Ansichten eines Informatikers

Mutti

Hadmut
25.2.2016 21:08

Heißt es nicht immer, die Bildungschancen hingen von der sozialen Schicht ab?

Ein pensionierter Schuldirekter spricht ein paar Takte dazu.

ZEIT: Es gibt besorgniserregende Zahlen: Mehr als zehn Prozent der Hamburger Fünftklässler können nicht ausreichend lesen und rechnen. In der neunten Klasse hat fast der gleiche Anteil immer noch immense Probleme in Deutsch und Mathe.

Stöck: Das stimmt leider. Bei uns geht nach der zehnten Klasse etwa ein Drittel der Schüler auf weiterführende Schulen, ein Drittel beginnt eine Ausbildung, aber ein Drittel landet in der Ausbildungsvorbereitung. Das klingt nett, heißt aber: Jeder dritte unserer Abgänger ist nicht auf einem Niveau, mit dem ihn ein Ausbildungsbetrieb oder eine weiterführende Schule nehmen würde.

ZEIT: Sie versagen also bei jedem dritten Schüler?

Stöck: Wenn Kinder am Ende der zehnten Klasse nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen können, haben wir versagt, ja. Es tut weh, das zu sagen. Wir machen offenbar für zwei Drittel unserer Schüler etwas richtig. Aber um das unterste Drittel müssen wir uns stärker kümmern. Das ist übrigens ein Problem der gesamten Bildungspolitik – das zeigen auch die gerade veröffentlichten Pisa-Auswertungen. […]

ZEIT: Warum erreichen Sie diese Schüler nicht?

Stöck: Die Frage quält mich, seitdem ich Schulleiter bin. Natürlich kann man leicht sagen, es liegt an den Elternhäusern. Einige Schüler machen von klein auf die Erfahrung, dass Anstrengung ein Fremdwort ist: Papi strengt sich nicht an, Mutti strengt sich nicht an, warum soll ich mich anstrengen? Wir als Mittelstandsmenschen können uns oft nur schwer vorstellen, wie es in manchen Familien aussieht.

ZEIT: Was meinen Sie damit?

Stöck: Schauen Sie sich mal an, wie Eltern mit ihren Kindern durch den Stadtteil laufen. In Eimsbüttel werden Sie sehen, wie die Eltern ihren Kindern dauernd etwas zeigen und erklären. Hier sehen Sie das nicht.

Tja.

Am besten finde ich aber den:

ZEIT: Hirnforscher sagen, je mehr Anregungen Kinder kriegen, desto lernfähiger werden sie.

Stöck: Genau. Vielen unserer Schüler fehlt das. Viele Kinder hier haben auch nie gelernt, mit Emotionen umzugehen. Und manchmal können es die Eltern selber nicht: Eine Kollegin hat erlebt, dass sich eine Mutter im Gespräch vor Wut auf den Boden geworfen hat. Eine Mutter!

Ich glaube nicht, dass deren Kinder keine Chance mehr haben. Ich glaube, dass sie nie eine hatten.