Ansichten eines Informatikers

Bereitet das Bundesverfassungsgericht die Zersetzung der Demokratie vor?

Hadmut
12.12.2017 15:15

Reaktionen auf meinen Voßkuhle-Artikel.

Einige Leser hatten mir geschrieben, aber auch den Tichy-Artikel sollte man lesen.

Dort nämlich sieht man – sehe ich auch so, ich hab’s nur nicht so direkt geschrieben – dass Voßkuhle das Gegenteil von dem vorhat, als dessen Vertreter er sich ausgibt: Demokratie sabotieren, dafür sorgen, dass eben nicht mehr jeder an der Politik teilhaben kann. Denn letztlich läuft das rhetorisch ja nur darauf hinaus, die Wähler und Parteien in die Guten und die Schlechten aufzuteilen und willkürlich zu entscheiden, dass nur noch die „Guten” mitspielen dürfen. Im Prinzip ist Voßkuhles Aufsatz ja nur der Anlauf dazu, einen Teil der Wähler und Parteien als undemokratisch auszuschließen.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Voßkuhle konstruiert eine Definition, mit der man politisch Andersdenkende als „verfassungsfeindlich“ abkanzlen kann: Will er Die Linke und AfD in die Verfassungswidrigkeit schieben? […]

Voßkuhle hat etwas getan, was er als Präsident des Bundesverfassungsgerichts besser unterlassen hätte: Er beurteilt bestimmte politische Kräfte anhand eines politischen Kampfbegriffs, der keine analytischen Konturen besitzt und den in der Praxis Politiker und Medien verwenden, um auf oppositionelle Herausforderer einzudreschen. Er hat diesem Begriff eine Definition gegeben, die mit dem öffentlichen Sprachgebrauch allenfalls geringe Schnittflächen hat und die vor allem mit der öffentlichen Verwendungsweise dieses Kampfbegriffs nicht übereinstimmt. […]

Ob er es will oder nicht: Wenn er Populisten als Demokratieverächter darstellt, stürzt er sich selbst ins politische Kampfgetümmel. Sein Verdikt trifft in der öffentlichen Wahrnehmung alle als „Populisten“ geltenden Kräfte; dass er selbst den Begriff sehr viel enger definiert, hilft ihm nicht. […]

Und:

Warum macht Voßkuhle das? Warum definiert er Populismus so, wie er ihn definiert?

Anscheinend, um dann als Verfassungsrichter in Juristenrhetorik daran anzuknüpfen und unerwünschte Wähler und Parteien einfach als „undemokratisch” und „verfassungswidrig” einzustufen.

Wenn ich nochmal so drüber nachdenke, bereitet Voßkuhle damit den Übergang von einer Demokratie zu einer ideologischen Aristokratie, quasi eine Priesterherrschaft vor: Denn er sagt ja sehr deutlich und unmissverständlich, dass er – immerhin Präsident des Bundesverfassungsgericht – den Willen des Wählers zutiefst verachtet und stattdessen eine Kaste nach dem Schema „wir wissen besser, was gut für Euch ist” regieren solle.

Selbst wenn man mit Voßkuhle ginge und im darin folgte, dass nicht der Wählerwille, sondern das „Gemeinwohl” (das ist ja schon eine marxistische Ausrichtung, fehlt nur noch, dass er sagt, dass niemand die Absicht habe, eine Mauer zu bauen) maßgeblich sei, so ist immer noch nicht zu erkennen, warum er eigentlich glaubt, dass da irgendwelche Leute befähigt wären, das Gemeinwohl zu erkennen, und andere nicht.

Warum eine Ausrichtung auf ein Gemeinwohl eine Abkopplung vom Wähler und Machtverschiebung auf eine zu Fraktionen gebundene Elitekaste mit sich bringen soll, erklärt Voßkuhle natürlich nicht.

Und auch mancher Leser sieht darin die Vorbereitung des Demokratiebruchs durch das Bundesverfassungsgericht. So schreibt mir einer

Angesichts der Tatsache, dass die AfD schon bald eine Landesregierung stellen könnte, wird vorausschauend das BVerfG in Stellung gebracht, um einer solchen Regierung die Legitimation absprechen zu können.

Das “Gute”, “Richtige” und “Alternativlose” steht über dem Souverän.

Dafür schafft Vosskuhle jetzt die Grundlagen.

Stimmt. Inhaltlich läuft Voßkuhles Vortrag auf die Missachtung von Wahlergebnissen und die Beschränkung der Macht auf eine Art ideologischer Aristokraten hinaus, eben einer Partei im marxistisch-leninistischen Sinne, die selbsternannt besser weiß, was gut für das Volk sei, als das Volk selbst.

Ein anderer merkt an, dass Voßkuhle seinen Beitrag (und in der Folge ich auch meinen) hätte sehr viel kürzer fassen können:

Hallo Herr Danisch,

ich teile Ihren Populismus-Verriss des Herrn Vosskuhle weitgehend. Dabei hätten Herr Vosskuhle und in der Folge Sie es viel kürzer machen können: Der von Ihnen eingangs zitierte Vosskuhle-Satz

„Populisten nehmen für sich in Anspruch, den wahren Willen des Volkes erkannt zu haben.“

ist nämlich aus meiner Sicht durchaus zutreffend, jedoch unvollständig. Herr Vosskuhle hätte nur noch folgenden zweiten Satz anfügen müssen:

„Es sind zumeist Leute, die Macht ausüben bzw. ausüben möchten und von der Politik leben bzw. leben möchten und zu diesem Zweck ihre politischen Konzepte gerne als ‚gerecht‘ oder ‚sozial‘ oder ‚menschheitsrettend‘ und ihre politischen Entscheidungen als ‚alternativlos‘ verkaufen.“

Mit diesem Kurzaufsatz hätte Bundesverfassungsgerichtspräsident Vosskuhle alles in verständlicher, logischer und verfassungskonformer Weise gesagt und Sie sich eine Kritik sparen können, deren intellektueller Aufwand der kritisierte Text nicht verdient.

Trifft. Denn wenn man sich den Bundestag so anschaut, dann sind da eine Menge Leute, die sich zwar als Volksvertreter ausgeben, aber nur geld-, macht- und postengeil sind.

Man wird die Frage stellen müssen, ob nicht gerade das hohle Gerechtigkeitsgeschwätz eines Martin Schulz, der – obwohl die SPD seit 20 Jahren fast immer in der Regierung war – meint, es wäre jetzt endlich mal Zeit, die „Gerechtigkeit für alle” gegen die Regierung in Stellung zu bringen, nicht genau jener Populismus ist, den Voßkuhle so rechtsaußen gesehen haben will. Nämlich die Behauptung Schulzes, zu wissen, was der Wähler will (Gerechtigkeit, was sonst) und dabei alle zu vertreten. Nicht weniger als alle. Sogar die, für die er nicht mehr übrig hat, als ihnen die Steuern zu erhöhen.

Voßkuhles Worte könnten sich in ihrer Dummheit und Unüberlegtheit als der Schuss erweisen, der nach hinten losgeht. Bedenke, was Du redest. Es könnte Dir entgegengehalten werden.

Ein weiterer Leser verweist auf einen Kommentar im Handelsblatt von 2013, um Wesen, Charakter und Gesinnung Voßkuhles zu ergründen:

Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle erklärte bereits im Oktober im Handelsblatt offen, aus „Zeitgründen“ werde sich das Gericht noch monatelang nicht zu den EZB-Anleihen im noch ausstehenden Haupturteil zum ESM äußern können. Bei einem Studentenempfang an der Universität Oxford – womöglich einer der Gründe für den Zeitmangel des Gerichts – gab er sich in etwas angetrunken Zustande deutschen Studenten gegenüber entschieden indiskreter: er werde das Urteil solange hinauszögern, bis die EZB Fakten geschaffen habe oder aber, wenn sich das Urteil nach Ablauf von in etwa einem Jahr einfach nicht mehr länger hinauszögern lässt, werde er mit irgendeinem der vielen juristischen Scheinargumente, auf die das Gericht immer zurückgreifen könne, ein Verbot von Draghis Anleihenkäufen als offensichtliche Mandatsverletzung durch die EZB elegant umgehen.

Will heißen: Gebt dem Voßkuhle doch mal was zu trinken. Dann fängt er an zu reden.

Auch ansonsten wird in dem Artikel nett dargelegt, dass das Bundesverfassungsgericht dazu tendiert, den Wählerwillen nur als lästig anzusehen und zu übergehen.

Wieder ein anderer sieht, dass ausgerechnet der Bundesverfassungsgerichtspräsident hier massive Gewalt anheizt, und verweist dazu auf einen aktuellen Artikel von Michael Klonovsky. Der nämlich hat(te) darüber berichtet, dass an der TU Dresden jetzt (naja, man kennt das ja von den Grünen und ihrer Heinrich-Böll-Stiftung) regelrechte Steckbriefe mit Foto, Namen, Beschreibungen, genauen Semesterangaben, privaten Tätigkeiten von politisch andersdenkenden Leuten aushängen, mit der Überschrift „DRUCK MACHEN” und der Unterschrift

Werdet aktiv gegen völkischen Nationalismus an der Uni!

Bekämpft Rassismus|Sexismus|Homophobie|Antisemitismus|Klassismus

Heißt: Wer nicht exakt unserer Ideologie folgt, muss a) Angst vor Prügel haben und b) verprügelt werden. Wenn also nur jemand nicht dem Gender-Schwachsinn folgt, gilt er schon als „völkischer Nationalist”, und „werdet aktiv” heißt da heute direkte Gewalt und Einschüchterung. (Klonovsky hat das Foto inzwischen wieder weggenommen um denen nicht auch noch Schützenhilfe zu leisten.) Ganz konkret: Eine Biologie-Studentin wird dort bereits deshalb angeprangert und zur Zielscheibe gemacht, weil sie einen „antifeministischen Aufsatz” geschrieben habe.

Und sowas wird durch Schriften wie die von Voßkuhle auch noch gestützt und bestätigt, denn damit reden sich die Schläger dann ein, dass sie demokratisch und die zu verprügelnden undemokratisch wären. Das wird nicht lange dauern, und die Prügeleien an Universitäten werden eskalieren – und sich Leute auf das Demokratiegebrabbel Voßkuhles berufen.

Das Dilemma daran: Voßkuhle ist untragbar und unkündbar.

(Mal ganz abgesehen davon: Solche Plakate enthalten personenbezogene Daten, sind mit dem Computer erstellt und verstoßen damit eindeutig gegen den Datenschutz.)

Ein weiterer Leser schreibt:

Hallo Hadmut,

in Ciceros Novemberausgabe konnte man bereits lesen, wie er von den Populisten warnte. Was mich allerdings mehr verstörte war dieser Satz:

„Demokratie wird angetrieben von der Idee, dass die Minderheit zur Mehrheit werden kann. Und alles, was wir haben an Gewährleistung von Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, was wir an Gewaltenteilung etabliert haben, dient alles diesem einen Ziel.”

https://www.youtube.com/watch?v=Iu3KNfkGWE0

Dass Demokratie eigentlich den Willen der Mehrheit wiederspiegeln soll (allerdings mit Minderheitenschutz) kommt beim obersten Richter des Landes wohl nicht gut an. Viel mehr will er, dass die Minderheit zur Mehrheit wird. Wenn man bedenkt wie oft “elitäre” Minderheiten ihre Gesetze durchkriegen, wovon nur sie profitieren muss man sich nicht wundern, wenn der Populismus zunimmt. So wie ich das verstanden habe geht es hier um Machterhalt einer Minderheit, die sich gerne als Mehrheit präsentiert.

Oh. Ein Video mit einem eineinhalbstündigen Gespräch mit Voßkuhle. Leider mit lausiger Tonqualität. Ich habe es noch nicht gesehen.

Richtig ist aber, das dieser Aspekt, dass die Minderheit zur Mehrheit werden könne, auch in Voßkuhles FAZ-Artikel vorkam.

Jetzt kann man sich überlegen, wie er das gemeint hat.

Meint er damit, dass die Minderheit unter Nutzung von Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit so für sich wirbt, bis sie eine Mehrheit der Stimmen gewonnen hat?

Oder heißt es, dass wir von einer aristokratischen, marxistisch-leninistischen Minderheit regiert werden sollen und es Funktion der Verfassung sei, dafür zu sorgen, dass die „Mehrheit” dagegen verschwindet, indem man sie einfach ausschließt, und diese Minderheit als Mehrheit erscheinen lässt? Der Zustand, in dem wir uns gerade befinden?