Ansichten eines Informatikers

Barley und die Messenger

Hadmut
1.6.2018 17:57

Neues von der Bundeslaienregierung.

Die Gründe, warum wir keinen Digitalminister haben, sind mindestens diese drei beiden:

  • Es riecht modern, also muss es mit einer Frau besetzt werden.

    Sie haben aber keine, die kann und will und sich nicht auf den ersten 10 Metern blamieren würde.

  • Digital ist wichtig. Internet noch mehr. Wir wissen zwar nicht so genau, was es ist, aber wir sind progressiv und jugendorientiert.

    Und wir legen Wert auf Laienregierungen: Von nichts ne Ahnung, aber überall mitreden.

    Da darf sowas natürlich nicht durch das Ressortprinzip in ein Zuständigkeitsmonopol geraten. Jeder will mitschwätzen.

  • In Erweiterung der ersten beiden Gründe würden SPD und CDU das jeweils für sich besetzen wollen, um damit zu protzen, es aber gleichzeitig ablehnen, um dem jeweils anderen die Schuld für das Scheitern zuweisen zu können.

Nun schreibt die ZEIT (mit Bezug auf ein Podcast-Interview):

Mit Messengern wie WhatsApp kann man “jederzeit mit allen in Kontakt bleiben”, wirbt der Dienst auf seiner Homepage – allerdings nur mit Nutzern desselben Anbieters. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) fordert im Interviewpodcast Alles gesagt? von ZEIT ONLINE und ZEITMagazin daher ein Gesetz, das die Dienste zwingt, sich für vergleichbare Angebote zu öffnen.

Es solle sichergestellt werden, dass WhatsApp-Nutzer auch mit den Nutzern eines anderen Anbieters kommunizieren könnten. So könnten Kunden zu Angeboten wechseln, “die bessere Datenschutzstandards haben, und trotzdem in ihrer WhatsApp-Gruppe bleiben”, sagte Barley. Dafür müsse der Dienst jedoch seine Schnittstellen öffnen. “Das Zauberwort heißt Interoperabilität.”

Interoperabilität.

Das hat was von Interdisziplinär bei Gender-Studies. Oder Intersexuell. Oder Internet. So’n geiles Schlagwort.

Interoperabilität zwischen verschiedenen Anbietern.

Dazu fallen mir zwei Themen ein:

Jabber (XMPP)
Jabber ist ein etwas älteres, aber bewährtes offenes, interoperables Chat-Protokoll. Damit kann jeder seinen eigenen Chat-Server betreiben und „interoperabel” mit anderen Chatten und so weiter.

Hat sich aber außerhald der Nerd-Szene nicht durchgesetzt. Viele große Anbieter wie Google haben das früher mal unterstützt, sind aber einer nach dem anderen davon wieder abgesprungen.

Ein Knackpunkt daran ist nämlich, dass die Sicherheit von Jabber auf Dezentralität beruht. Jabber ist dabei sogar ziemlich sicher in Bezug darauf, dass die Kommunikation nur auf den beiden Servern der beiden Nutzer oder der eines Chatraumes stattfindet. Es gibt keine zentrale Überwachung.

Damit gehen eben auch Einschränkungen einher. Man kann nicht wie bei Twitter alles durchsuchen. Man kann Leuten nicht „folgen”. Man kann nicht mit der Öffentlichkeit kommunizieren, weil man immer Verbindungen zu bestimmten Personen oder Chaträumen aufbauen muss. Das ist gut, aber nicht das, was die Bevölkerungsmehrheit haben will.

Mir ist keine einzige Behörde bekannt, in der das eingesetzt wird. Ist zu langweilig, muss man selbst machen. Man will ja alles gratis.

Nichtsdestotrotz: Jabber ist dezentral (was eigentlich gegenüber interoperabel die richtigere und wichtigere Eigenschaft ist), und man kann daran sehen, was draus folgt und damit einhergeht.

De-Mail
Es gab schon mal einen Kommunikationsdienst mit gesetzlich verordneter Interoperabilität.

Ergebnis: bekannt.

Auch da hat man gesehen, was damit einhergeht. Nämlich enorme Prüf- und Nachweispflichten, um als „interoperabel” zugelassen zu werden.

Ich habe mal in den Podcast reingehört. Die Argumentationsweise ist frappierend. Bei Telefongesprächen sei das ja auch so, dass man bei verschiedenen Telefonanbietern sein und trotzdem miteinander telefonieren kann.

Ja, klar. Ist ja irgendwie alles das gleiche, geht ja beides mit dem Handy.

Telefonieren ist aber etwas völlig anderes. Es ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung. Es ist nicht so, dass man etwas an alle Leute gleichzeitig mitteilen kann, die ein Telefon haben. Und man kann auch nicht alle geführten Telefonate der letzten 3 Wochen nach passenden Begriffen durchsuchen.

Die nächste Frage wäre die der Finanzierung. Wenn man nämlich das – wie auch immer – Datenschutzproblem „löst”, dann sind die Werbeeinnahmen weg. Dann muss das Geld woanders her kommen.

Mir ist auch nicht ganz klar, wie man mit deutschen oder europäischen Gesetzen amerikanische Anbieter zu irgendwas zwingen will.

Und wie man sich vor Firma X schützen will, wenn man gleichzeitig mit Firma X interoperiert, wäre auch mal eine Überlegung. Denn auch bei Telefonanbietern landet man mit seinen Anrufen in der Call Data Records der Telefongesellschaft des Angerufenen.

Der Vergleich zwischen Whatsapp und Telefongesellschaften ist aber sowieso blöd, weil Telefongesellschaften Infrastrukturbetreiber und nicht oder nur in der Nebensache Diensteanbieter. Whatsapp betreibt da keine Kabel und keine Mobilfunkantennen.

Aber wenn sich eine Politikerin und Juristin mit Journalisten einig ist, dann ist halt schnell gebabbelt. (Es gab da im Podcast auch so eine Formulierung der Art „wie auch immer das technisch geht”, wörtlich habe ich sie jetzt nicht mehr im Kopf.)

Und so entstehen dann unsere Gesetze.

So zwingt und reguliert man dann Anbieter.

Anstatt einfach mal dezentrale Dienste oder sowas zu entwickeln.

Ist eben typisch deutsch, typisch juristisch, typisch feministisch: Selbst nichts zustandebringen, alles als Dienstleistung von anderen haben wollen, aber dann dran rummäkeln.

Warum muss das immer darauf hinauslaufen, andere dazu zu zwingen, sich an die eigenen Vorstellungen zu halten? Warum ist man nicht in der Lage, einen ungenehmen Dienst einfach nicht zu benutzen und einen selbst zu entwickeln, der gefällt?

Nachtrag: E-Mail hat übrigens auch viele der gewünschten Eigenschaften. Ist vielen aber zu altmodisch und zu „langsam”.