Ansichten eines Informatikers

Ich bin „unmassgeblich”

Hadmut
24.12.2017 17:55

Mir schreibt der nächste Chefredakteur einer Tageszeitung: [Update 2]

Der Mann ist Chefredakteur der Welt am Sonntag.

Ich finde es überaus frappierend, wenn mir ein Journalist vorwirft, ich könnte nicht zwischen Meinung und Realität unterscheiden.

Ich finde jetzt zwar keine Angabe dazu, was der studiert hat oder ob überhaupt, aber ich glaube nicht, dass Journalisten und Geisteswissenschaftler heute noch (wenn überhaupt jemals) in der Position wären, Leuten aus den Naturwissenschafts- und Ingenierfächern vorzuhalten, sie könnten nicht zwischen Meinung und Realität unterscheiden. Als Informatiker ist das seit über 30 Jahren mein Tagesgeschäft und dazu bin ich ausgebildet. Wir sind ständig und täglich damit befasst, dass Meinung und Realität auseinanderliegen und Denkfehler aufzudecken. (Wie oft habe ich hier schon geschrieben, dass Korrelationen keine Kausalitäten sind und die Geisteswissenschaftlerfront ständig auf Denkfehler wie den Simpsonfehler hereinfällt?)

Dazu kommt, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften – und zu denen gehören die Journalisten – da dieser besonderen Form der geistigen Insuffizienz erlegen sind, diesem Poststrukturalismus, der Postmoderne, nach der es ja nur noch Meinung und keine Realität mehr gibt, nur noch der Sprechakt, der Diskurs alles forme und erschaffe.

Ich glaube nicht, dass jemand aus der Journalistenzunft noch in der Position ist, Leuten aus den MINT-Fächern ohne sehr überzeugende Darlegung und Begründung vorzuhalten, sie könnten nicht zwischen Meinung und Realität unterscheiden. Zugegeben sticht die WELT da in letzter Zeit positiv und kritisch heraus, die WELT am Sonntag lese ich aber nicht. Generell sehen wir da aber bei den Journalisten generell die Entwicklung, dass die Meinung, Ideologie und Realität nicht trennen können (und wollen), siehe etwa den ganzen Gender-Blödsinn. Und ich merke auch immer wieder, dass Journalisten allgemein nicht an das rankommen, was ich eigentlich als empirische Prüfung der Realität kenne. Man merkt ja auch immer wieder, wie extrem fehlerhaft deren Studien sind – oder wie Journalisten extreme Fehler nicht bemerken.

Das Verhältnis zwischen Journalisten und der Realität ist ein gebrochenes, bestenfalls ein opportunistisches. Realität ist, wenn’s gerade passt.

Und natürlich „bediene” ich in meinem Blog alles, was ich Journalisten vorwerfe. Dazu ist mein Blog ja da. Ich begründe und erläutere schriftlich und für jeden zugänglich, wie ich das meine und worauf ich es stütze, was ich sage. Was sollte daran falsch sein?

Und besagter Artikel war zudem ein Bericht von einer Journalistenverstaltung. Wirft er mir als Berichterstatter vor, was die dort gesagt haben? Schließlich behauptete er zuvor, es sei Unsinn, wenn ich sage, dass Journlisten mit staatlichen Geldern rechnen, ich wüsste nicht, wovon ich rede. Belege ich das aber mit meinem Veranstaltungsbesuch, wonach ich also sehr wohl weiß, was ich da sage, dann kommt er mit Kampfrhetorik, ich könnte meine Meinung nicht von der Realität unterscheiden.

Ich will aber eigentlich auf etwas ganz anderes hinaus. Nochmal der Satz:

„Sie verwechseln Ihre unmassgebliche Meinung mit der Realität.”

Meine Meinung sei unmaßgeblich.

Die unterscheiden also zwischen maßgeblichen und unmaßgeblichen Meinungen. Oder sagen wir maßgeblichen und unmaßgeblichenMenschen.

Merkt Ihr was?

Fällt Euch was auf?

Denkt mal drüber nach.

Was sagt der da?

Er verbindet das Adjektiv, das Attribut „maßgeblich” mit „Meinung”. Maßgeblich sind bei ihm also Meinungen, nicht die Realität. (Und der wirft mir vor, Meinung und Realität nicht auseinanderhalten zu können?)

Die halten sich irgendwie für etwas Besseres, für wichtiger, höher, irgendwie adlig oder eine Elite. Das ist mir besonders bei Geisteswissenschaftlern und Journalisten schon so häufig aufgefallen, dass die sich ständig ihr Weltbild zusammenzimmern, indem sie aus der Vielzahl der Meinungen einfach die für maßgeblich halten, die ihnen gelegen kommen, und die anderen wegwischen.

Wie sie darauf kommen? Keine Ahnung. Intellektuelle Gründe kann es nicht haben, dazu ist die Ausbildung der Journalisten viel zu lächerlich und niveaulos, und deren Arbeitspraxis in den meisten Fällen auch. Wenn ich mir anschaue, was die da auf den Journalistenkonferenzen so abziehen, dann können die intellektuell nicht entfernt mit Leuten aus den MINT-Fächern mithalten, zumal die sich ja ohnehin inzwischen stark aus denen rekrutieren, die früher nie an Abitur oder Studium gekommen wären und heute über die politische Vorgabe und Frauenquoten bin in die Redaktionen kommen. Wieso die sich noch einbilden, sie wären geistig irgendwie über anderen, kann ich nicht nachvollziehen.

Zu beobachten ist aber, dass sie sich für Auserwählte, für Sonderbeauftragte zur Erziehung der Bevölkerung halten und meinen, sie stünden deshalb über anderen. Von wem sie glauben, damit beauftragt worden zu sein? Das ist jetzt kurios. Sie glauben, das sei ihr politisch-demokratischer Auftrag. Gleichzeitig behaupten sie aber, dass sie da unabhängig seien und keine Weisungen bekämen.

Und da liegt der Kern des Problems (wie schon so oft angesprochen):

Ein Journalist, der Bericht erstattet, muss nicht schlauer als sein Leser sein. Es reicht, wenn er seine Arbeit gut macht und dabei gewesen ist, er verkauft seine Arbeitszeit und eine Dienstleistung. Wenn es eine ordentliche Leistung ist, sind viele Leute bereit, dafür im Rahmen der allgemeinen Arbeitsteilung Geld zu bezahlen, weil sie nicht die Zeit oder das Geld oder die Lust haben, da selbst hinzufahren.

Ein Journalist, der die Leser aber erziehen und ihnen „maßgebliche” Meinungen vorlegen will, der also ein Gefälle unterstellt, der muss schon schlauer als die Leser sein. Und das sind diese Leute nicht. Zumindest schon lange nicht mehr.

Deren Geschäftsmodell ist, dass sich Leser aus unerfindlichen Gründen von Leuten, die jünger, weniger lebenserfahren, dümmer als sie selbst sind, erziehen lassen möchten und dafür noch Geld zahlen. Warum die das wollen sollten? Keine Ahnung.

Ich jedenfalls habe nicht die Absicht, mich von Leuten, die jünger und nach meinem Eindruck dümmer – oder jedenfalls nicht ersichtlich schlauer – als ich selbst sind, erziehen, belehren, bemaßgeblichmeinungen zu lassen.

Ich empfinde Journalismus, Presse heute nur noch in geringem Umfang als informativ, als Informationsquelle. Der Eindruck einer ideologisierenden belehrenden Belästigung überwiegt.

Und damit unterliegt der Mann einem zentralen Denkfehler: Ob meine Meinung „maßgeblich” ist, ist bedeutungslos. Ich freue mich über die große Zahl meiner Leser, aber abhängig bin ich davon nicht. Ich würde nicht verhungern, wenn niemand mehr mein Blog liest. Ich habe ja noch einen richtigen Beruf.

Die Frage ist eher, ob deren Meinung noch „maßgeblich” ist. Und schaut man sich die Entwicklung der Auflagen an, dann sinkt nicht nur die, sondern auch deren „Maßgeblichkeit”.

Um den Lesern hier ein Maß an die Hand zu geben:

Die Leser mögen selbst und für sich entscheiden, ob man eine Zeitung noch kaufen und für „maßgeblich” halten will, die die Meinung von Leuten wie mir für „unmaßgeblich” hält.

Und wenn Ihr schon am Nachdenken seid, stellt Euch eine andere Frage: Wenn man die Meinung normaler Bürger wie mir für „unmaßgeblich” hält, was ist dann für die maßgeblich? Die Meinung der Politiker?

Wer kauft sowas noch?

Update: Eine Reaktion dazu:

Bildet Euch eine Meinung über den Mann und seine Zeitung.

Update 2: Der ist auch hübsch:

Im ersten bestreitet er, dass es ad personam geht, im zweiten greift er ad personam an. Gute Güte, muss denen der Stift gehen…

Wie gesagt: Bildet Euch eine Meinung überlegt Euch, ob Ihr für solcher Leute Machwerk noch Geld ausgebt.