Ansichten eines Informatikers

Zu viele Studienabbrecher

Hadmut
26.4.2014 10:57

Ach, guck an. Jahrelang haben sie die Leute ins Studium gedrängt, jetzt kommt wohl die politische Kehrtwende.

Unsere Bundesbildungsministerin Johanna Wanka sagt (und das ist bemerkenswert, denn sonst hört man ja fast nie etwas von der, die kennt kaum jemand), dass wir zu viele Studienabbrecher haben. Sie meint, dass die Leute sich doch besser überlegen und beraten lassen sollten, was wirklich zu ihren tatsächlichen Fähigkeiten passt, und auch mal über eine Lehre nachdenken sollten.

Boah. Da hat sie Recht.

Ist das nun eine Abkehr von der feministisch-genderistischen Grundlinie?

Denn da hieß es ja jahrelang, es käme gar nicht auf die persönliche Begabung und die Fähigkeiten in Mathematik, Physik usw. an, weil das ja ohnehin erstens nur Produkt der Benachteiligung durch kulturelle Ausgrenzung sei, und zweitens auch die Anforderung nur der patriarchalisch gesteuerten Ausgrenzung dienten. Überall heißt es, die Leute – vor allem eben Frauen – auf Biegen, Brechen und ohne jede Rücksicht auf die individuelle Disposition in die MINT-Fächer zu drängen.

Man liest aber jede Menge Berichte darüber, dass gerade in den MINT-Fächern, besonders in Informatik, die Abbrecherquoten am höchsten sind (siehe z. B. Stifterverband, SPIEGEL, Studis Online). Was nicht überrascht, denn in den ganzen weichen Laberfächern, bei denen erwiesen die Anforderungen niedriger und willkürlicher sind, gibt es ja keine Gründe, abzubrechen. In Studiengängen, in denen leistungsunabhängig jeder durchkommt, der sich nur auf das freie Gelaber einlässt, hat jemand, der sich schon für den Studiengang entschieden hat, viel weniger Grund, abzubrechen.

An den ganzen Statistiken irritiert mich allerdings etwas. Nämlich das, was nicht drinsteht. Keine Statistik, schon gar keine zu Hochschulen, kommt heute noch ohne Statistik nach Geschlechtern aus. Nur in den Abbrecherquotenartikeln wird praktisch nie das Geschlecht erwähnt. Gefunden habe ich dazu nur was bei Wikipedia, wo es so ganz allgemein heißt, dass die Abbruchquote bei Männern 27%, bei Frauen 23% betrage.

Würde man da nicht wieder feministischen Jubel erwarten, dass Frauen nach besseren Abiturnoten auch besser studieren (um dann den Karrierebruch nach dem Studien zu bejammern, wie sie es immer tun)?

Diese Gesamtquote stinkt gewaltig nach dem als Simpson-Paradoxon bekannten Statistikrechenfehler. Denn bekanntlich sind Frauen in den Fächern mit hohen Abbruchquoten wie den MINT-Fächern sehr wenig, und in den Laber-Fächern mit niedrigen Abbruchquoten sehr stark vertreten. Hat man diesen Simpson-Fehler verstanden, merkt man, dass die Abbruchquoten bei Frauen in den MINT-Fächern drastisch höher sein müssen als bei Männern, wenn in der Gesamtstatistik der Unterschied nur 4% beträgt. Das würde erklären, warum man sonst keine Gelegenheit ausläst, auf irgendwelchen Geschlechterquoten herumzureiten, hier aber so seltsam dazu schweigt.

(Dazu kommt, dass ich in meinem Bekanntenkreis mehrere Frauen habe, die Informatik studiert, mit Diplom und guter oder sehr guter Note abgeschlossen, in einem Fall sogar mit Auszeichnung promoviert haben, und dann trotzdem komplett hingeschmissen haben, weil sie sagten, das Fach wäre nichts für sie und sie es nur studiert hätten, weil das halt so als modern galt. Ich kenne aber keinen einzigen Mann, der nach einem abgeschlossenen Informatik-Diplom die Informatik hingeworfen hätte. Solche Abbrecherinnen werden statistisch nicht mal erfasst.)

Könnte sein, dass dieser Druck, da Leute unabhängig von Fähigkeiten in die MINT-Fächer zu drücken, gerade zum Problem wird und man versucht, gegenzusteuern.

13 Kommentare (RSS-Feed)

Horsti
26.4.2014 11:52
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Finde ich immer wieder lustig, wenn Leute wie Wanka, die in ihrem Leben einen großen Bogen um eine Lehre gemacht, und ihr Leben nahezu komplett an der Uni verbracht haben, anderen eine Handwerkslehre empfehlen…

bgesehen davon dürfte der Bologna-Prozess seinen Gutteil dazu beigetragen haben, daß immer mehr junge Leute studieren, schließlich dauert ein Bachelor nur 3 Jahre und ist damit ein halbes Jahr kürzer als z.B. ein Anlagenmechaniker (Klempner) oder ein Automechaniker (KFZ-Mechatroniker). Ein Lehrlingsgehalt kann man sich als Student problemlos hinzuverdienen. Warum also eine Ausbildung machen, und sich vom Vorgesetzten jahrelang rumscheuchen lassen?

Zudem gibt´s ein Hochschulstudium quasi for free, während höhere Qualifikationsstufen wie Meister, Fachkaufmann, Fachwirt teuer selbst bezahlt werden müssen. Ohnehin hat die Bundesregierung bei der beruflichen Bildung, trotz aller Lippenbekenntnisse zum “lebenslangen Lernen” im Zuge der Hartz-Reformen für die berufliche Bildung die Ausgaben um 2/3 zusammengestrichen, im Prinzip sind kostenfrei nur noch Techniker- und Betriebswirt-Fachschulen übrig geblieben.

Man darf sich da nichts vormachen: Entweder das duale System und die berufliche Bildung werden kräftig aufgewertet, oder aber die Verstaatlichung der Bildung wird weitergehen und das duale System verschwinden. Gerade im Handwerk ist jedoch genau das Gegenteil zu beobachten: Billige Arbeitskräfte aus Osteuropa sind heute Standard. Warum sollte sich ein Abiturient also für eine Handwerkerlehre entscheiden, wenn er als Geselle mit Arbeitnehmern konkurrieren muß, die für monatlich 1500 Euro brutto und weniger arbeiten? Warum sollte jemand Einzelhandelskaufmann werden, wenn ihn nach Ende der Lehre keine feste Stelle, sondern ein Werkvertrag mit 5 Euro Stundenlohn erwartet? Dann doch lieber studieren, oder es wenigstens versucht zu haben.


Michael
26.4.2014 12:50
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> Dann doch lieber studieren, oder es wenigstens versucht zu haben.
Und dann nach dem Studium 1500€ verdienen oder Hartz 4 😉 Der Weltsozialismus ist halt nicht billig.


Diplom-Putzfrau
26.4.2014 13:30
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Wayne
26.4.2014 13:36
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Das ganze hat sich hier aber noch ein bisschen anders angehört:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bildungspolitik-mehr-nicht-abiturienten-an-die-unis-12901393.html

Abiturienten in die Lehre und Nicht-Abiturienten an die Uni, habe ich das richtig verstanden?


Hadmut
26.4.2014 18:47
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> Abiturienten in die Lehre und Nicht-Abiturienten an die Uni, habe ich das richtig verstanden?

Scheint so.


Emil
26.4.2014 14:28
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Wenn ich mich so umhöre, dann ist der studierende Nachwuchs von Bekannten und Verwandten durch die Bank am Jammern. Angeblich wurden im Rahmen des Bologna-Prozesses die Studienbedingungen erheblich verschärft, was Anforderungen, Studiendauer, Leistungsnachweise und Prüfungswiederholungen betrifft. Ein gemütliches Studentenleben ist da offenbar nicht mehr drin.

Was die Studienabbrecher angeht: in manchen Fächern mit hoher Durchfallquote hat man die erlaubte Prüfungsanzahl schnell erreicht und ist, wenn man wieder nicht besteht, bundesweit für den Studiengang gesperrt.

Andererseits merkt man so früh, ob man für ein Studium geeignet ist oder nicht, und kann sich rechtzeitig nach was anderem umsehen. “Ewige Studenten” gibt es in diesem System nicht mehr.


Oliver K
26.4.2014 14:51
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In Grossbritannien werden die Anforderungen an alle MINT-Gebiete radikal runtergesetzt an den Universitaeten. Dies folgt einfach aus der Marktlogik (je mehr Kunden, desto besser, und die Kunden muessen auch zufriedengestellt werden mit Noten). Insofern werden sich in Grossbritannien die meisten sogenannten Universitaeten noch mehr in reine Ausbildungsstaetten verwandeln; vielleicht sollte man besser Disziplinierungsstaetten sagen, dann nach aussen werden ja von diesen Staetten die “Wissenschaft” hochgehalten, so dass man als Resultat weder Ausbildung noch Wissenschaft hat (bloss von beidem das Schlechteste).


Gast$FF
26.4.2014 15:46
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> Ich kenne aber keinen einzigen Mann, der nach einem abgeschlossenen Informatik-Diplom die Informatik hingeworfen hätte.

Natürlich nicht. Für gewöhnlich muss er in dem Alter dann nämlich schon bald eine Familie ernähren. Oder sich zumindest schon einmal dafür entsprechend aufstellen. Männer können typischerweise /nicht/ mal so eben kurz das Lebensmodell wechseln, ohne größeren Schaden zu nehmen oder erheblich an Status/Wert zu verlieren. Für jemanden, der nicht gerade den goldenen Löffel in der Wiege hatte, ist der berufsqualifizierende Studienabschluss meistens die einzige Wertinvestition, die er hat. Das schmeißt man(n) nicht mal eben so weg, nur weil’s irgendwo ein bisschen hakt oder frustig wird. Oder man merkt, dass man in etwas reingequatscht wurde, was einem irgendwie doch nicht so richtig liegt, aber halt eben durchgezogen hat.

Zitat einer ehemaligen Arbeitskollegin: “Wenn das hier so weiter geht, lass’ ich mich vom Storch picken…”


Andy
26.4.2014 16:30
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>> in einem Fall sogar mit Auszeichnung promoviert haben, und dann trotzdem komplett hingeschmissen haben, weil sie sagten, das Fach wäre nichts für sie und sie es nur studiert hätten, weil das halt so als modern galt

Das finde ich interessant. Ich kenne eine Frau die recht erfolgreich Jura studiert hat und dann nach 3 Jahren ihre gut laufende Zivilrechtskanzlei verlassen hat um auf Zahntechnikerin umzusatteln. Ihre Begründung dafür: sie hat es nicht mehr ausgehalten das sie im Beruf permanent mit Zank, Streit und Auseinandersetzungen zu tun hatte. Also so eine Art Harmoniedefizit. Ich war ziemlich perplex ob der Erklärung weil ja eigentlich selbst einem sechsjährigen klar sein müsste das man als Anwalt halt für das Streiten bezahlt wird. Das ist quasi die Jobbeschreibung.

Auch wenn dies halt nur zwei anekdotische Einzelfälle sind (also die Frau die Hadmut erwähnt und die eben von mir erwähnte) und es sicherlich auch Männer gibt die nach direkt Studium oder kurz nach Berufseinstieg merken das sie etwas ganz anderes machen wollen, stellt sich doch die Frage ob nicht viele Frauen doch irgendwie so “aus Verlegenheit” raus studieren. Weil es halt alle Klassenkameradinnen machen. Oder weil manche Fächer gerade hip sind. Oder weil sie hoffen sich an der Uni einen potentiellen Ehegatten mit hohem Potential angeln zu können. Also aus allen möglichen Gründen, aber nicht aus Interesse am Fach oder um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern bzw eine bestimmte Karriere gezielt anzustreben.


DerdieBuchstabenzählt
26.4.2014 21:14
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> Abiturienten in die Lehre und Nicht-Abiturienten an die Uni, habe ich das richtig verstanden?

Hihi. Stelle mir gerade den Handwerksmeister oder Altgesellen auf einer Baustelle vor, denen der Stift mit so einem “feministischem Sprachhandeln” dumm kommt …


Thomas M.
26.4.2014 21:17
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Ein Vergleich an einer Eliteuni wie Oxford:

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/notenvergabe-an-oxford-uni-frauen-schneiden-schlechter-ab-als-maenner-a-966203.html

Natürlich fabulieren die Frauchen schon wieder vom Patriarchat und “struktureller Unterdrückung” – solange, bis frau mit Singen und Händeklatschen ihren ausgezeichneten Bachelor bekommt…


Knut Grunwald
29.4.2014 13:36
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Die Frauen, denen das alles zu viel wird gibt es.
Die Frauen, die in einem technischen Job keine Anstellung finden auch.
Insbesondere, wenn es nicht 0815 Qualifikationen sind, sondern so ein Randgebiet, wie Berechnungen in der Mechanik, findet sich immer ein Grund, warum die Frau nicht geeignet ist.
Letztens haben wir dann den Chef der Abteilung im Biergarten getroffen, der wurde gar nicht gefragt. Er darf sich jetzt über einen Angeber aus Osteuropa ärgern, der Schwierigkeiten hat die Daten in ein Berechnungssystem zu hämmern. Von neuen Methoden der Berechnung mal ganz abgesehen.

Nur um mal die andere Seite der Medalie zu zeigen.

Der Hauptfehler der Dame war es natürlich zu klein zu sein, mehr als 50 kg zu wiegen, keinen Rock und hochhackige Schuhe zu tragen und ganz schlimm: Selbstbewußt zu wirken. Damit dürfen Frauen nur Lehererin oder zickige Politikerin werden.

Eine Ablehnung war besonders cool: Sie sind für uns zu qualifiziert. Sie langweilen sich hier nur und wandern dann schnell ab.

Na denn, Prost !


Michi
4.5.2014 23:25
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> Nach dem Abschluss “Hinschmeissen”

Das finde das allerdekandeste überhaupt. Wenn schon, dann geht man damit ein paar Jahre arbeiten und trägt dazu bei, dass sich das Zeug für die motivierten wieder finanziert. Oder verdient zumindest so viel, wie der Abschluss hätte einbringen können!