Ansichten eines Informatikers

Google-Street View-Theater

Hadmut
13.8.2010 22:15

Einer der ganz wenigen Zeitungsartikel über die Google Street View-Debatte, die ich für gut halte, ist in der ZEIT erschienen. Trifft den Nagel auf den Kopf.

Ich wußte allerdings noch nicht, daß angeblich gerade die Deutschen es sind, die am meisten Street View benutzen. Und ich dachte immer, die Amerikaner seien führend in Doppelmoral.

Aber im Ernst: Ich benutze Google Maps und Google Street View gerne und häufig. Sehr gerne, ziemlich häufig.

Weil ich gerne reise, und weil ich gerne Reisen plane. Weil mir das einfach großen Spaß macht. Und weil ich Google Maps und Google Street View als große Bereicherung der Internet-Dienste ansehe, weil ich das gut finde.

Die Argumente, die gerade gegen Street View in den Ring geworfen werden, wie Wohnzimmer ausspionieren, Raubzüge planen, Bomben legen, halte ich für albern und dämlich. Dafür sind die Bilder nicht detailliert genug. Und selbst wenn: Man darf doch sowieso fotografieren. Google Maps zeigt doch auch jede Menge Bilder, die andere Leute mit Ortsangaben in die verschiedenen Bild-Datenbanken einstellen. Stört auch keinen.

Und wenn sich Leute, wie Fefe bemerkte, Leute in einer Zeitung Gesicht vor ihrem Haus fotografieren und ins Internet stellen lassen, und noch dazu – wie bisher weder Fefe noch die anderen zitierenden Medien bemerkten – nicht nur mit Namen (also google-suchfähig) in der Öffentlichkeit auftreten, sondern – wenn man genau hinschaut – mit ihrem Haus gar nicht an einer Straße, sondern nur an einem Fußweg wohnen. Und wenn man im Telefonbuch nach den Namen (Ludwig Hillesheim oder Erich Jeschkowski in Wersten) sucht, dann findet man heraus, daß die in Düsseldorf im Medelweg 43 bzw. 47 wohnen, was aus der Satellitensicht ziemlich gut mit dem Foto in der Zeitung übereinstimmt. Da wäre Google aber gar nicht vorbeigefahren, denn die fahren nur auf Straßen und nicht auf Fußwegen.

Die machen sich (und eigentlich ganz Deutschland) mit ihrem Zeitungsartikel nicht nur lächerlich, sondern beschweren sich über etwas, was sie nicht betroffen hätte. Das ist nicht einfach nur blöd. Da blamieren sich die Deutschen gerade international.

Manchmal habe ich so richtig den Eindruck, daß die Politik und die Presse sich der Manipulierbarkeit der Massen hemmungslos bedienen und die Massen sich dem hingeben. Meistens ist das ein Ablenkungsmanöver und im Hintergrund läuft irgendwas anderes.

Wollen wir mal hoffen, daß Google mit uns nachsichtig und nicht konsequent ist und den Zugang zum weltweiten Street View aus Deutschland sperrt.

6 Kommentare (RSS-Feed)

Jim
14.8.2010 4:13
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Wer wüde einen Nutzen davontragen, wenn Google Street View keine Bilder mehr Sammeln dürfte?

Wer trägt einen Nutzen von der aktuellen ablenkenden Debatte?


Jim
14.8.2010 4:20
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Zum Thema Meinungsmache:

Via Fefe:
“Politik sollte man besser den echten studierten Profis mit langer Parteierfahrung überlassen und nicht Hinz und Kunz die ohne Sinn und Verstand einfach irgendwas abstimmen. Genau deshalb wähle ich auch die CDU, denn dort werden alle Entscheidungen von einer Kompetenten Parteispitze getroffen die sich nicht von den Populistischen wünschen der Mehrheitsbevölkerung unter Druck setzen lässt.”

http://www.piratenpartei.de/node/1178/46500#comment-46500

Was hältst du von dem Populismus-Argument?


Hadmut
14.8.2010 10:59
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@Jim: Gute Fragen. Ich glaube aber nicht, daß unsere derzeitige Politik so rational wäre. Würde man diese Fragen jedesmal stellen und beantworten müssen, würde vieles anders ablaufen.

Wer einen Nutzen davon hat, wenn Google Street View keine Bilder mehr sammeln darf? Ist a priori nicht zu beantworten, Du weißt erst, wer den Nachteil hat, wenn die Bilder gemacht sind. Ob Street View aber insgesamt einen gesellschaftlichen Nutzen hat, wird ausgeblendet. Deshalb gehen mir diese Datenschutzdebatten inzwischen ziemlich auf den Wecker, weil es nicht mehr um Datenschutz und Güterabwägung geht, sondern zunehmend um Ideologie und einseitige Sichtweisen. Das hat bei vielen Leuten inzwischen die Religions-Nische im Hirn besetzt. (Weshalb ich auch so unzufrieden damit bin, wie sich generell die politische Debatte in Richtung gewisser Meinungsmonopolisten bewegt.)

Datenschutz war bisher meist auf den Konflikt zwischen Persönlichkeitsrechten und einzelnen isolierten gewerblichen Industrieinteressen ausgelegt, wobei das Interesse der Öffentlichkeit praktisch immer mit den Persönlichkeitsrechten assoziiert wurde.

Bei Street View sehe ich das aber anders. Da sehe ich jetzt nicht unmittelbar, wie Google die Daten zum eigenen Vorteil mißbrauchen würde. Sie festigen generell ihre Position als Diensteanbieter und Werbeplattform, aber hier verwerten sie (jetzt mal auf Fotos und nicht auf die WLAN-Sache bezogen) nur Daten, die ohnehin öffentlich zugänglich sind. Meines Erachtens aber hat die Öffentlichkeit einen konkreten Nutzen davon, und das wird hier völlig mißachtet.

Ich glaube, daß viele Datenschützer (und mehr noch die, die sich als solche aufspielen oder das als Masche nehmen) in ihrer Mentalität und Geisteshaltung noch in den Neunziger Jahren feststecken. Seitdem hat sich vieles verändert. Aber den Datenschutz hat man nicht angepasst oder modernisiert.

Bezüglich dieses Piraten-CDU-Kommentars:

Schwierige Sache. Ich kenne die Piraten zu wenig. Ich habe sie zwar bei der letzten Bundestagswahl gewählt (im wesentlichen weil’s da mehr Informatiker gibt als anderswo und ich einfach nicht mehr weiß, welche Partei man in Deutschland – wenigstens als geringstes Übel – überhaupt noch wählen könnte). Schon nach einem sehr kurzen Besuch in deren Diskussionsforen habe ich mich aber mit Grausen abgewendet.

Dieser zitierte Kommentar wirkt auf mich sehr unglaubwürdig und in seiner Wortwahl parteipolitisch ausgestanzt. Ich habe den Verdacht, daß das kein echter Kommentar ist, sondern da mit Meinungsagenturen gearbeitet wird, die in Blogs und Foren durch Kommentare die Meinungen verschieben sollen. Vielleicht war es auch einfach nur ein Spinner, als langjähriger CDU-Wähler (wie er sich selbst bezeichnet) so eingeengt, daß er nichts anderes mehr wahrnimmt oder wahrnehmen will. Religions-Nische eben.

Man kann die Meinung vertreten, daß man Politik studierten Profis überlassen soll (ich sage damit nicht, daß sie richtig ist, sondern daß sie vertretbar ist). Nur sind für mich unsere Politiker (auch nicht der CDU) keine „studierten Profis”. Es zeigt sich immer mehr, daß Leute, die was drauf haben, nicht in die unmittelbare Politik gehen. In der Politik aktiv sind überwiegend die, die beruflich nichts zu verlieren haben, Lehrer, Pfarrer usw.

Und was mir an dem Tonfall auch nicht gefällt ist, daß da diese CDU-Politik der Zweiklassengesellschaft aus Führungselite und unterem Dummvolk sehr deutlich herausspricht (vgl. auch meine Kritik zur Dissertation von Kristina Köhler/Schröder). Das Volk hat dumm zu bleiben und zu arbeiten, während eine Führungselite sich bereichert und die Entscheidungen trifft. Das ist CDU-Politik, und das sagt der da auch. Und solchen Leuten paßt sowas wie Liquid Feedback oder Democracy natürlich überhaupt nicht in den Kram. Siehe deren Internet-Politik. Das Volk hat auf Empfang für die politischen Mitteilungen zu gehen und ansonsten die Klappe zu halten. (Siehe beispielsweise die Äußerungen von Angela Merkel oder deren Verständnis vom Internet als reines Broadcast-Medium)

Dummerweise ist da aber auch was wahres dran. Das Volk in seiner Breite ist nunmal nicht kompetent. Da laufen einfach 10-20 Prozent Idioten, Trolle, Störer, Chaoten, Dummvolk rum, mit denen nichts vernünftiges anzufangen ist. Spam- und Trollbekämpfung ist ein richtig schwieriges Fachgebiet. Und noch schwieriger ist die Bekämpfung systematischer Angriffe, insbesondere auf Meinungsmedien, zu denen auch Blogs, Foren usw. gehören. Und genau da scheint mir die Gefahr von Liquid Feedback & Co. zu liegen. So schön es auch sein mag, wenn der kleine Bürger, das unbedeutende Würstchen nun auch mal zur Politik und Meinungsbildung beitragen darf, werden da völlig einseitig nur die Vorteile gesehen, aber die Gefahren ausgeblendet. Hatten wir nicht gerade die Diskussion über elektronische Wahlen, die von den meisten Bürgerrechtlern usw. abgelehnt wurden? Und jetzt kommen die mit genau sowas daher, verstecken es hinter einem schicken Namen.

Ich muß als Informatiker leider auch sagen, daß man sich vor Informatikern in Acht nehmen muß, die leichtfertig (oder gar ideologisch) alles, einfach alles irgendwo in die Computer-Internet-Sphäre verlagern. Ich habe als IT-Sicherheitsmensch da schon viel zu viel Mist und gefährliches Zeugs erlebt, als daß ich sowas noch allgemein gutheißen könnte. Da sind zu viele Nerds, Spinner und Technologie-Gläubige unterwegs.

Deshalb sehe ich sowas wie Liquid Feedback (von dem ich immer noch nicht so ganz begriffen habe, was es sein soll. Aber das ist heute eine nicht mehr akzeptierte Frage, weil man einfach mal drauflos macht und dann guckt, wo es hinläuft…) kritisch. Da habe ich einfach den Eindruck, daß die Leute die Gefahren und die Sicherheitsanforderungen nicht überblicken. Und man sich nicht vorher Gedanken macht, was es werden soll (was mir unprofessionell vorkommt).

So dämlich und unglaubwürdig mir dieser Kommentar eines CDU-Wählers auch vorkommt, so ganz falsch ist er nicht.


Ja, das ist mal wieder ein Beispiel für ‘typisch Michel’. Man kann nicht so doof denken, wie es kommt. Ich denke, die wollten nur mal in die Zeitung, wenn Google bei ihnen schon nicht vorbeifährt.

Ein Googlefahrrad gibts übrigens auch schon.

Du vergißt, daß “die Terroristen” ihren Anschlag auf das WTC auch mit dem Flugsimulator, sogar Microsoft, trainierten. Danach wurden tatsächlich Forderungen von Politikern laut, man solle den so umprogrammieren, daß man nicht mehr in Häuser fliegen kann.

Wenn ein Konzern Daten sammelt können sie mißbraucht werden, wenn ein Staat Daten sammelt werden sie mißbraucht.

Carsten (mit FS mit WTC)

“Das Internet ist eben kein Rundfunk, wo eine Hand voll Sender senden und der Rest soll bitte schön empfangen dürfen.”
Felix von Leitner


Hadmut
14.8.2010 11:07
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@Carsten: Dein Argument ist zutreffend – aber deshalb noch nicht richtig.

So ziemlich alles, was wir erfinden, kann auch mißbraucht werden. Das fing schon beim Feuer und beim Faustkeil an. Mit der Denkweise, alles zu verbieten, was man mißbrauchen kann, würden wir heute noch im Fell von Baum zu Baum hüpfen. Fortschritt setzt immer ein Risiko voraus. Der Wunsch nach risikoloser Umgebung erwächst aus einer Situation der Überbehütung in Westeuropa. Wir haben verlernt, auch mal was zu riskieren oder in Kauf zu nehmen.


yasar
14.8.2010 17:02
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Zu der Frage “cui bono?”:

Ich vermute, daß sind nur Nebelkerzen, um von wichtigeren Problemen abzulenken.