Ansichten eines Informatikers

Neues zum Auskunfts- und Persönlichkeitsrecht

Hadmut
22.1.2014 20:59

Ging heute so rum:

Das Innenministerium geht gegen FragDenStaat.de vor, weil dort ein Paper veröffentlicht wurde, das man lieber nicht in der Öffentlichkeit gehabt hätte. Sehr lesenswert sind dabei die Akten und Schriftwechsel. Man darf gespannt sein, wer sich durchsetzt. Mir persönlich gefallen Schriftsatz und Standpunkt der Kanzlei JBB Anwälte, also der Vertretung von FragDenStaat, eindeutig besser. Denn erstens war das nie Sinn und Zweck des Urheberrechts, Akten geheimzuhalten, zweitens kann man durchaus einige Zweifel daran haben, ob hier eine schöpferische Tiefe vorliegt. Dazu habe ich ja schon mehrfach gebloggt. Ein zentraler Punkt dabei ist, dass es auf die Art dessen ankommt, wofür Schutz beantragt wird. Für Fotografien gibt es etwa ein vereinfachtes Schutzrecht als »Lichtbild« (§ 72 UrhG), bei dem schon die handwerkliche Leistung geschützt ist, und es keiner künstlerischen bedarf. Genau das zeigt aber schon, dass der Gesetzgeber durchaus unterscheidet, ob etwas nur handwerklich zwar gut und fehlerfrei nach den Regeln des Fachs erstellt wurde, oder ob es auch schöpferische Tiefe hat, denn sonst hätte man die Unterscheidung ja nicht getroffen.

Nur: Man hat den handwerklichen Teil bei Fotografien geschützt, nicht aber bei Texten. Sofern also ein Jurist nicht schöpferisch etwas produziert, sondern einfach nur ordentlich seine Arbeit macht wie auch andere es tun würden, ist seine Arbeit als Text nicht geschützt, während ein Fotograf Schutz genießt. Und das ist eben die zentrale Frage, ob bereits jeder normaljuristische Text, der sich zudem inhaltlich an einer Vorgabe entlanghangelt und nicht selbst geistig etwas aufbaut, urheberrechtlich geschützt ist. Wenn jemand eine Klage gestaltet und schreibt, wird das sicherlich der Fall sein, aber wenn jemand nur erwidert, dürfte das schon fraglich sein. Und das ist durchaus von Bedeutung, denn es passiert häufig, dass Anwälte urheberrechtlich untersagen, dass die Gegenpartei ihre Schriftsätze im Web veröffentlicht. Die Frage ist, ob sie das überhaupt können.

Interessant ist aber auch § 50 UrhG, wonach Berichterstattung über Tagesereignisse zulässig ist. Da muss ich mal in die Bibliothek und lesen, was es dazu so gibt. Und was unter Tagesereignis so fällt. Der BGH war da wohl schon aktiv. Zu überlegen ist auch, ob bei einer inhaltlichen Auseinandersetzung das Zitatrecht erlaubt, einen Scan zu veröffentlichen.

Gerade in Zeiten einer oppositionsfreien großen Koalition ist es bedenklich, wenn der Staat nicht so will, dass der wählende Bürger weiß, was vor sich geht.

Interessant ist auch, und da wären wir schon wieder mal bei der Frage, wie weit Satire gehen darf, dass Karl Theodor zu Guttenberg (Gibt’s den auch noch?) gerade einen Verlag verklagt, weil der als – nicht gekennzeichnete – Satire in einem Buch über Plagiate ein Vorwort drin hatte, das scheinbar, aber eben nicht wirklich, von zu Guttenberg verfasst und unterschrieben worden war, was der natürlich nicht gut findet. In diesem Fall würde meine Prognose zugunsten zu Guttenbergs lauten, da ich ja, wie schon mehrfach erwähnt, der Ansicht bin, dass Satire nicht erlaubt, schlichtweg falsch zu informieren. Man kann nicht lügen und hinterher „Satire!” und wie hier „April, April!” rufen. Satire erlaubt viel, aber nicht anderen Leuten so etwas in den Mund zu legen, dass man nicht merkt, dass es nicht echt ist. Dass nun ausgerechnet die Gerichte in Hamburg darüber entscheiden, was Satire darf und was nicht, ist freilich tragisch.

17 Kommentare (RSS-Feed)

Kristian Köhntopp
22.1.2014 22:01
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Hadmut
22.1.2014 22:09
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@Kristian: Das trifft meines Erachtens (hab aber keinen Kommentar zur Hand) nicht zu, denn § 5 dürfte sich auf solche Texte beziehen, die zur Bekanntmachung bestimmt oder von vornherein öffentlich sind. Auf solche internen Schreiben, wie das, um das es hier geht, wäre das meiner Vermutung nach nicht anwendbar, denn das Schreiben war ja nicht zur Veröffentlichung gedacht. Und wenn man es genau liest, trifft auch weder Abs. 1 noch Abs. 2 auf das Schriftstück zu.


Andy
22.1.2014 22:32
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Der Gründer / Betreiber hat mal auf einem CCC einen Vortrag gehalten, durchaus sehenswert. Dort hat er genau diese Taktik der Behörden, also die Untersagung der Weiterverbreitung angesprochen, belegt mit einem anderen Fall. Damals haben die das “ausgehebelt” indem man einfach statt Veroffentlichung auf der Seite einen One Click Button eingebaut hat der genau dasselbe Dokument anfragt, so das die für jeden Bürger erneut rausschicken mussten. Hat wohl zur Einrichtung einer Halbtagesstelle in der Behörde geführt und das Ganze ad adsurbum geführt. sollte man hier vielleicht wiederholen, wenn die Anwälte von Fragdenstaat in einigen Wochem berichten können das von dem geschützten Dokument bereits etliche Versionen im freien Umlauf sind nimmt das der Sache schon einiges an Wind aus den Segeln…

http://www.youtube.com/watch?v=E9ltTJFJue0


Skeptiker
23.1.2014 0:01
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@Hadmut, in das Thema “Satire” haste Dich ja jetzt aber echt verbissen. Bzw. nur wenn sie Dir missfällt?

> Gerichte in Hamburg darüber entscheiden, was Satire darf

Soweit kommt’s noch, dass ein Gericht (oder überhaupt eine Behörde) die Kunstformen definiert. Klar, so hast Du das vielleicht nicht gemeint, aber so steht’s da. Mag sogar ein, dass die versuchen, eine Art Satireparagraphen in die Welt zu setzen, aber soweit sind wir glaub’ ich noch nicht ganz in der Gesellschaft, dass das geht.

> da ich … der Ansicht bin, dass Satire nicht erlaubt, schlichtweg falsch zu informieren.

Satire ist überhaupt nicht zur Information da, oder nur sehr indirekt um drei Ecken, und zu verlangen, dass der Wortlaut eines satirisch gemeinten Textes entweder wahr oder sofort als Fiktion erkennbar zu sein hat, nimmt ihr eine Konstituente. Das zu verlangen gleicht der Forderung, dem schlechten Wetter die Wolkenbildung zu verbieten.

Wir sind uns nach wie vor darin einig, dass es schlechter Stil ist, einen textlichen Griff ins Klo nachträglich als Witz zu deklarieren, der vorher und eigentlich “ernst” gemeint war. Umgekehrt gehört es aber zur demaskierenden Funktion der Satire, wenn man eine persiflierende Nonsensmeldung nicht auf Anhieb als fiktiv erkennen kann.

> Satire erlaubt … nicht [,] anderen Leuten so etwas in den Mund zu legen, dass man nicht merkt, dass es nicht echt ist.

Nach meiner Meinung ein Irrtum. Genau das ist ein erlaubtes Stilmittel, und es ist der Persiflierte, der sich fragen muss, ob und warum sein Gerede von frei erfundenem Nonsens nicht unterschieden werden kann.


Hadmut
23.1.2014 0:08
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> in das Thema “Satire” haste Dich ja jetzt aber echt verbissen. Bzw. nur wenn sie Dir missfällt?

Ich hab mich nicht in Satire verbissen. Sondern Leute die Unwahrheiten verbreiten und dann „Satire!” rufen.

Es ist ja auch nichts dasselbe, ob man was gegen Enkel oder Enkeltrickbetrüger hat.

> Soweit kommt’s noch, dass ein Gericht (oder überhaupt eine Behörde) die Kunstformen definiert.

Ich glaube nicht, dass Satire unter Kunst behandelt würde, sondern unter Meinungsfreiheit. Und genau die endet da, wo man falsche Tatsachen behauptet. Und selbst wenn es Kunst wäre, es gibt schon diverse Gerichtsentscheidungen über Kunst.

Satire darf nicht das sein, was früher die gekreuzten Finger beim Lügen waren.


usa
23.1.2014 3:45
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In den USA sieht es so aus: Nix copyright für Regierung. In den meisten Staaten ist es ähnlich. Staatliche Dokumente sind nicht durch copyright zu schützen.
Wie gerne würde ich das auch in Deutschland im Gesetz sehen, klar und ohne Ausnahmen:

17 U.S. Code § 105 – Subject matter of copyright: United States Government works

Copyright protection under this title is not available for any work of the United States Government, but the United States Government is not precluded from receiving and holding copyrights transferred to it by assignment, bequest, or otherwise.

Und hierbei geht es nicht nur um ein paar langweilige Dokumente, sondern z.B. auch um Kartenmaterial vom U.S. Geological Survey. Alles per Gesetz public domain.

So viele schlechte Dinge aus USA kommen, was Informationsfreiheit anbelangt, sind die Deutschland um Jahrzehnte voraus. Traurig.


Satire ist überhaupt nicht zur Information da, oder nur sehr indirekt um drei Ecken, und zu verlangen, dass der Wortlaut eines satirisch gemeinten Textes entweder wahr oder sofort als Fiktion erkennbar zu sein hat, nimmt ihr eine Konstituente. Das zu verlangen gleicht der Forderung, dem schlechten Wetter die Wolkenbildung zu verbieten.

FECHHEIT! Ich fordere Satirifizierung, Zertifizierung von Satire.

Carsten

“Dass nun ausgerechnet die Gerichte in Hamburg darüber entscheiden, was Satire darf und was nicht, ist freilich tragisch.”
Hadmut Danisch


sekino
23.1.2014 11:20
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siehe auch Rechtsanwalt Udo Vetter in seinem law blog vom 22.01.:
http://www.lawblog.de/


beeblebrox
23.1.2014 11:25
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Aus dem Bauch heraus würde ich sagen Satire und öffentliche Meinungsäußerungen enden üblicherweise dort, wo die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen oder Gruppen angegriffen werden. Sei es durch Diffamierungen, Herabwürdigungen, Schmähungen oder eben auch durch falsche Tatsachenbehauptungen.

Wie die jüngste Geschichte und teils auch aktuelle Meldungen aber immer wieder zeigen, wird dies von den Gerichten immer von Fall zu Fall anders entschieden.

Ein Bespiel, dass der aktuellen Klage zu Guttenberg recht ähnlich sein dürfte, wären die angeblichen Zitate des ehemaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke.
Aufgrund seiner Vergangenheit war Lübke ohnehin sehr umstritten. Hinzu kam noch, dass sich zum Ende seiner Amtszeit die Auswirkungen seiner Demenz-Erkrankungen immer deutlicher wurden und er Namen und Orte verwechselte.
Für einige angeblichen Lübke-Zitate (sehr verehrte Damen sehr verehrte Herren liebe Neger, etc) gibt es allerdings keine Belege. Der Spruch “equal goes it loose” war eine Erfindung des Spiegel. Die Satire Zeitung pardon gab sogar eine Schallplatte “Lübke redet für Deutschland” mit skurrilen Ausschnitten von Lübke Reden heraus.
Noch heute, über 30 Jahre nach Lübkes Tod, sind die o.g. Zitate T. noch einigen Leuten in Erinnerung. Rechtliche Konsequenzen gab es aber meines Wissens nach nicht.

Der fragliche Punkt im Fall zu Guttenberg ist ja, ob die Satire als solche erkennbar ist. Die Argumentation des Verlages erscheint mir da nicht völlig abwegig. Deswegen gilt auch hier mal wieder der alte Spruch – “Vor Gericht und auf hoher See …”


Fry
23.1.2014 14:22
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Lügen mag zwar Sünde sein, ist aber nicht verboten.


Hadmut
23.1.2014 15:06
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> Lügen mag zwar Sünde sein, ist aber nicht verboten.

Doch, ist es. Unwahre Tatsachenbehauptungen über Andere sind verboten.


Fry
23.1.2014 14:24
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…und außerdem muss der Staat ja nicht alles regeln. Ich lebe gern in einem Land, in dem auch Dinge erlaubt sind, die mir nicht gefallen. Denn umgekehrt darf ich hier auch Dinge tun, die meinem Nachbarn nicht gefallen.
Insofern bin ich auch dafür, dass Satire lügen darf. Auch geschmacklos. Auch ungekennzeichnet. (und nein, ich war nie ein Titanic-Leser).


derSchöpfer
23.1.2014 17:19
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Jens
23.1.2014 19:04
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“In den USA sieht es so aus: Nix copyright für Regierung.”

Falsch. “Nix copyright für Bundesregierung” wäre korrekt.


Stuff
23.1.2014 19:07
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Nunja, soo einfach, weil Satire zu Deutschland ja allzuoft von unausgelasteten Walz- und Hammerwerken produziert erscheint, ist es ja wohl nicht. Es sei an das Supreme-Court-Urteil erinnert, wo Hugh Hefner exakt deshalb, weil in einem satirischen Text ein Reverend als Kinderschänder dargestellt worden war, dies als so völlig absurd zu halten sei, dass schon deshalb der satirische Gehalt auf der Hand liege, dieses Plädoyer ist ja auch verfilmt worden. Die Tatsache, dass die katholische Kirche Jahrzehnte später mit Vorwürfen des Vertuschens von Kinderschändungen zu kämpfen hat, gibt dieser Satire schon Kafkasche Züge, denn auch Kafka begann seine satirische Karriere (ich halte Kafka entgegen dem Mystizismus-Geraune über seine Textinhalte für einen Satiriker) mit der Fälschung eines behördlichen Dementis über den Brand eines Mühlenkomplexes in Prag. BTW: Auch Macchavelli-Texte sind Satire – keine Handlungsanweisungen.
“Satiren, die der Zensor versteht, werde zurecht verboten.” Dieser Satz ist auch von einem Satiriker
Und zum VfGH (Österreich): “…immanent, dass es (auch) für ein Kind – unabhängig von der Art seiner Zeugung und den Bedingungen seines Lebens – besser ist, überhaupt zu sein als nicht zu sein” heisst es dort in dem verlinkten Text – so eine klare Aussage hätte ich vom deutschen Höchsgericht, das ja wohl nach einer _Verfassung_ (Nicht GG!) ausgerichtet benannt ist (die Weimarer, womöglich…?) gern auch mal gehört.


Hadmut
23.1.2014 19:15
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> wo Hugh Hefner exakt deshalb, weil in einem satirischen Text ein Reverend als Kinderschänder dargestellt worden war

Hugh Hefner?

War das nicht Larry Flint mit dem Hustler und der Film war „Die nackte Wahrheit”?


Stuff
24.1.2014 10:00
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Ja, war Larry Flynt und der Hustler – ich werd halt schon alt 🙁 – ich sollte meinem Erinnerungen öfter nachguuhgln…
Den Film kenne ich nur in der amerikanischen Fassung
http://en.wikipedia.org/wiki/The_People_vs._Larry_Flynt

und Toitsch-Synchronisation tue ich mir spätestens seit Beendigung der Synchronisation in Oesterreich nicht mehr an.

“It doesn’t work, against jews” hiess der Satz in “Vampires” und in der deutschen Synchronisation kommt der nicht vor, wohl aber in der österreichischen, die in at und ch gezeigt wurden/werden…