Ansichten eines Informatikers

Silvester Köln – ein intellektueller Befreiungsschlag

Hadmut
13.1.2016 0:06

Gedanken über die Vorgänge am Kölner Bahnhof zu Silvester und deren Wirkung.

Heute saß ich so am Flughafen, habe auf den Flieger gewartet (nein, nicht schon wieder Urlaub, es war ne Dienstreise, kurioserweise zum Flughafen Köln/Bonn), und sehe so die anderen Leute, die auch am Gate herumsaßen, warteten und Zeitung oder Handy lasen. Natürlich immer noch verblüffend viele Artikel über Köln.

Aber warum eigentlich?

Betrachtet man die Sache objektiv, ist da eigentlich nicht viel passiert. Jede Menge Handys und Geldbeutel geklaut. Passiert in Berlin oder Köln jeden Tag in weit größerem Umfang, interessiert keine Sau.

Jede Menge Frauen wurden belästigt, heute hieße es, es wären schon mehr als 650 Anzeigen (wobei man sich bei der Zahl dann wirklich mal Gedanken machen sollte, ob die dann auch wirklich alle stimmen oder das nicht so ein me-too-Effekt oder feministischer Herdentrieb ist, schließlich sind Opfererlebnisnachweise unter Feministinnen unglaublich wichtig, man gehört sonst nicht dazu). Aber seien wir da mal ganz trocken: Es gab nur ein oder zwei Anzeigen wegen Vergewaltigung, der Rest bezieht sich – neben Diebstahl/Raub – auf Befingern und Begrapschen.

Ich will das jetzt nicht herunterwerten, aber man muss es auch mal das sehen, was es ist: Angefasst werden. Herrje, man hat ihnen an den Arsch gepackt. Freilich ist das übel und sexuelle Belästigung, aber es ist jetzt auch keine ernstliche Körperverletzung. In vielen Beziehungen gehört das normal dazu, und ich könnte mich trotz intensiven Pressestudiums nicht erinnern, von irgendeinem Fall zur Silvesternacht gehört zu haben, in dem eine Frau ernstlich im Krankenhaus gelandet wäre, keine Notoperation, kein Rettungswagen.

Wie gesagt, ich will es nicht verharmlosen oder relativeren (bin ja keine Feministin), aber man muss das auch mal auf der Skala einordnen. Ich bin mir sicher, dass ansonsten auf dem Kölner Karneval auch der ein oder andere Arsch gegrapscht, Brüste angefasst und so mancher Schritt nicht einsam blieb, ohne dass das zu irgendwelcher Aufregung führte. Was meint ihr, was mir in heißen Silvesternächten und im Fasching von wildfremden Frauen schon so alles angeboten wurde. Man muss das wirklich mal sagen: Doch, es gibt Schlimmeres. Vergewaltigungen, nach denen Frauen nicht mehr in der Lage sind, noch zu laufen. Oder gerade den Terroranschlag in der Türkei, da gab’s Tote. Presseecho? Naja, wird halt gemeldet. Ein paar Deutsche sind tot. Kommt vor.

So übel die Grapschereien für die Betroffenen zweifellos sind, in Bezug auf das Weltgeschehen (wieviel Leute sind in derselben Zeit verhungert, an Krankheiten oder im Krieg gestorben? Wieviele Tierarten sind ausgestorben) ist das eigentlich – sorry – Kleinkram, Grundrauschen.

Was ist also der Grund dafür, dass das jetzt so hochschwappte?

Ich bin zu der Einschätzung gekommen, dass Köln nicht der Grund, sondern nur der Anlass war.

Wie so ein tiefer Pickel, der sich entzündet hat und schon seit einiger Zeit eitert, immer schmerzhafter und röter wird, anschwillt, drückt, Druck aufbaut, und irgendwann reicht ein ganz geringer Druck dann aus, um das Ding zum Platzen zu bringen und der ganze Siff fließt raus. (Mir erzählte mal jemand, dass ihm damals als Schüler der Geographie-Lehrer – kurz nach dem zweiten Weltkrieg mangels Unterrichtsmaterial – anhand des Pickels erklärt hat, wie Vulkane funktionieren. Deshalb ist mir das so eingefallen.)

Irgendwie habe ich den Eindruck, dass es eigentlich, so tief drinnen, nicht um Frauen, nicht um Köln, nicht um Migranten, nicht um Vergewaltigung ging, sondern dass die nur die Kante waren, die am überreifen Pickel vorbeigeschrubbt sind.

Irgendwie schien das alles eher so ein Befreiungsschlag gewesen zu sein. So wie ein Pferd, das die Gelegenheit nutzt, den Reiter loszuwerden, dessen Wackeln nutzt, ihn abzuwerfen.

Irgendwie habe ich schon lange den Eindruck, und das nicht nur hier im Blog wegen der Leserkommentare und Reaktionen, sondern auch wenn man mit Leuten redet oder einfach mal nur Leuten – und sei es das Gespräch von Fremden in der U-Bahn – zuhört, dass die Leute sich unheimlich gegängelt, schickaniert, belogen fühlen. Von Politikern und Presse. Wir stehen sein Jahren unter einem Dauerfeuer der political correctness, Frau ist gut, Ausländer ist gut, Schwul ist gut, weißer Mann ist böse, Frauen sind besser, Gleichstellung, Frauenquote, bloß kein falsches Wort sagen, dass nicht erwähnen, Zigeuner darf man nicht mehr sagen, Pippi Langstrumpfs Papa kein Negerkönig mehr, und alle so unterdrückt und zu fördern. Und eben immer diese Sprachverbote, Sprachverschandelungen, Gender-Sprech, liebe Freundinnen und Freunde sprach die ProfessorIn zum Publik*m.

Dieser ganze Scheiß war schon lange nicht mehr auszuhalten.

Maul aufmachen geht aber nicht, denn jeder, der das nicht mitspielt, wird sofort ein böser Rassist hingestellt. Schönes Beispiel heute im SPIEGEL:

Die rechtsextreme Szene fühlt sich stark wie lange nicht: Die Hetze gegen Flüchtlinge und Politiker im Netz nimmt zu, der Hass wird auf die Straße getragen. Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert.

Habt Ihr’s gemerkt? Die rhetorische Sauerei da drin? In dem ganzen Artikel geht’s um böse Rechtsradikale und deren Ausländerhass und Kriminalität, und mittendrin wirde huckepack und so ganz unauffällig aber selbstverständlich die Botschaft transportiert: Wer Politiker kritisiert ist rechtsextrem.

So läuft’s, so lief es die ganze Zeit. Der – ja durchaus exitierende – rechtsradikale Fremdenhass wird (so eine Aktualisierung der Reductio ad Hitlerum, alles Gegnerische rhetorisch auf Nazis rückzuführen) wird verwendet, um zwei Fronten aufzubauen, nämlich die zweifellos und allgemein akzeptiert Bösen und Kriminellen dort, und als Gegenpol die unglaublich und engelsgleich Guten hier (als ob sich nicht zwei Böse gegenüberstehen könnten, als ob der Gegener des Bösen selbst zwangsläufig gut sein müsste), damit das Spielfeld aus einem schwarzen und einem weißen Feld besteht, und dann wird darauf alles, was man will, auf das gute, weiße Feld positioniert, und alles, was man nicht will, oder als gegnerisch ansieht, mit den Bösen identifiziert.

So lief das.

Schon länger hörte man in Talkshows und anderswo immer wieder mal Stimmen, die das Beklagten, das jede abweichende Meinung sofort als rechtsradikal hingestellt wird, aber es hat nie jemanden interessiert, und es hat nie jemandem geholfen.

Derweil stieg der Druck. Denn sagen konnte man ja nichts. Man würde sich ja sofort um Job und gesellschaftliche Stellung bringen, nachdem sie zwischenzeitlich ja sogar Jagd auf die Arbeitsverhältnisse gemacht haben. Anderer Meinung zu sein war der gesellschaftliche Tod.

Und jetzt plötzlich gab es die Gelegenheit, das System mal als selbstwidersprüchlich herauszustellen, den aufgebauten Druck freizulassen, ohne gleich als Rechtsradikaler dazustehen.

Als wäre eine Last abgefallen, als hätte man diese Fesseln der Political Correctness endlich abstreifen können.

Plötzlich kommt sogar die Polizei in die Talkshow und sagt, man habe ja gar nichts mehr sagen dürfen, plötzlich kann man wieder »Roma« sagen.

Es ging nicht um Köln.

Es ging darum, dass man den Bogen überspannt hatte.

Als ob Gefangene es geschafft hätten, ihre Wärter in einem unaufmerksamen Augenblick zu überwältigen.

Endlich mal etwas gegen diese Policital Correctness sagen zu können. Was, ist eigentlich egal. Hauptsache, es geht mal wieder.