Ansichten eines Informatikers

1&1 und das Allgemeine Gleichstellungsgesetz

Hadmut
4.5.2014 12:51

Komisch. Warum macht da keiner was?

Angebot von 1&1 laut Golem:

Nur für junge Menschen bringt 1&1 eine All-Net-Flat mit einem Datenvolumen von 2 GByte. Ungedrosselt soll die Datenübertragungsrate bei 7 MBit/s liegen, wenn das Volumen verbraucht ist, wird auf 64 KBit/s ausgebremst.

Die 1&1 All-Net-Flat Young kostet bei einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten 19,99 Euro im Monat. Das gab das Unternehmen am 2. Mai 2014 bekannt. Der Tarif im D2-Netz von Vodafone soll sich nur an 18- bis 28-Jährige richten. Bei Bestellung ohne Vertragslaufzeit zahlen die Nutzer 29,99 Euro pro Monat.

Das Allgemeine Gleichsstellungsgesetz:

§ 1 Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

§ 2 Anwendungsbereich

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:
[…]
8. den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.
[…]

§ 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot

(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,

[…]

Macht aber keiner was. Stört nur dann, wenn es gegen Frauen oder Ausländer geht.

21 Kommentare (RSS-Feed)

erichwander
4.5.2014 13:10
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im privatrecht darf man !grundsätzlich! seine verträge so gestalten wie man möchte


Hadmut
4.5.2014 13:13
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@erichwander:

> im privatrecht darf man !grundsätzlich! seine verträge so gestalten wie man möchte

Dazu:

§ 134 BGB: Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Davon ganz abgesehen verbietet das AGG den Vertrag ja nicht, sondern gibt Leuten mit höherem Alter einen Anspruch, den Vertrag in gleicher Weise abzuschließen.


KlausT
4.5.2014 13:52
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Derartige Tarife sind aber in vielen Brreichen üblich. Beispielsweise gibt es die Bahncard bei der DB AG für Jugendliche günstiger. Staatliche Theater bieten ermäßigte Eintrittskarten für Jugendliche und Kinder an. Sportvereine verlangen niedrige Beiträge usw.

Die Rechtfertigung dafür könnte § 29 Abs. 1 S. 3 AGG sein:

§ 20 AGG (1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung
(…)
3.
besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt,
(…)


KlausT
4.5.2014 13:55
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Sorry, hab mich verschrieben: § 20 Abs. 1 Nr. 3 AGG muss es heißen


Felix aus Frankfurt
4.5.2014 13:57
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Ja, vor dem Hintergrund habe ich mich auch schon oft gefragt, ob Rabatte für Renter zulässig sind…

(Vermutlich ja: “Rentner” hat ja nur indirekt was mit dem Alter zu tun.)


Karl Marx
4.5.2014 14:11
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a) Was ist denn mit § 20 Abs. 1 Nr. 3?

(1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung […] des Alters […] ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung

[…]

4. besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt[.]

Beispiel aus [1]: “Ermäßigte Eintrittskarten für Studenten.” Oder [2]: “Gemeint sind Fälle, in denen Anbieter Rabatte für bestimmte Gruppen gewähren und dadurch Kunden an sich binden wollen. Bei Beseitigung der Ungleichbehandlung würde der Anbieter allerdings nicht mit einer Erstreckung der günstigen Konditionen auf alle reagieren, sondern mit dem Verzicht auf jegliche Vergünstigung. Dieser Effekt ist rechtspolitisch nicht gewollt (vgl. Gesetzesbegründung, S. 44).” Zitat aus der Gesetzesbegründung [3]:

Nummer 3 erfasst diejenigen Fälle, in denen Personen wegen einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein besonderer Vorteil gewährt wird. Mit dieser Bevorzugung – meist wird es sich um Preisnachlässe oder andere Sonderkonditionen bei der Anbahnung, Durchführung oder Beendigung von Massengeschäften handeln – ist notwendigerweise eine Benachteiligung aller anderen verbunden.

Hier besteht kein Anlass, den Grundsatz der Gleichbehandlung durchzusetzen. Die gewährten Vergünstigungen reagieren nämlich entweder darauf, dass bestimmte Gruppen typischerweise weniger leistungsfähig sind: Rabatte für Schüler und Studenten etwa sind damit zu begründen, dass sie meist nicht über ein Erwerbseinkommen verfügen. Oder aber die Vergünstigungen bezwecken die gezielte Ansprache von Kundenkreisen, die der Anbieter anlocken möchte. Diese Maßnahmen sind also nicht diskriminierend, sondern im Gegenteil sozial erwünscht bzw. Bestandteil einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaft. Ein Verbot dieser Praktiken würde auch den objektiv benachteiligten Personenkreisen nicht helfen, denn der Anbieter würde nicht mit der Erstreckung der Vorteile auf alle Kunden reagieren, sondern mit dem Verzicht auf jegliche Vergünstigung.

Dass AGG soll also nicht als Hebel für die Beseitigung der gewollten altersbedingten ungleichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Stellung gebracht werden können.

[1] “Wirtschaftsprivatrecht: Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht von Ernst Führich” S. 98 (ergoogelt).

[2] http://de.wikibooks.org/wiki/Examensrepetitorium_Jura:_BGB_Schuldrecht:_Antidiskriminierungsrecht#Rechtfertigung

[3] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/017/1601780.pdf


rjb
4.5.2014 14:40
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Die obigen Feststellungen zeigen die rein ideologische Natur dieses Gesetzes auf. Es geht nicht wirklich um irgendeine Art von “Gleichstellung” (was auch immer das genau bedeuten mag), sondern darum, ein Sortiment an Pseudoargumentationen bereitzustellen, mit dem sich alles Gewünschte rechtfertigen oder ablehnen läßt. Aus dem Gesetz als solchem ergibt sich überhaupt nichts. Das trifft auch auf viele andere Gesetze zu. Sie haben keine fixierbare Bedeutung, sie regeln nichts, sondern stellen in einer gesetzesgläubigen Gesellschaft akzeptierte Legitimationswerkzeuge dar für alles, was aus welchen Motiven auch immer gewünscht wird. Entschieden wird über die Wünsche auf dem “Rechtsweg” in einer Beliebigkeit, die in keiner Weise durch die Gesetze determiniert ist, und diese Entscheidungen werden “begründet” durch irgendwelches Gefasel, das sich ebenso wie sein inhaltliches konträres Gegenteil immer aus den Gesetzen herausdestillieren läßt.


Fredi
4.5.2014 15:19
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Meine Versicherung benachteiligt mich auch ganz fies: Nur weil ich über 25 bin kann ich jetzt nicht mehr über meine Familie versichert werden! Und wenn ich Ende des Jahres mit dem Studium fertig bin muss ich sogar noch mehr zahlen!
Und in den Zoo komme ich auch nicht mehr umsonst, aber kleine Kinder dürfen das? Wieso werden die bevorzugt? Ich will auch umsonst in den Zoo 🙁


Emil
4.5.2014 15:30
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Das ist z.B. bei Banken in der Fläche typisch. Da gibt es kostenlose Girokonten und Kredikarten für “junge Leute”, teilweise bis 30.

http://www.welt.de/finanzen/article13828071/Die-besten-Kontos-fuer-Kinder-und-Jugendliche.html

Zitat:
“All die Starter-, Joker-, Kids- oder Mäuse-Konten – wie die Marketingexperten der Banken ihre Jugendangebote getauft haben – sind tendenziell ein Verlustgeschäft für die Geldhäuser.”

Und wir Alten dürfen den Spaß mit höheren Gebühren bzw. niedrigeren Zinsen querfinanzieren.


Gast$FF
4.5.2014 16:38
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> aber kleine Kinder dürfen das?

Ja, aber nur die “kleinen Kinder” im wahrsten Sinne des Wortes. Oftmals gibt es an Eintrittskassen so eine bunt-lustig gestaltete Schablone, durch die die Kinder durchgehen müssen. Wenn sie da durch passen, ohne sich dabei zu sehr bücken zu müssen, gibt’s Vergünstigung.


patzer
4.5.2014 19:08
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Fredi
4.5.2014 19:09
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@Gast$FF: Auch noch unlautere Bevorteilung von Kleinwüchsigen? Gut, bei uns isses nur Altersbeschränkung. Schlimm genug. Warum muss ich als gesunder, arbeitsfähiger Mann für alles bezahlen? Doch nur weil ich ein Mann bin!


jan
4.5.2014 23:16
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Pahh, ich finde die umgedrehte Sache viel schlimmer, die lokale Ngs ngs bude hier wirbt mit freiem Eintritt für alle Ü30,
Das ist Altersdiskriminierung! Als wenn wir alten Säcke uns den Eintritt in die Großdiscothek nicht leisten könnten!
(Btw in den Laden würde ich nicht mal gehen wenn ich Geld rausbekommen würde, aber dss ist eih anderes Thema:-) )


Gast$FF
4.5.2014 23:37
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> Auch noch unlautere Bevorteilung von Kleinwüchsigen?

Nicht unbedingt. Je nach Art des Angebots des Betreibers könnten kleinwüchsige Kinder weniger Kosten/Ressourcen für ihn bedeuten. Beispiel Schwimmbad: weniger Platzverbrauch im Becken. Beispiel Sanifair-Toilette an der Autobahn (die mit der Parallelwährung in Form von Wertbons): weniger … in die Keramik. 😉


mcs
5.5.2014 0:37
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Gleichstellung in IT-Projekten – ein bisher unterschätzter Skandal:

Symposium: Gender | Vorgehen in IT-Projekten

HTW Berlin, 14.10.2014

Softwareentwicklung in IT-Projekten hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Der Trend geht von klassisch hierarchischen Vorgehensweisen hin zu agilen, team-orientierten Methoden. Auf dem wissenschaftlichen Symposium Gender | Vorgehen in IT-Projekten soll diskutiert werden, welche Chancen und Risiken mit dieser Entwicklung für die beteiligten Frauen verbunden sind und wie sich dadurch die geschaffenen Anwendungen verändern.
—–

Der Sinn des Oder-Balkens ist nicht ganz klar: entweder Gender oder Vorgehen?

Kritisch dürfte das Pair-programming (m+w) sein: In beengten Räumlichkeiten bestehen extreme Risiken von Körperkontakten und sexualisierter Gewalt.


mcs
5.5.2014 0:38
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jan
5.5.2014 0:41
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Ich könnt jedesmal heulen wenn ich die Preise für mobiles Internet hier in Deutschland lese.

Kaum nutzbar da nur geringes Datenvolumen wirklich nutzbar.
Die gedrosselte Geschwindigkeit geht einher mit paketloss ohne Ende.

Dann noch dazu das unsägliche Carriernat.
Und dann auch noch teuer.
Das es auch anders geht kenne ich aus Österreich.

Unlimitierter Zugang zum Internet, eine echte IP okay keine feste nur! 🙂 eine dynamische, einzige Einschränkung der downstream ist auf 10k begrenzt, der Upstream auf 4k

Ansonsten gibt es null behinderungen, kein verbot von VOIP, oder p2p oder ähnlich nervuge Sachen.

Und das ganze ohne Vertrag, nein aks Prepaidangebot, monatlich 18€

Da ist das Angebot voh 1+1 ein witz dagegen.

Die hierzulande angebotenen Tarife sind wirklich richtig schlecht.
Bleibt nur zu hoffen das die datenroamingkosten ab 2015 wirklich ersatzlos gestrichen werden.


Stefan W.
5.5.2014 1:37
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Bei Kinos u. dgl. handelt es sich um den Fall des preisdiskriminierenden Monopolkapitalisten.

Die Idee ist recht einfach erklärt: Im Markt sind 5 Teilnehmer, 3 die viel Geld auszugeben bereit sind (15€) und 2 die nur 10 € zahlen können.

Bei Kosten für 5€ pro Person könnte der Kinobetreiber 5x(10-5) = 25 € Gewinn machen oder 3x(15-5) = 30 €. Er wird also eher weniger Karten, die aber teurer anbieten.

Noch mehr Reibach macht er, wenn er die Gruppen mit unterschiedlichen Vorbehaltspreisen voneinander abgrenzen kann. Dann knöpft er den einen 15 und den anderen 10 ab (30+10=40€). Die, die mehr zahlen, lassen es sich aus sozialen Gründen gefallen, die, die weniger zahlen freuen sich.

Man würde das noch häufiger sehen, wenn sich die Abgrenzung besser vornehmen ließe. Studentenausweise lassen sich kontrollieren, nicht nur beim Ticketkauf, sondern auch beim Einlass. Bei Schnaps zu unterschiedlichen Tarifen würden die Studenten den billigen Studentenschnaps kaufen, und für einen Preis unter dem regulären weiterverkaufen, und einen Teil des Gewinns so abschöpfen.

Der 1&1-Tarif ist also womöglich ausreichend um einen Gewinn zu machen, aber wg. Kartellabsprachen verlangen alle ISPs mehr Geld als nötig, weil sie den Vorbehaltspreis der Kunden kennen.

Bei funktionierender Konkurrenz funktioniert sowas nicht, weil dann für die Mitbewerber ein Anreiz besteht den Preis zu senken, und so die Bewerber aus dem Markt zu verdrängen.

Womöglich ist der Preis aber wirklich nicht wirtschaftlich, aber das Beharrungsverhalten der Kunden so stark, dass es sich lohnt diese mit geringen Preisen erst mal zu ködern.

Diese Windows-Lizenzen sind übrigens der gleiche Trick. Wer mehr zahlen kann und zahlen würde, der soll auch mehr zahlen – für diese ultimate-Premium-Editions.


anon
5.5.2014 10:00
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Schöner Kommentar von rjb.
Was machen die ganzen Rechtswissenschaftler den lieben langen Tag, wenn so ein uneindeutiger Mist Gesetz ist? Wer zum Teufel will sich auf die “Rechtspraxis” verlassen, die sich je nach Mode, Lust und Laune des Richters jedes Mal aufs Neue verändert?
Die einzige Frage, die man sich hier zu stellen braucht, ist wohl wieder das alte “wer profitiert davon”? Sicher nicht der Durchschnittsbürger…


lda 1
6.5.2014 8:19
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“Und in den Zoo komme ich auch nicht mehr umsonst, aber kleine Kinder dürfen das? Wieso werden die bevorzugt? Ich will auch umsonst in den Zoo”

Warum wohl dürfen die? Die sind zu klein um über den Zaun zu klettern. ^^


node14u
7.5.2014 7:27
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naja… es erschliesst sich leicht, warum menschen/gruppen mit “vermutlich” niedrigerem einkommen günstigere preise bekommen.
(zb.: schüler-, studenten-, rentnertarif)

worin der unterschied zwischen einem 28jährigem und einem 40 jährigem besteht wenn zu einem festen preis eine feste datenmenge “verbraucht” wird ist eher nicht zu begreifen.
28jährige können durchaus mehr taschengeld haben als 40 jährige 😉

wann kommt die spezialflatrate für familienväter? 😀