Ansichten eines Informatikers

Gewalt in Berlin: Noch ein Bekennerschreiben

Hadmut
9.2.2016 1:37

Über Autonome.

Ich hatte ja schon über den seltsamen SPD-Bekennerbrief zu den Brandanschlägen in Berlin geschrieben, den ich für falsch hielt. Scheint sich zu bestätigen.

Denn inzwischen ist ein zweites Bekennerschreiben aufgetaucht (Link zum angeblichen Schreiben), das sich davon distanziert und die Handlungen erklärt, und das von der Polizei für authentisch gehalten wird.

(Da kommt mir gerade der Gedanke: Wenn man nicht weiß, wer hinter einem Anschlag steckt, lanciert man einfach ein beklopptes, lächerliches Bekennerschreiben und lockt die Täter damit aus der Reserve, die das dann in einem eigenen Bekennerschreiben gerade rücken wollen, weil sie das wurmt. 🙂 )

[…]Unser Angriff auf die Flottwellstraße in der Nacht zum 6. Februar hätte sich von selbst erklären können, wenn nicht rechtzeitig vor dem Beginn der Demonstration „Rebellische Kieze verteidigen“ ein gefaktes Bekenner_innenschreiben in eindeutiger Bestimmung der Counterinsurgency aufgetaucht wäre, dessen schwachsinnige Formulierung die in Schöneberg agierenden Gruppen als idiotische Trottel diffamieren sollte. Dank „investigativem Journalismus“ in allen Medien verbreitet war dieser Text zur Desinformation geeignet.

Bezug nehmen wir mit dem Verbrennen überflüssiger Luxusautos, der Zerstörung einer Überwachungskamera und dem Einwerfen der Schaufenster auf den Aufruf Autonomer Gruppen vom 21. Januar, einen Sachschaden von 1 Millionen Euro für jeden Angriff auf Projekte in Berlin zu stiften.

Getroffen haben wir die Flottwellstraße im Zusammenhang langfristiger Überlegungen zum Problem der Wohnraumverknappung für einkommenschwache Schichten.

In dieser beschissenen Stadt geht es nur noch um Aufwertung und Geld. Wer in diese Logik nicht hinein passt, wird entweder abgerissen oder auf die Straße geschmissen.

Wir sind es Leid, tagtäglich zusehen zu müssen, wie Menschen zwangsgeräumt, Obdachlose und Junkies vom öffentlichen Straßenbild vertrieben und Menschen die nicht genügend Kohle haben in die Knäste gesteckt werden.

In dieser Stadt wird ein Luxusloft nach dem anderen hochgezogen und es ziehen Menschen dort ein, die sich anscheinend kein bisschen mit ihrem Wohnumfeld auseinander gesetzt haben. Anders ist ihr egoistisches Verhalten nicht zu erklären.

Sie leben in Ihrer Eigentumsblase, welche letzte Nacht ansatzweise zerstört wurde. Wegnahme und Zerstörung von Eigentum wird in diesem Land hart bestraft und tun jenen Weh, die die kapitalistische Logik verinnerlicht haben. […]

In der Diktion liest sich das ja erst mal gar nicht so böse, die machen ja auf sozial und fürsorglich. So ne Art Robin Hood: Den Reichen nehmen, den Armen geben. Fehlen noch die grünen Strumpfhosen.

Denkt man aber mal drüber nach, dann merkt man, welchem gigantischen Selbstbetrug die aufsitzen und wie sie andere betrügen.

Denn all die Kieze und Armenwohnungen, für deren Schutz sie sich einsetzen, beruhen in Berlin (16,5 % Hartz IV-Empfänger) wesentlich auf öffentlichen Zahlungen. Dabei darf man den Blick nicht auf Wohnungen reduzieren (oder bei Obdachlosen deshalb weglassen), denn dazu gehört ja in Berlin auch eine riesige Infrastruktur: Öffentliche Verkehrsmittel, Schwimmbäder, Bibliotheken, Stadtreinigung, und, und, und.

Das alles muss bezahlt werden.

Und wer bezahlt es?

Die Steuerzahler in Berlin. Und die Steuerzahler in anderen Bundesländern über den Länderfinanzausgleich.

Ich finde die Vorgehensweise daher ziemlich dreckig: Leuten, die viel arbeiten und dafür was verdienen, nimmt man wie selbstverständlich das Geld weg, um den Moloch Berlin zu bezahlen. Aber wehe, einer derer, die das zahlen, möchte hier wohnen. Sofort abfackeln.

Mich erinnert das an den umgekehrten Effekt in München:

Dort beschwert sich das linke Spektrum über die hohen Wohnungspreise. Polizisten müssen München bewachen, ohne selbst dort wohnen zu können, weil die Wohnungen zu teuer sind. Darüber beschwert man sich.

Das Gegenstück dazu ist Berlin: Steuerzahler müssen Berlin finanzieren, ohne selbst dort wohnen zu dürfen, weil die Wohnungen gammelig-kiezig sein müssen. Ordentliches Auto? Geht gar nicht. Berlin muss versifft sein.

Ich hätte dafür ja noch in gewissem Umfang verständnis, wenn die Leute sich nicht nur »autonom« nennen würden, sondern auch »autark« wären. Das sind sie aber nicht. Sie tun zwar immer so, als wären sie das mit irgendwelchen besetzten Häusern und Wohnprojekten, das ist aber gelogen, denn die Infrastruktur von Berlin wollen sie selbstverständlich haben – und von denen bezahlen lassen, die sie nicht nach Berlin kommen lassen wollen.

Würden sie nämlich nur billig wohnen wollen und sich ansonsten aus fremdbezahlter Infrastruktur zurückziehen, fänden sie im Umland von Berlin, in Brandenburg, reichlich billigen Wohnraum. Das wollen sie aber nicht. Teure Infrastruktur wollen sie schon haben, natürlich frei Haus und ohne selbst dafür zu arbeiten.

Und damit liegt in diesen Anschlägen auch eine enorme Fremdenfeindlichkeit. Eigentlich unterscheidet sich das nicht von den Rechtsradikalen, die Angst haben, dass ihnen Immigranten die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Unterschiede sind gering:

  • Die einen haben was gegen Muslime, die andere gegen Schwaben und Bayern.
  • Die einen zünden Häuser an, die anderen Autos.
  • Die einen fürchten Arbeitsplatzverlust durch preisgünstigere Konkurrenz, die anderen fürchen Wohnungsverlust durch besserzahlende Konkurrenz.
  • Beide glauben, es müsste alles nach ihnen gehen und sie könnten das mit Gewalt durchsetzen.
  • Beide müssen von der »normalen« Bevölkerung durchgefüttert werden.
  • Beide ertragen keine andere Lebensweise als ihre eigene. Beide extrem intolerant.
  • Beide gewalttätig, ungebildet, brandstiftend.

Letztlich das gleiche. Gleiche Sorte selbstgerechter Höhlenmensch.

Und dumm obendrein: Als ich hier in Berlin nach bezahlbarer Wohnung gesucht habe, habe ich ca. 80 Wohnungen besichtigt, von denen ich etwa 70 für schlichtweg nicht in bewohnbarem Zustand gehalten habe. Die anderen sahen das genauso. Um die anderen 10 Wohnungen entbrannten dann natürlich preistreibende Konkurrenzkämpfe. Es sind damit nicht die teuren Wohnungen, die die Preise nach oben treiben. Es ist die extrem schlechte Wohnsubstanz in Berlin. Jeder versucht, möglichst viel zu zahlen um wenigstens halbwegs lebenswertes Innen- und Außenumfeld zu bekommen. Durch genau diese Kiezkultur des völlig versifften und verdreckten Umfelds werden die Preise erst hochgetrieben. Sie bilden sich aber ein, sie würden die Preise dadurch tiefhalten. Tatsächlich aber ist es eine Verknappung und damit eine Verteuerung. Wären alle Stadtteile von Berlin halbwegs zivilisiert und bewohnbar, wären die Mieten niedriger, weil dann mehr Angebot auf dem Markt wäre.

Der Tagesspiegel fragt nun, wie gefährlich die eigentlich wären.

Nimmt linke Gewalt in Berlin zu?

Die autonome Szene befindet sich laut Sicherheitsbehörden in einer Strukturkrise. Es geläng den Autonomen nicht, junge Leute zu politisieren und zu rekrutieren. Die Rigaer Straße in Berlin hat für die linke Szene nach der Räumung der „Liebig14“ eine hohe Symbolkraft. Deshalb wurde auch zu der Demonstration am Sonnabend breit mobilisiert. Die nächtliche Randale passen in die Gesamtentwicklung: Es gibt inzwischen teilnehmerstarke Großveranstaltungen, die aber häufig relativ friedlich verlaufen. Dem militanten Spektrum passt das nicht, daher kommt es laut Verfassungsschutz immer wieder zu diesen militanten Aktionen aus einem Kleingruppenspektrum.

Die können es einfach nicht ertragen, dass jemand anders lebt als sie selbst.

Und da behauptet links, für Toleranz zu stehen?

Man müsste da wirklich mal den Länderfinanzausgleich abschalten, die Steuer runterfahren und dann sehen, ob’s nun mit oder ohne Besserverdiener besser ist.

Dann würde man nämlich sehen, dass es in Berlin ohne die Leute, deren Autos man abfackelt, noch viel schlechter aussehen würde. Dann nämlich gäbe es gar nichts mehr.

Was glauben die eigentlich, woher das Geld kommt, mit dem die Infrastruktur halbwegs am Leben gehalten wird? Warum da noch Strom aus der Steckdose und Wasser aus der Leitung kommt? Und ein Bus fährt?

Von den Steuergeldern derer, die keine Steuern zahlen?

Alles so total hirnlos.

Wie gesagt, ich hätte dafür noch Verständnis, wenn das Handeln mit dem Anspruch übereinstimmen würde und die wirklich autark wären und andere kein Geld kosten würden.

Aber sich gleichzeitig von denen alimentieren und durchfüttern zu lassen, denen man die Autos anzündet und die man hier nicht dulden will, das passt nicht. Dafür habe ich nichts übrig. Und noch weniger, wenn sie dabei dieselben Verhaltensmuster wie Rechtsradikale an den Tag legen.