Ansichten eines Informatikers

Einen vom Hund erzählt

Hadmut
7.1.2014 21:01

Die Meldung, wonach der nordkoreanische Diktator seinen Onkel von Hunden hat fressen lassen, soll angeblich ein Fake sein. Ich hatte ja bereits Zweifel geäußert.

Soll wieder mal „Satire” gewesen sein.

Mittlerweile habe ich echt den Eindruck, das magische Wort „Satire” ist inzwischen sowas wie früher die gekreuzten Finger: Man darf beliebig lügen und desinformieren, sofern man dann, wenn man ertappt wird, schnell „Satire!” ruft. Aber das Thema hatten wir ja schon öfters.

15 Kommentare (RSS-Feed)

eop
7.1.2014 22:09
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Ein Jurist erzählte mir mal, dass wenn man etwas böses (z. B. in einer Zeitung) über eine Person schreiben will (z. B. um sie fertigzumachen), man einfach “Satire” über den Artikel stellen sollte – dann darf man nahezu schreiben, was man will. Auf das Argument, dass eine Satire doch gewisse Stilmittel beinhalte, antwortete er, dass es in diesem Fall halt eine misslungene Satire sei. Und beim Satireschreiben untalentiert zu sein, ist ja nicht verboten.


Skeptiker
7.1.2014 22:47
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> Man darf beliebig lügen und desinformieren, sofern man dann, wenn man ertappt wird, schnell „Satire!” ruft. Aber das Thema hatten wir ja schon öfters.

Hadmut, du fällst da in so’n Stammtischargumentationsschema, dass man alles “darf”, was nicht verboten ist **und** bei Zuwiderhandlung auch tatsächlich bestraft wird. Wie wenn einer über eine rote Ampel fährt und von seinem Hintermann(!) deshalb angeblinkt und angehupt wird: “Wieso darf der das und ich nicht?”

Wenn sich einer in ein Parkverbot stellt, steht gleich danach die ganze Straßenseite voll Autos. Irgendwann sind alle wieder weg, und der letzte, dessen Karre da noch steht, kriegt ein Knöllchen und tobt!! “Warum dürfen die das und ich nicht?”

Die dürfen das nicht! Die Frage ist, ob man wirklich jeden Scheiß reglementieren und sanktionieren muss, zumal wenn dabei Rechtsgüter wie Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden.

Was Du da kritisierst, wenn es mal so passiert (einen Text nachträglich zur “Satire”, ein großes Wort übrigens, zu erklären), ist in der Tat schlechter Stil. Was willst Du tun? Verbieten? Alle Artikel vor Veröffentlichung zur humorrechtlichen Genehmigung eingereicht wissen?

Es ist aber (auch nicht zum ersten Mal gesagt) ebenfalls schlechter Stil, einem Autor, dessen als solche intendierte, aber nicht als solche gekennzeichnete Satire man nicht gleich verstanden hat, vorzuwerfen, er habe sie erst hinterher dazu erklärt.

Wir haben hier eh schon genug Regulierung und Verbote, und dass Freiheiten auch missbraucht werden, ist eine Binsenweisheit. Da muss man jetzt nicht noch auf jeden Witz ein “Achtung, Witz!” Schild draufkleben.

Herrschaftszeiten!!


Hadmut
7.1.2014 22:50
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> Die Frage ist, ob man wirklich jeden Scheiß reglementieren und sanktionieren muss,

Hab ich doch gar nicht erwartet oder verlangt. Aber man muss den Scheiß manchmal kritisieren. Und es muss ja auch nicht immer der Gesetzgeber einschreiten, man könnt ja manchmal auch einfach eine gesellschaftliche Aufmerksamkeit schaffen, um nicht mehr automatisch alles gut zu finden, was als „Satire” gelabelt wird. Es gibt auch noch was anderes als einen Gesetzgeber. Manchmal reicht es zu sagen, dass etwas blöd ist.


Hanz Moser
7.1.2014 23:10
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Das Problem ist hier, dass das keine Satire deutscher Medien war/ist. Soweit ich das bisher zurueckverfolgt habe, hat die Meldung wohl ihren Ursprung in einem Teil des Auslands, der nicht mal unser Alphabet verwendet.

Ob das im Original als Satire gemeint und erkennbar ist kann ich nicht sagen, es koennte aber durchaus sein. Letzten Endes hat die Meldung nach mindestens einer Uebersetzung und vermutlich mehreren Zwischenstationen den Weg in irgend ein deutsches Medium gefunden, was sie dann nachgeplappert hat und als Zitatquelle fuer andere deutsche Medien diente.
Das Problem ist hier nicht die Frage, ob das Satire ist oder nicht, sondern die voellig hirnbefreite und verantwortungslose Arbeitspraxis unserer Presse. Da werden keine Quellen geprueft, da wird nicht nachgefragt wo es herkommt, wenn die Meldung selbst genug Koepfe dreht wird einfach veroeffentlicht. Der journalistische Anspruch Meldungen zu verifizieren und auf Plausibilitaet zu pruefen besteht schlicht nicht mehr.
Insofern koennte die die Bezeichnung des Originals als Satire auch nur der Versuch von ein paar Journalisten sein, weniger dumm dafuer dazustehen, irgend einen Dreck als Nachricht publiziert zu haben, den jemand sonstwo aufgeschnappt hat.

Nochmal: Das Kernproblem ist, dass Zeitungen heute jeden noch so dubiosen Dreck abdrucken. Warum die Meldung nicht stimmt spielt dabei eigentlich keine Rolle.


Bücherwurm
7.1.2014 23:32
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@Skeptiker
>… Satire man nicht gleich verstanden hat, vorzuwerfen, …

Genau, bei dem, was in “Mein Kampf” so steht, haben die meisten natürlich sofort erkannt, dass das Satire ist. Und da die Lage schon so schlecht war, wollte die Bevölkerung dann halt einfach mal einen Commedian zur besseren Unterhaltung an der Macht wissen.


Svenska
8.1.2014 1:07
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@Skeptiker: Es geht eher darum, dass man nicht nachträglich jede Falschinformation als “Satire” deklarieren soll, sondern dass Lügen einfach nicht akzeptabel ist.

Da sollte man nachher wenigstens eine Entschuldigung rausdrücken und sich schämen, statt laut “haha ihr habt’s mir geglaubt, was seid ihr alle blöd” schreiend im Kreis zu springen.


Jonas
8.1.2014 1:08
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Ich muss gestehen ich kann die Aufregung nicht so ganz verstehen..
Laut dem verlinkten Artikel erschien die Meldung zuerst (und als einzige Quelle) in dem “Twitter” Account von einem bekannten Satiriker. Die einzigen, die daraus eine echte Nachricht gemacht haben waren die, die es kritiklos gebracht haben (eben diese erwähnte Zeitung). D.h. der Satiriker selber kann noch nichtmal wirklich was dafür (wenn hierzulande ein Hallervorden/Schramm so etwas sagt würde es höchstens heißen “schlechter Stil”/”unpassender Kommenter” aber niemand würde das für bahre Münze nehmen).
Von daher finde ich die Kritik sollte sich eher gegen besagte Zeitung richten, da die es offensichtich nicht geschafft haben ihre Quelle zu prüfen und als Satire zu erkennen/zu markieren.

Oder es war alles wieder mal nur ein Übersetzungsproblem…

so far..


Gerd
8.1.2014 3:13
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Schaut euch erst mal diesen Film an, und dann erklärt ihr mir, was da jetzt “Satire” ist:

http://youtu.be/ktAsAAl_soU

Vielleicht war die Ursprungsmeldung ein Fake. Aber solche Dinge passieren im Land der grossen Führer. Wie die Hinrichtung nun stattfand, ist weiterhin völlig ungeklärt.


Martin
8.1.2014 9:46
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Und die Behauptung, das es eine Satire gewesen sei, erscheint in der “Stimme Rußlands”…. klar, die ist ja auch völlig ideologiefrei und total glaubwürdig.


Natürlich darf auch der SATIRE! schreien, der durch den Dreck gezogen wurde. Den hört nur keiner.

Außerdem ist es völlig gleich, wie der Staat mordet. Das Problem ist, daß er mordet und daß die Mörder ungeschoren bleiben.

“Mein Kampf” Satire? Siehe Sig!

Carsten

“Jeden Morgen begibt sich der Herr Volksvertreter in das Hohe Haus, und wenn schon nicht ganz hinein, so doch wenigstens bis in den Vorraum, in dem die Anwesenheitslisten aufliegen. Im angreifenden Dienste für das Volk trägt er dort seinen Namen ein und nimmt als wohlverdienten Lohn eine kleine Entschädigung für diese fortgesetzten zermürbenden Anstrengungen entgegen.”
Adolf Hitler, Mein Kampf
“EU-Parlament: Offenbar massiver Tagegeld-Betrug”
http://www.rp-online.de/politik/ausland/eu-parlament-offenbar-massiver-tagegeld-betrug-1.2279768


Martin
8.1.2014 13:31
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Mal kurz zusammengefaßt: Die Meldung über das Zerfleischen erschien in der chinesischen Zeitung “Wen Wei Po”. Aus der englischen Wikipedia:
“Wen Wei Po is regarded as a newspaper that supports the Communist Party of China and the People’s Republic of China government. Consequently, the reports are mainly on the “brighter” and the more positive side of China.”

Also ein Blatt das der Partei und ihrer Führung, d.h. dem chinesischen Staat nahesteht. Das ein derart harscher Brocken von Artikel als Satire in einer staatsnahen Zeitung erscheint, halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Ist aber möglich.

Aber grundsätzlich: Wenn ich das richtig sehe, dann stammt die Behauptung, es sei ein Fake, aus der “Stimme Rußlands”. Für Rußland ist Chinas Aufstieg natürlich auch eine politische, militärische und wirtschaftliche Gefahr. Entsprechend werden aktuell Verbindungen zu Kontrahenten Chinas gesucht (wie z.B. Japan) und sicher auch versucht das Verhältnis zu “Verbündeten” Chinas zu verbessern, bzw. diese in Richtung Rußlands zu bewegen.

In diesem Kontext würde ich erstmal die Meldung in der Stimme Rußlands sehen.


Skeptiker
8.1.2014 21:51
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@Hadmut
> Aber man muss den Scheiß manchmal kritisieren
Zustimmung, nichts gegen Stilkritik! Man *muss* das nicht gut finden. Es ist aber andererseits auch ziemlich wurscht, was über diese Kims in Nordkorea so (ab-)geschrieben wird. Muss man nicht aufgreifen.

Ich fands aber amüsant, wie Du Dir in dem vorigen Post quasi ingenieurmäßige Gedanken darüber gemacht hast, wie man eine Hinrichtung durch 120 Hunde ins Werk setzen könnte 🙂

Ich selbst habe mir im Lauf der Jahre angewöhnt, mich beim Medienkonsum laufend zu fragen, ob das was da steht, scrollt oder flimmert für mich überhaupt konkret bedeutsam ist (meist nicht) oder wenigstens lehrreich, interessant oder unterhaltsam (meist nicht). Diese Haltung ist schon deshalb empfehlenswert, wenn man über Themen und Vorgänge liest, mit denen man selbst vertraut ist und schaudern muss, was die daraus machen. Selbst das, was Journalisten mindestens können sollten, können sie immer weniger: Deutsch.

Also immer alles cum grano salis. Ich gestehe aber zu, dass jemand, der publizistisch tätig ist, sich das nicht immer so leicht machen kann.

@Svenska
> Da sollte man nachher wenigstens eine Entschuldigung rausdrücken
In dem “Fall” Danisch vs Michael Klein, auf den Hadmut im Nebensatz womöglich anspielt, habe ich mich hier auch genau so geäußert. Der hätte wenigstens zerknirscht tun können, statt sich über einen, wie man vorher hätte denken können, Verbündeten auch noch öffentlich lustig zu machen. Da lagen die Dinge aber anders als hier.

@Bücherwurm
Danke für den Godwin. War lange nicht hier der Typ. Meine Gegenfrage wäre, ob eine Meldung auf Seite 6 in der Dinkelsbühler Dinkeldepesche für Dich die gleiche Relevanz hat und die gleichen Beurteilungskriterien verdient wie wie “Mein Kampf”?


Francis Schmit
9.1.2014 11:52
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Bücherwurm
11.1.2014 6:19
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@Godwin
Danke für den Reflex. Leider schaust Du nicht mehr auf den Inhalt. Hadmut hat oft genug dargetan, dass Satire dazu mißbraucht wird, um schockierende Änderungen schonend salonfähig zu machen. Taktik: zunächst etwas halb-schockierendes fordernd in den Raum werfen. Falls sich niemand meldet, mit den etwas härteren Forderungen nachlegen. Falls es doch heftige Kritik gibt, kommt ein “Satire! Satire!”. Irgendwann werden dann alle Forderungen akzeptiert, weil man ja Angst hat, eine Satire nicht erkannt zu haben; sprich, der Widerstand gegen solche Kräfte zerbröckelt.


Skeptiker
11.1.2014 22:08
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Ach Bücherwurm, mein Nickname ist nicht Godwin.
> Danke für den Reflex. Leider schaust Du nicht mehr auf den Inhalt
Aöso das gebe ich doch gern zurück, denn was Du da kritisiert hast (nachträglich etwas zur Satire erklären), hatte ich zuvor schon als schlechten Stil bezeichnet.

Es bleibt aber ein zulässiges Stilmittel, über eine Satire (oder eine Parodie etc.) nicht “Satire” (oder “Parodie” etc.) drüberzuschreiben.