Ansichten eines Informatikers

Abu Dhabi: Rudoph, the Red-Nosed Reindeer

Hadmut
17.12.2015 20:07

Vorhin dachte ich, ich bin im falschen Film.

Ich komme an einem Einkaufszentrum vorbei. Gute Güte, nicht noch eines. Alles, was ich brauche, bekomme ich im Supermarkt. Doch da kam Weihnachtsmusik heraus.

Weihnachten? In einem islamischen Land?

Mal gucken.

Ich komm rein und werd fast umgehauen. Kitsch as Kitsch can. Ein Riesen-Weihnachtsbaum über drei Etagen, dazu Lebkuchenhaus, Geschenke und das ganze drumherum.

Dazu noch ein dicker Santa Claus, der auf einem Schlitten herumsitzt und sich – zu seiner tödlichen Langeweile – mit unzähligen Kindern und Müttern ablichten lässt, die dafür in einer langen Schlange warten.

Und als ob das noch nicht reicht: Weihnachtsmusik, das ganze Programm, rauf und runter. Jingle Bells. Und vier verschiedene Versionen von „Rudolph, the red-nosed reindeer” hab ich gezählt (eins der ganz wenigen Weihnachtslieder, die ich mag). Und also ob das noch immer nicht genug des Kitsches wäre: In manchen Läden, vor allem Spielzeugläden, haben die Verkäufer rot-weiße Weihnachtsmützen auf dem Kopf, und eine Familie hat gleich alle drei Kinder als Weihnachtsmänner verkleidet.

Nicht auszuhalten.

Nachdem ich da etwas unschlüssig herumstand und wohl wenig begeistert ausgesehen habe, sprachen mich zwei Sicherheitsleute – ein Mann und eine Frau – die da herumstanden um das zu bewachen, an, ob sie mir irgendetwas helfen oder eine Frage beantworten könnten.

Eine Frage beantworten?

Ja, eine hab ich. Was macht der Weihnachtsmann in einem muslimischen Land?

Beide lachen.

Ja, man sei so weltoffen und in Abu Dhabi lebten inzwischen so viele Nicht-Muslime, dass man da gerne Weihnachten veranstalte, damit die sich auch zuhause fühlen. Man gebe sich eben große Mühe, allen Leuten eine schöne Atmosphäre zu bereiten.

Ist ja der Hammer. In Berlin, in Kreuzberg, darf ein Weihnachtsmarkt nicht mehr Weihnachtsmarkt heißen, um Muslime nicht zu düppieren, und hier geben die Vollgas. Ich erzähle ihnen davon. Beide reagieren völlig verständnislos und stirnrunzelnd. Zugunsten von Muslimen auf einen Weihnachtsmarkt verzichten? So ein Blödsinnn. Was sollten Muslime gegen einen Weihnachtsmarkt haben? Ich soll mich mal umschauen. Den Muslimen hier mache das auch einen Riesen-Spaß. Da stehen sie Schlange, um sich mit Santa Claus fotografieren zu lassen.

Kuriosum: Über der Weihnachtsinszenierung prangt ein riesiges Werbedisplay, dass zyklisch Werbung für alle möglichen Edelmarken, Parfüms, Autos und was sonst noch alles zeigt, und am Ende jedes Zyklus wie bei einer Flughafenanzeige die nächsten Gebetszeiten der umliegenden Moscheen anzeigt. Merry Christmas, die kennen da gar nichts. Nur nichts auslassen.

Allerdings kommt mir dann doch der Verdacht, dass das vielleicht eher marketing- und umsatzbedingte Gründe haben kann. Zunächst nämlich schien das auf das Einkaufszentrum beschränkt, und das Einkaufszentrum doch sehr veramerikanisiert. Im dritten Stock finde ich eine Filiale der amerikanischen Cold-Stone-Kette und kaufe mir ein Eis. „Sir, für nur fünf zusätzliche Dirham können Sie ihr Eis mit einer Spezialwaffel aufwerten!”
Dass Weihnachten vor allem Reibach verheißt, wissen die hier auch.

Ich glaub, ich steh’ im Wald. Das kommt davon, wenn man zum Amerikaner geht.

Allerdings treffe ich dann später im Park an der Uferpromenade dann noch auf weitere Weihnachtsfeiern, unter anderem die der Belegschaft von Hyundai. Sie grillen.

Nicht mal hier ist man vor Weihnachten sicher.