Ansichten eines Informatikers

Abgestochen

Hadmut
28.12.2017 20:08

Auf die Stichrichtung kommt es an.

Ein 15-jähriger Afghane stellt einem 15-jährigen Mädchen nach, die Eltern erstatten schon Strafanzeige, die Polizei spricht ihn noch als Gefährder an, doch gestern ersticht er das Mädchen in einem Supermarkt. Die Presse berichtet zurückhaltend, trocken. Nur kein Aufhebens.

Wäre es andersherum gewesen, hätte das Mädchen den Jungen erstochen, hätte es einen #Aufschrei sondersgleichen gegeben, man hätte sie in die rechtsextreme Ecke gestellt.

Es kommt halt immer auf die Stichrichtung an.

Ein Leser schrickt mir dazu einen Link auf diesen Artikel, der behauptet, die Gewalt gegen Frauen würde in Deutschland gerade eskalieren, und diese Gewalt würde mit Migranten importiert.

Ich kann jetzt nicht nachprüfen, ob das stimmt, aber es scheint schon was dran zu sein. Mir war etwa bis vor kurzem die Sitte nicht geläufig, Frauen einen Strick um den Hals zu binden und sie an der Anhängerkupplung durch die Straßen zu schleifen. Aber wenn man das so haben will – wer bin ich, dass ich mich dem Feminismus in den Weg stellen würde. Ich habe die letzten 5 Jahre Gender-Schriften studiert, und da steht drin, dass der weiße, mitteleuropäische, christliche oder unreligiöse Mann die Bedrohung sei, die alle anderen ausgrenzt, und alle anderen gute Menschen und unterdrückte Minderheiten seien und deshalb heilig sind.

Geliefert wie bestellt.

Weißer Mann wollten sie ja nicht mehr. Und die 15-Jährigen hatte sich ihn ja auch als Freund ausgesucht. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Oder war es in diesem Fall.

Sagen wir es so: Wir haben jetzt den Zustand, den Feministen, Genderisten, Soziologen, Linke als Idealzustand herbeigesehnt haben: Unsere bisherige Kultur ist weg, kein Patriarchat des bösen weißen Mannes mehr, und das Zusammenleben wird – wie gewünscht – täglich neu verhandelt. Wie gewollt. Wie gefordert. Wie bestellt.

Ist halt so beim Verhandeln. Mal geht’s ein die eine, mal in die andere Richtung. Man wollte die alte Situation unbedingt Loswerden und was Neues haben. Wie genau man sich das Neue da vorgestellt hat, stand nicht in den Schriften. Zahnärzte und Ingenieure kamen da jetzt nicht so (Chirurgen schon eher, der Drang mit der scharfen Klinge in den Eingeweiden herumzuschneiden ist unbestreitbar des öftern gegeben, wenn man Polizei- und Presseberichten glauben darf, dass Messer heute selbstverständlich sind und locker sitzen). Vermutlich hatte man solche glutäugigen Märchenprinzen aus 1001 Nacht, solche Disney-Aladdins erwartet, bei denen man im Hintergrund immer tolle Musik hört, wenn sie einem tief in die Augen blicken. Der antisexistische Traum von Feministinnen. Aber genau weiß man es nicht. Sie schrieben immer nur, was sie nicht mehr wollten. Nicht, was sie wollten. Sie beschwerten sich, dass der Platz der Frau traditionell in der Küche war, unterschlugen dabei aber stets, dass die Küche der sicherste und ungefährlichste Platz war, weil der einzige im Winter geheizte Raum und normalerweise auch der einzige aus Stein gebaute Raum. Die Rolle der Frau war nicht wirklich interessant, aber sie war warm, sicher und bequem.

Man hat nie gesagt, wie man sich das künftige Leben so vorstellt. Wie man sich das gedacht hatte. Wie so eine feministische oder linke Idealgesellschaft aussah. Ein Ziel hatte man nicht, der Wechsel war das Ziel.

Man wollte es neu aushandeln.

Aushandeln heißt aber, dass man weiß, was man will, und weiß, was man anbietet. Ein Ziel hat.

Beides hatte man nicht. Wie so oft ist das „Aushandeln” nur wieder inhaltsloses Soziologengeschwafel, Akademikergeschwätz, Chaoseuphemismus.

Die richtige Bezeichnung ist, dass man sich verzockt, verspekuliert hat. Man hat sein gesamtes Vermögen, nämlich die in fast jeder Hinsicht privilegierte Stellung verpokert, weil man meinte, damit gewinnt man immer. Wie an der Börse oder Bitcoins. Am besten trägt man immer alles hin, was man hat, weil es ja nur aufwärts gehen kann.

Denn beim Aushandeln ist man aktiv, sagt ja oder nein, stelle Forderungen und macht Angebote. Beim Zocken setzt man seinen Einsatz aufs Spiel und wartet ab, was passiert, ohne es noch beeinflussen zu können.

Ich halte mich da raus. Ich bin ein weißer, heterosexueller, mitteleuropäische, nichtreligiöser Mann fortgeschrittenen Alters, und damit laut Zeitgeist an allem schuld und das alleinige Böse, was man schnellstens loswerden muss. Mein Patriarchat ist abgelaufen, meine normative Phase ist vorbei. Darauf hat man sich politisch, akademisch und journalistisch geeinigt. Ich bin Teil jener einzelnen Bevölkerungsgruppe, gegen die Verhetzung straflos ist. Kulturell vogelfrei. Und eine Anhängerkupplung am Auto habe ich auch nicht. Das Ergebnis der Abwesenheit der Normen von meinesgleichen ist offensichtlich. Bedenke, worum Du bittest.

Bemerkenswert ist auch, wozu sich die Zeitung, die über die Supermarktötung berichtete, durchrang:

Hinweis: Wir berichten von einem mutmaßlichen Täter oder einem Tatverdächtigen. Dass es sich bei dem festgenommenen Afghanen um den Täter handelt, dürfte sicher feststehen. Bis zu einer Anklage gilt die Unschuldsvermutung. Mit Anklage wird eine Person zum Beklagten. Erst mit einer Verurteilung zu einem Straftäter. Wir halten uns aus grundsätzlicher Achtung der Rechtsstaatlichkeit an diesen Sprachgebrauch.

Ist das nicht herzerwärmend? Wann hätte man jemals einen solchen Absatz über weiße, heterosexuelle Männer gelesen? Galt da nicht immer die Vorgabe, dass die schon mit der Beschuldigung als schuldig zu gelten haben, und man die am besten gar nicht erst anhört sondern stets dem Opfer glauben müsse? Galt da bisher nicht immer Hang ’em higher? Weil das Schlimmste, was einer Frau angetan werden kann, ist, ihr ein Kompliment über ihr Dirndl zu machen oder den Hintern zu tätscheln? Weltweites #MeToo? Ist ja auch klar. Tote twittern nicht mehr. Alles eine Frage der Maßstäbe. Und man wird sich hier auch weiterhin vorrangig darüber beklagen, dass es in Hollywood eine Besetzungscouch gibt, die – wohlgemerkt – zwar stinkt, aber immerhin freiwillig von karrieregeilen Sterchen bestiegen wurde. Und man wird 40 Jahre alte Sexgeschichten ausgraben. Wie der FOCUS gerade so treffend schreibt:

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Besonders oft zeigt sie sich in der Gestalt von sexueller Belästigung: Sie beginnt bei anzüglichen Bemerkungen, die oft als “normal” und “typisch männlich” angesehen werden – während die Betroffene sich dabei jedoch höchst unwohl fühlt. Und sie reicht bis zu sexueller Bedrängnis in Form von Berührungen und körperlichen Übergriffen.

Das ist schlimm. Ja.

Als Zehnjährige erlebte Weigend ihre erste traumatische Erfahrung in einer Warteschlange: Ein Mann befriedigte sich an ihr, indem er seinen Penis an ihrem Hintern rieb. “Ich konnte das, was da passierte, nicht einordnen”, sagt sie.

Er rieb sich an ihrem Hintern. Vor 50 Jahren. Und als sie 13 war, hat ihr einer unter den Minirock geguckt. Vor 47 Jahren. Und eine Therapeutin, der ein Mann sagte, sie sei ein „richtig geiles Stück”. Solche Sachen holt man nach 50 Jahren noch hervor, weil sie so schlimm sind.

Die erstochene 15-Jährige wird man nicht in 50 Jahren interviewen, man wird sie schon nächste Woche nicht mehr erwähnen. Man muss einfach Prioritäten setzen. Und man wird erst gar keine Miniröcke mehr tragen.

Einen Vorschlag hätte ich aber noch. Damit sich all die Feministen, Genderisten, Journalisten, Sozialisten Soziologen, Politiker dabei wohlfühlen und sich freuen, sollte man gemäß ihrem Heuchelsprech einen Euphemismus finden.

Wir sollten es das „postpatriarchalische Zeitalter” nennen. Damit sie so ein kleines bisschen daran erinnert werden, dass es vorher mal anders war.

🙂