Ansichten eines Informatikers

Die Berliner Humboldt-Universität und das Gehirn

Hadmut
31.7.2012 11:58

Ist die Humboldt-Universität unfähig, ihre eigenen Studiengänge zu überprüfen?

Ich hatte vor etwas mehr als einer Woche auf den ersten Teil der Sendung „Die Macht des Unbewussten” hingewiesen, es kamen aber nur negative Kommentare. Zugegegeben, Präsentation und Darreichungsform der Sendung sind fragwürdig, das sieht nach Billigproduktion aus. Trotzdem habe ich gestern abend im zweiten Teil ein paar interessante Aussagen gefunden, die auch frühere Blog-Artikel von mir (z. B. der, der und der).

  • In unseren „Entscheidungen” läuft sehr viel mehr unterbewusst ab, als wir glauben. Weil es anders nicht funktionieren würde. Das Gehirn kann unterbewusste Handlungen und Entscheidungen sehr viel schneller, effektiver und energetisch „billiger” ausführen als bewusste. Der Mensch hat kein „modernes Gehirn”, sondern einen Stapel verschiedener Gehirnschichten, die wir im Lauf der Evolution erworben haben, und dementsprechend gemischt ist auch unsere Verhaltensweise.
  • Ein Teil der unterbewussten, automatisierten Handlungs- und Entscheidungsweisen ist erlernt und antrainiert, ein anderer Teil ist angeboren.
  • „Expertenwissen” ist, sein Wissen so im Gehirn angeordnet zu haben, dass es auch für unbewusste Handlungen und Entscheidungen zur Verfügung steht. Der inflationär gebrauchte Medienbegriff des „Experten” (In jeder Partei gibt es einen für ein Thema Zuständigen, der der „X-Experte”, z. B. der „Internet-Experte”, der Partei ist, egal wie laienhaft er sich bewegt.) trifft es nicht.
  • „Vorurteile” sind notwendig, damit wir überhaupt funktionieren können. Wir können die Zeit nicht anhalten um in Ruhe prüfen und nachdenken zu können, sondern müssen schnell (auch auf Konkurrenz- und Gefahrensituationen) reagieren. Das Gehirn ist gebaut, um mit Vorurteilen zu arbeiten, und ohne sie gäbe es uns nicht. Eigentlich ist der Begriff meines Erachtens falsch, man müsste eher „Schnellurteile” sagen. Es ist gerade so in Mode gekommen, jede beliebige unpassende Meinung als „Vorurteil” zu entwerten, was aber die Tatsache misachtet, dass das Gehirn so funktioniert und wir evolutionär so gebaut sind. Nur mit Hilfe dieser „Vorurteilsmaschine” im Kopf sind wir überhaupt lebensfähig.

Interessant fand ich dazu das Beispiel der Kampfpiloten, die Fehler machen. Wir haben eine Öffentlichkeit, die sich gerne über die „Inkompetenz” aufregt, wenn ein Kampfpilot einen Fehler macht. Ob das menschliche Gehirn aber überhaupt in der Lage ist, die Aufgabe fehlerfrei zu erfüllen, und der Fehler für den Piloten vermeidbar war, wird nicht gefragt.

Allan Snyder vom Centre of the Mind in Sydney wurde damit zitiert:

Kreativität ist ein Akt der Rebellion. Sie müssen durch und durch subversiv sein, um die Regeln zu brechen und gegen Konventionen anzugehen. Oder: Schon per Definition. Wenn alle akzeptieren, was Sie machen, sind Sie sicher kein Vorreiter, sondern verfolgen alte Strickmuster. Wenn alle einverstanden sind, was ich als Wissenschaftler mache, dann könnte ich meine Zeit besser am Strand verbringen.

Was ich einerseits für richtig halte, denn nichts ist geisttötender, als der extrem hohe Konventionsdruck, denn unsere Wissenschaften, aber auch unsere Gesellschaft mit ihrer „political correctness” aufgebaut haben. Politik, Gesellschaft, Blogosphäre sind längst davon überzeugt, dass nur das richtig sein kann, dem alle zustimmen und woran sich keiner mehr stört. Dass man nur noch das schreiben darf, wovon sich niemand mehr belästigt fühlt, was der öffentlich eingeprügelten Einheitsmeinung entspricht. Aber ein Blog-Artikel, an dem sich niemand stört, muss zu politischen oder wissenschaftlichen Themen nicht mehr geschrieben werden. Sowas eignet sich für Kochrezepte oder technische Anleitungen.

Gefährlich sind solche Aussagen aber deshalb, weil zu viele Leute den (unzulässigen) Umkehrschluss ziehen (also aus der Implikation denkfehlerhaft eine Identität machen) und umgekehrt glauben, dass es schon genügt, subversiv zu sein und Dinge zu machen, die andere stören, um Wissenschaft zu betreiben. Der Gender-Feminismus ist gerade ein aktuelles Beispiel für diesen Denkfehler. Kreativität ist weit mehr als nur gegen Regeln zu verstoßen. Auch der Dumme und der Kriminelle verstoßen gegen Regeln, sind deshalb aber noch lange nicht kreativ.

Interessant fand ich auch die Aussage der New Yorker Forscherin Helen Fisher, die über 28.000 Leute befragt hat und behauptet, dass es vier Grundtypen von Gehirnen gibt, die vom Hormonlevel abhängen:

  • Dopamin-gesteuerte „Entdecker”
  • Serotonin-gesteuerte „Nestbauer”
  • Testosteron-gesteuerte „Entscheider”
  • Östrogen-gesteuerte „Verhandler”

und dass die ersten beiden sich jeweils in Leute desselben Typs „verlieben” würden, während sich die letzten beiden jeweils über Kreuz in den jeweils anderen Typ „verlieben” würden. Sogar die Gesichtszüge würden verraten, welchen Hormonlevel Leute hätten. (Was übrigens durchaus bestätigen würde, dass die „Vorurteile”, die für eine Einschätzung einer Person nach dem Äußeren innerhalb von Sekundenbruchteilen sorgen, gar nicht so falsch liegen, jedenfalls in archaischen Maßstäben gemessen.)

Bemerkenswert aber vor allem deshalb, weil „Entscheider” vom männlichen Sexualhormon und „Verhandler” vom weiblichen Sexualhormon gesteuert werden, und damit das Gender-Postulat als ziemlicher Quatsch überführt wäre. Beachtlich auch, dass echte Forscher demnach („Entdecker”) vom Glückshormon Dopamin beeinflusst würden, also weder zu den Testosteron-, noch zu den Östrogen-Typen gehörten, und genau das eine Erklärung dafür liefern könnte, warum sich (siehe Buch) so viele Gender-Feministinnen darüber beklagen, dass ihre überbordende Sexualität in der Wissenschaft nicht so begrüßt wird. Weil in der Wissenschaft andere Dinge im Vordergrund stünden und damit auch der Vorwurf widerlegt wäre, dass Wissenschaft frauendiskriminierend wäre. Denn nach Fishers Sichtweise wären wir keine binäre, sondern eine quaternäre Gesellschaft, in der die typisch männlichen und typisch weiblichen Typen nur zwei der vier Typen einnehmen und typische Wissenschaftler ein anderer Typ wäre, also eben nicht spezifisch frauenfeindlich.

Wenn stimmt, was Fisher behauptet, gehörte die gesamte Feminismus-Gender-Theorie in den Müll (wo ich sie ohnehin einordnen würde). Denn die Hormonlevel sind ja durchaus genetisch vorgegeben. Fraglich ist natürlich, ob man den Hormonlevel allein durch Befragen verifizieren kann. Ich würde es daher noch nicht als direkt bewiesen und wahr ansehen, aber als sehr interessant und nachprüfenswert, denn 28.000 Befragte ist ja zumindest mal kein schlechter Anfang, und es wäre zumindest mal plausibel, gedanklich nachvollziehbar und nicht so frei erfunden wie die Gender-Theorie.

Was mich aber überrascht hat: Sie haben auch über einen Hirnforscher der Humboldt-Universität berichtet, John-Dylan Haynes.

Und trotzdem bietet dieselbe Humboldt-Unversität „Gender Studies” an, in denen ohne jegliche Grundlage und Nachprüfung feministische Dogmen als Studiengang verbreitet werden. Ich habe schon überlegt, ob man sie deshalb in „Humbug-Universität” umtaufen müsste.

Wenn doch die Feministinnen dort behaupten, „interdisziplinär” zu sein, warum gehen sie dann nicht mal zu den Hirnforschern, wenn sie doch welche haben, und lassen sich mal überprüfen, ob ihre Thesen stimmen?

Angst davor, dass das alles zusammenfallen könnte?

7 Kommentare (RSS-Feed)

anonym
31.7.2012 16:33
Kommentarlink

“Kreativität ist weit mehr als nur gegen Regeln zu verstoßen.”

-> “Don’t have good ideas if you aren’t willing to be responsible for them.” (Epigrams on Programming, Nr. 95)


War doch recht interessant, die Sendung. Danke für den Tip! Die ganze Entwicklung der Erkenntnisse in diesem Bereich gefällt mir, weil sie zu meiner Sicht paßt.

“und dementsprechend gemischt ist auch unsere Verhaltensweise”
Den Satz muß ich anmeckern. Gemischt soll hoffentlich nicht bedeuten, durcheinander. Es sind strenge Hierarchien. Zuerst haben sich die wichtigsten Funktionen herausgebildet und die sind entsprechend hart verdrahtet. Die Evolution folgt strengen Regeln, die leider noch nicht erkannt sind. Die Biologie tut nichts, sie zählt Beinchen und Flügelchen, die Philosophie ist unfähig, zu erkennen, daß das Verständnis der Evolution die einzige erfolgversprechende Möglichkeit ist, die Welt zu verstehen, die Kybernetik berechnet nur noch Regelkreise… Es ist ein Jammer! Wir brauchen eine neue Wissenschaft dafür! Ansatzweise habe ich das mal versucht:
_ttp://thumulla.com/Darwin_und_was_dann.html
_ttp://thumulla.com/KdS_info.html
_ttp://thumulla.com/Darwin_and_whats_next_EN.html
_ttp://thumulla.com/Evolution/Evolution.html
Gesellschaftstheorien aufstellen zu wollen, ohne diese Fragen vorher geklärt zu haben, kann nur schiefgehen.

Vorurteile sind Sollwerte, die schnell zur Verfügung stehen und die durch bewußte Entscheidungen überschrieben werden können, wenn man kann. Es sind sehr alte Erfahrungen wie Hunger, Angst…
Stabilität geht immer vor.

“Kreativität ist weit mehr als nur gegen Regeln zu verstoßen. Auch der Dumme und der Kriminelle verstoßen gegen Regeln, sind deshalb aber noch lange nicht kreativ.”
Eben! Wissen über die Istzustand ist die Voraussetzung für konstruktive Kreativität. Man muß also Wissen haben, Übersicht über die Lage und Mut und Durchsetzungsvermögen gegen den Konformitätsdruck der Systemlemminge. Reine Vertrollung ist auch noch kene Kreativität, siehe Klamaukkunst wie Fettecke oder dreckige Badewanne.

Carsten

pc Amerikanische Ureinwohner
http://www.nichtlustig.de/toondb/020114.html


tane
31.7.2012 19:29
Kommentarlink

Uebrigens ist es hilfreich sich des Unterschied von unter- und unbewusst bewusst zu sein.

Aus Wikipedia: “Alltagssprachlich wird es oft als Unterbewusstsein bezeichnet (von englisch subconscious ‚unbewusst‘).”, was vollkommener Schwachsinn ist, denn subconscious heißt sicherlich nicht das, was unconscious meint.


Hadron
31.7.2012 23:08
Kommentarlink

Vorurteile – im Sinne von “Schnellurteile” – sind nicht nur erforderlich, um schnell reagieren zu können, sie sind laut Spitzer sogar mathematisch-statistisch und somit formal und wertfrei begründbar: Die Vorhersagegenauigkeit nimmt langsamer zu als die Stichprobengröße. Mit den ersten paar Erfahrungen, die ich mache, bin ich schon nahe am Ziel, weitere Erfahrungen verfeinern das Ergebnis, revoltieren es aber nicht mehr.

“Für jeden Organismus bringen die ersten 25 Erfahrungen eines bestimmten Sachverhaltes den gleichen Erkenntnisfortschritt wie die nächsten 75 Erfahrungen, wenn man von 100 hinsichtlich eines bestimmten Sachverhalts zu machenden Erfahrungen ausgeht. Nach den ersten 25 Stichproben werde ich schon nahe am wahren Wert sein, erst die nächsten 75 bringen mich doppelt so genau heran.” (Sinngemäß nach M. Spitzer, “Lernen”, 2007)


Stefan W.
1.8.2012 3:28
Kommentarlink

Man muß also Wissen haben, Übersicht über die Lage (…) siehe Klamaukkunst wie Fettecke (…)

Siehe Trolle im Fettnäpfchen und deren Wissen über die moderne Kunst.


Schöler Stefan W,
erkläären Se der Klasse mal moderne Konst, möglichst unter besonderer Beröcksichtigung der höheren Lehranstalten!

Carsten

ich gestehe
http://gegen-den-strich.com/209.html


Peter Schaff
4.8.2012 19:24
Kommentarlink

“Sogar die Gesichtszüge würden verraten, welchen Hormonlevel Leute hätten.” Gesichtszüge oder Mimik ? Wobei sich z.B. die Fähigkeit zum Humor sicherlich irgendwann auch in Lachfalten zeigt.