eine Lesegeschwindigkeit von bis zu 95 MB/s haben, eine Schreibgeschwindigkeit von bis zu 90, aber je nach Gerät auch langsamer.
  • Bei der langsameren San Disk Ultra microSDXC UHS-I Card, 128 GB, steht nur Class 10 und FullHD, also nach Tabelle 10 MB/s, faktisch also nur ein Drittel der Geschwindigkeit geliefert, steht groß „SPEED UP TO 100 MB7s 667Xdrauf, und auf der Rückseite nur, dass das die maximale Lesegeschwindigkeit wäre, und die „Schreibgeschwindigkeit niedriger” sei.

Obwohl man also formal weniger kauft und weniger bekommt, wird sie als schneller angepriesen, was rein technisch sogar möglich ist, wenn sie anders aufgebaut ist, weil es die Lesegeschwindigkeit ist. Nur: Wen interessiert die Lesegeschwindigkeit? Davon hat man ja fast nichts.

Bei den billigeren steht gar nichts konkret drauf. bei der teureren steht bei der Schreibgeschwindigkeit „UP TO 90 MB/s 600x”, was einem (außer vielleicht bei Serienfotografie) auch nichts nutzt, wenn die garantierte Geschwindkeit nach V30 eben nur 30 MB/s ist – also ein Drittel.

Theoretisch könnten sie damit sogar zweimal die gleiche Karte zu verschiedenen Preisen verkaufen.

Man wird da mit Riesen-Zahlen geködert, die fast nutzlose Maximal- und Lesegeschwindigkeiten bis zu 100 MB/s angeben.

Tatsächlich aber hat man nur eine, die 10 MB/s, und eine, die 30 MB/s Schreibgeschwindigkeit als Minimum zusichert. Und das ist das, worauf es ankommt.

Ich habe zwar neulich ziemlich über Nikon wegen der XQD-Karten geschimpft. Das tun gerade viele. Neulich gab’s irgendwo ein Interview mit einem europäischen ProduktManager, der sich da doch ziemlich in Rechtfertigungsdruck anhörte und sie offenbar merken, dass sie da Haue bekommen. Er meinte halt, dass die XQD-Karten viel zuverlässiger seien (was möglicherweise ein Denkfehler ist, weil die SD-Karten Preiswettbewerb und etwas geringeres Volumen haben, und deshalb vermutlich in der Regeln MLC (Multi-Level-Cells) verwenden, also mehrere Bit pro Zelle speichern. Die XQD-Karten sind schneller, aber auch sehr viel teurer, und deshalb vermutlich oder möglicherweise SLC (Single-Level-Cells) einsetzen, die schneller und robuster sind, aber damit eben auch zwei- oder dreimal so viele Zellen brauchen und mindestens dreimal so teuer sind.

Möglicherweise waren das aber die Beweggründe von Nikon. Denn wie mir inzwischen mehrere Insider schrieben (ich hatte neulich mal darüber gelästert, dass die inzwischen die Kameraanleitungen verfilmen und jeden Button einzeln vorstellen, weil die Leute nicht mehr lesen können), haben die Kamerahersteller das Problem, dass sie immer kompliziertere Kameras immer dümmeren Leuten verkaufen wollen. Es gibt schon Billig-DSLR, die regelrechte Fotografieanfängerkurse und Anfängerhilfen auf dem Display anzeigen. Möglicherweise war die Überlegung, dass man in einen XQD-Slot einfach keine ungeeignete Karte stecken kann, weil es ungeeignete XQD-Karten (derzeit) nicht gibt.