Ansichten eines Informatikers

Frontalangriff auf die Konkurrenz durch kleine Medien

Hadmut
25.6.2018 23:28

Es ist Krieg.

Eine ganze Reihe von Lesern haben mich – mit unterschiedlicher Intensität – gebeten, etwas zu dem Thema „Europäisches Leistungsschutzrecht” zu schreiben, zu dem letzte Woche viel durch die Presse ging. Nichts geringeres als die Vernichtung des Internet stehe bevor. Vor allem die vielen Artikel dazu auf dem Heise-Newsticker haben viele Leute aufgeschreckt.

Ich bin mir aber noch nicht so ganz sicher, was ich dazu schreiben soll.

Mir schwant zwar Übelstes, aber erstens vermag ich es noch nicht so konkret zu greifen, dass ich aus eigener Motivation etwas dazu schreiben würde, denn ich habe den Text noch nicht gesehen, um den es da geht. Und zweitens schwant mir hier soviel Übles, dass das Ende des Internet ein vergleichsweise geringes Problem wäre.

Versteht mich nicht falsch. Ich will die Bedenken und Befürchtungen nicht runterreden, ich traue diesen Leuten, die da dahinterstecken, alles Üble und Kriminelle zu (und dieses Blog hier ist mein Zeuge). Aber ich bin jetzt auch nicht so ängstlich, dass ich die Angst schon vorauseilend bekomme, dass ich die Angst habe, bevor ich sehe, wovor ich Angst habe. Oder anders gesagt: Kommen lassen.

Heise schrieb in einem der vielen Artikel:

Die Rechtspolitiker im Justizausschuss haben sich auch für ein breites, fünfjähriges Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet ausgesprochen. Zugleich sollen ihrem Votum nach auch Nachrichtenagenturen in den Genuss damit verbundener Vergütungsansprüche gegenüber Online-Diensteanbietern wie Google kommen. “Legitime private und nicht-kommerzielle Verwendungen von Pressepublikationen durch individuelle Nutzer” wollen die Abgeordneten nicht verhindern. Doch schon Blogger, die sich über Werbung zu finanzieren versuchen, fallen nicht unter diese Ausnahmeklausel.

Demnach wäre ich betroffen.

Betroffen von was?

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die damit tatsächlich die Publikationen von Bloggern selbst meinen, oder ob es um die Leserkommentare geht.

Ich glaube aber, dass da eine größere Strategie gegen Blogger und kleine, selbständige Publizisten dahintersteckt, und man aufpassen sollte, dass man sich nicht zu sehr mit einem Detail verzettelt. Man sieht den Wald nicht, wenn man direkt vor dem Baum steht.

Ich sehe das nämlich nur als einen Vorgang von vielen an, und mir sind in letzter Zeit seltsame Dinge passiert:

  • Mir ist kürzlich in Zusammenhang mit meinem Blog etwas überaus Fragwürdiges passiert, aber das ist erstens noch nicht ganz spruchreif, das muss noch etwas kochen, ich bin da noch dran, und das wird noch ein großes Stück Arbeit, das passend und richtig zu präsentieren. Es passt aber sehr, sehr gut ins Schema.

  • Ich wollte gerade eine Presseauskunft von einer Staatsanwaltschaft. Wurde mir zunächst verweigert, weil ich keinen Presseausweis habe (gibt’s nur für Leute, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens journalistisch erzielen), und als ich dann die Hintergründe dessen dargelegt habe, meinten sie, dass ich das ja auch auf andere „geeignete” Weise nachweisen könnte, dass ich journalistisch tätig bin, aber sagen nicht, was sie da akzeptieren würde. Ich kann ja keinen Arbeitsvertrag mit mir selbst vorlegen. Ich habe gefragt, was sie wollen – Gewerbeanmeldung, oder was. Keine Antwort.

    Da beschließen einfach die Innenministerkonferenz und die Vertreter der großen Pressehäuser untereinander, wer Presse sein darf und wer nicht. Es gibt ein Grundrecht der Pressefreiheit, aber man kann es nicht benutzen, weil ein paar Konzerne das einfach mit der Politik ausmachen, wem das Grundrecht zukommt und wem nicht.

    Ich habe dazu mal Stellungnahmen vom Presserat und der Innenministerkonferenz eingeholt. Wie nicht mehr anders zu erwarten, habe ich nur blöde, inhaltslose Abwimmelantworten bekommen.

    Das ist eine ausgemachte Sache, dass die dort „Presse” auf einige wenige große Medienkonzerne reduzieren wollen.

  • Ich habe es ja schon ein paarmal erwähnt: Die Finanzämter München und Berlin haben über fast 10 Jahre lang versucht, mir das Blog durch massiv und rechtswidrig überhöhte Steuerbescheide abspenstig zu machen. Rechtsmittel ignoriert, nichts nachvollziehbar, immer wieder Zaunpfahlhinweise auf das Blog.

    Vorletzte Woche hatte ich einen Verhandlungstermin beim Finanzgericht. Und ganz komisch gewonnen. Nicht durch Urteil, sondern durch Erledigung. Das Finanzamt hat nichts mehr vorgetragen und sich praktisch nicht geäußert, quasi aufgegeben. Warum schröpfen und piesacken die mich fast 10 Jahre lang und geben dann urplötzlich kampflos auf?

    Das Finanzamt hat auf einmal anerkannt, dass ich als Journalist tätig bin und damit immerhin ein paar Einkünfte erziele (Werbung, VG Wort).

    Warum der Richtungswechsel?

    Wenn ich nun lese, dass dieses Leistungsschutzrecht gegen Publikationen geht, es dabei eine Ausnahme für Blogger gibt, die aber nicht für jene gilt, die versuchen, ihr Blog mit Werbung zu finanzieren, riecht das irgendwie nach Strategiewechsel. Als ob man erst knapp 10 Jahre versucht hat, mir das Bloggen über das Finanzamt zu verleiden und teuer zu machen, und jetzt plötzlich anders vorgehen will. Jetzt will man über das europäische Leistungsschutzrecht Leuten ans Leder, die journalistisch tätig sind und die Kosten für das Blog über Werbung reinholen, damit formal gewerblich sind. Und *Plopp* erkennt das Finanzamt urplötzlich an, dass ich genau so einer bin, für die die Ausnahme vom Leistungsschutzrecht nicht gelten soll.

    Ich hatte es zwar noch nie geäußert, es aber als Abwehrstrategie gegen Leistungsschutzrechte vorgesehen gehabt, dass ich ja nach Auffassung des Finanzamtes keine Gewinnerzielungsabsicht mit dem Blog verfolgte. Und genau in diesem Augenblick ändert das Finanzamt seine Auffassung und meint jetzt, ach, doch, eigentlich ist er ja schon gewerblicher Journalist und schon immer gewesen.

    Bisschen seltsam und pünktlich für einen Zufall.

Man sollte den Blick sehr weit stellen. Ich habe den Eindruck, dass man hier gerade mit verschiedenen Methoden versucht, die Meinungshoheit auf einige wenige regierungstreue Pressekonzerne zu verdichten.