Ansichten eines Informatikers

Schwarz-Gelb wie die Zähne eines Rauchers

Hadmut
6.7.2010 20:18

Böse Beobachtungen an Regierung und Opposition.

Heieiei, ist das eine Debatte geworden nach dem Bayerischen Volksentscheid für ein schärferes Nichtraucherschutzgesetz. Unglaublich, was es zu lesen gibt. Kein Argument ist zu dämlich, um auf den Volksentscheid zu schimpfen und es so hinzustellen, als habe eine Minderheit einer Mehrheit den Willen aufgezwungen. War es nicht so, daß bisher die Raucher den Nichtrauchern ihren Willen aufgezwungen haben?

Auffällig ist, daß sich SPD und Grüne jetzt über den Nichtraucherschutz freuen und ihn für ganz Deutschland fordern, während CDU und FDP dagegen sind (die CDU blockiert ja schon seit Jahren das Verbot von Zigarettenwerbung). In Bayern kam ja auch ans Licht, daß die Initiative gegen den Volksentscheid von der Zigarettenindustrie finanziert wurde.

Insofern stellen sich CDU und FDP wieder mal in das Licht, hochgradig korrupt zu sein und keine Politik für das Volk, sondern ihrer Parteispender zu machen. Gerade hören wir ja auch wieder, daß die Kosten für die Krankenversicherung erheblich ansteigen, während CDU, FDP und CSU alles tun, damit der Pharmaindustrie nur ja keine Gewinne entgehen. Noch nie konnte mir jemand plausibel erklären, warum ein und dasselbe Medikament in Deutschland so viel teuerer ist als im Ausland. Vermutlich weil in keinem modernen Land diese Form von korrupter Regierung vorliegt, bei der sich Parteispender ihre Gesetze kaufen können. Umso interessanter ist es, daß der Volksentscheid damit auch signalisiert hat, daß die Bürger die Nase voll von der Korruptionspolitik haben.

Man sollte jetzt allerdings nicht in den Irrglauben verfallen, daß bei Grünen und SPD irgendwas besser wäre, nur weil die jetzt für Nichtraucherschutz einstimmen. Vorher waren die nämlich ganz ruhig. Die sehen jetzt eine Mehrheit und reiten auf um sich bei Wählern als deren Vertreter hinzustellen. Würde eine Mehrheit dafür stimmen, Amseln blau zu lackieren und ihnen die Flügel auszureißen, würden die auch das politisch fordern.

Richtig dumm ist dann auch das von – besonders auch von CDU- und FDP-Politikern herangeführte – Argument der Raucherdiskriminierung. Schon die Verwendung des Begriffs zeigt, daß die Leute nicht nachdenken und nur auf Buzzwords anspringen. Diskriminierung ist schlecht, also kann man den Begriff verwenden, um alles Beliebige als schlecht zu kennzeichnen. Diskriminierung heißt, daß man einen Bevölkerungsteil ungerechtfertigt schlechter behandelt als andere. Ein Verbot des Rauchens richtet sich aber nicht gegen einen Bevölkerungsteil oder Personengruppe, sondern gegen ein bestimmtes Verhalten. Es ist ja nicht so, daß man Raucher nicht hineinließe, sondern daß man sie nicht rauchen läßt. Der Vorhalt der Diskriminierung ist also nicht nur falsch, sondern – je nachdem – dumm oder demagogisch. Und zeigt, von welchem Nivau unsere Politiker sind. Diskriminierend ist der alte Zustand, daß das Rauchen überall erlaubt ist, weil Raucher dann überall hinkönnen, während Nichtraucher bzw. Leute die damit Gesundheitsprobleme haben, nicht überall hinkönnen. Wenn allen das Rauchen verboten ist und alle sich gleich verhalten, dann ist die Diskriminierung gerade verhindert. Aber es wird gerne alles ins Gegenteil verkehrt.

Falsch und mißbräuchlich ist in diesem Zusammenhang auch, Raucher und Nichtraucher als unterschiedliche Bevölkerungsgruppen hinzustellen, als ob man Menschen unterschiedlichen Geschlechts oder unterschiedlicher Hautfarbe hätte, die man aufgrund ihrer Eigenschaft als Raucher ausgrenzt. Rauchen ist keine unabänderliche Eigenschaft eines Menschen, Rauchen ist schlechtes Benehmen und Drogenabhängigkeit. Schon deshalb sind Raucher nicht diskriminierungsfähig, weil der Begriff der Diskriminierung darauf gar nicht anwendbar ist. Aber man wirft ja so gerne mit bösen Worten.

Ich verstehe auch überhaupt nicht, was an Rauchen schützenswert sein soll, daß das immer als Genuß, als schön, als toll hingestellt wird. Rauchen stinkt, Rauchen ist eklig, Rauchen macht dreck und ist nichts anderes als die Abhängigkeit von billigen Chemikalien. Die Werbung hat uns das Bild von der Gemütlichkeit eingeimpft, von eleganten Leuten, geselligen Rauchern. Das ist ein Trugbild. Die Realität sind jämmerliche, stinkende Gestalten mit braunen Fingern und schwarzen Rändern an den Zähnen, die zitternd draußen im Regen stehen und sich ihre Fluppe reinziehen müssen, weil ein paar Chemikalien im Wert von Zehntel-Cent schon stärker als deren eigener Wille und deren Selbstachtung sind. Die nicht mehr in der Lage sind, sich zwei Stunden irgendwo hinzusetzen ohne zu rauchen. Ich verstehe nicht, was daran schützenswert sein soll und warum andere dafür auf ihre Freiheit und Gesundheit verzichten sollen.

Apropos Gemütlichkeit: Es wird immer wieder gesagt, daß Rauchen zur Gemütlichkeit dazugehörte, daß das ohne nicht geht. Wer schon so kaputt und runter ist, daß er vorher noch Drogen nehmen muß, um überhaupt noch Gemütlichkeit fühlen zu können, hat meines Erachtens ganz andere Probleme als ein Zigarettenverbot.

Einige haben auch schon Verfassungsbeschwerde angekündigt und meinen, auch aufgrund des Zitats eines Richters, daß der Staat ein solches Gesetz gar nicht erlassen dürfte.

Das ist ein interessanter Punkt, der einzig wirklich intellektuelle Punkt an der Sache. Denn hier hat nicht der Gesetzgeber entschieden. Hier hat das Volk, der Souverän entschieden. Laut Grundgesetz geht alle (!) Staatsgewalt vom Volke aus. Das Grundgesetz bindet nur die drei Staatsgewalten, aber nicht den Souverän selbst, denn der Souverän ist nicht Adressat des Grundgesetzes, sondern dessen Gesetzgeber. Daher halte ich es für unzulässig und unmöglich, dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Denn dieses Gesetz kam vom Volk und nicht vom Gesetzgeber, und das Volk unterliegt nicht dem Bundesverfassungsgericht und ist auch nicht an die Verfassung gebunden. Hehe.

18 Kommentare (RSS-Feed)

BlueLion
6.7.2010 20:53
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Letzteres halte ich für eine sehr gefährliche Argumentation. So gesehen dürfte auch das Volk für Todesstrafe, Angriffskriege, Verfolgung und Diskriminierung tatsächlicher Randgruppen und Minderheiten votieren, und sich als über der Verfassung stehend wähnen. Es gibt Artikel im Grundgesetz, die auch per Volksentscheid nicht zur Disposition gestellt werden dürfen …


Hadmut
6.7.2010 21:04
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Art. 1 sagt ausdrücklich, daß das Grundgesetz nur die drei Staatsgewalten, aber nicht das Volk bindet. Das Volk kann jederzeit das Grundgesetz, die Verfassung usw. abschaffen. Laut Verfassung hat zwar jeder das Recht zum bewaffneten Widerstand gegen jeden, der es unternimmt, die Verfassung abzuschaffen, aber das richtet sich gegen Minderheiten, verpflichtet nicht zum Widerstand und ist mit Abschaffung sowieso hinfällig.

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Macht, dem Volk Entscheidungen zu untersagen. Art. 20 GG: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Das Volk kann durchaus – wenn sich eine Mehrheit findet – die Todesstrafe wieder einführen und die Verfassung ändern oder abschaffen. Spätestens wenn eine Mehrheit von 100% dafür ist – wer sollte dann noch was dagegen unternehmen?


Jens
6.7.2010 22:10
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Du weißt doch genau, daß dein letzter Absatz albern ist und willst nur mal provozieren …


Hadmut
6.7.2010 22:16
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Nein, wieso? In einigen Blogs wurden bereits Verfassungsbeschwerden angekündigt. Und ich habe nur vorweggenommen, was das BVerfG meines Erachtens als ersten Schritt im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung betrachten müßte. Weil einige schon vorab jubilieren, daß das Gesetz verfassungswidrig wäre, weil ein Verfassungsrichter irgendwann mal irgendwo gesagt hat, daß der Staat das Rauchen gar nicht in allen Kneipen usw. verbieten dürfte. Es war aber nicht der Staat. Es war das Volk.

Man kann Verfassungsbeschwerden nicht gegen alles einlegen, was einem nicht gefällt. Man kann Verfassungsbeschwerde nur gegen Handlungen der Legislative, der Exekutive und der Judikative erheben. Und das Nichtraucherschutzgesetz in Bayern kommt nun von keinem dieser drei.


XL
6.7.2010 23:27
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“Das Volk” kann keine Gesetze schaffen oder abschaffen. Es gibt keine Entität “das Volk” in diesem Prozeß. Eine Regierung kann das tun und *kann* sich dabei durch einen Volksentscheid Feedback holen. Das Volk kann Handlungen der Regierung im Rahmen eines Volksentscheids bestätigen (oder ablehnen). Mehr nicht.


Hadmut
6.7.2010 23:41
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Stimmt nicht. In Bayern hat das Volk weder eine Regierungshandlung abgelehnt, noch ihr zugestimmt. Auf dem Stimmzettel war ein kompletter Gesetzestext abgedruckt und man konnte ankreuzen, ob der so in Kraft treten soll oder nicht. Die Regierung hat sich ja bewußt herausgehalten. Zwar stimmt der Text wohl mit dem früheren ersten, wieder abgeschafften Gesetz überein, mußte er aber nicht. Das heißt, es ging nicht um die Ablehnung des zweiten Gesetzes, sondern um die Durchsetzung eines neuen, eigenen Gesetzes durch Volksentscheid. Und das tritt auch erst am 1.8. in Kraft. Also weder Bestätigung noch Ablehnung. Eigenes Gesetz, vom Volk in Kraft gesetzt.


XL
7.7.2010 0:11
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Du schreibst es ja selbst: der Gesetzestext war vorgegeben, natürlich von der Regierung, von wem denn sonst? Und statt des Parlaments hat diesmal das Volk über die Annahme abgestimmt.

Also *macht* das Volk keine Gesetze. Und kann auch keine abschaffen. Es kann neu vorgeschlagene Gesetze bestätigen oder ablehnen. Ganz andere Baustelle.


Hadmut
7.7.2010 0:18
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Der war nicht vorgegeben, man hat ihn freiwillig übernommen. Hätte man aber nicht müssen, man hätte auch einen eigenen nehmen können.

Ich hab jetzt aber überhaupt keinen Bock, mich mit Dir über so ein Detail zu streiten. Bleib bei Deiner Meinung, es ist mir wurscht, ob Du mir das glaubst. Sei halt einfach der Meinung, daß es falsch ist, was ich schreibe. Aber bitte nicht dieses dämlich Ja-Nein-Doch-Niemals-Spiel.


XL
7.7.2010 0:40
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Falls “das Volk” doch ein eigenes Gesetz einbringen möchte – was ohnehin nur in wenigen Bundesländern geht, dann ist das der Weg:

http://de.wikipedia.org/wiki/Antrag_auf_ein_Volksbegehren

Zitat: “Grundsätzlich muss der Gegenstand des “Antrags” in die Zuständigkeit der entsprechenden Gebietskörperschaft fallen. So kann bspw. die im “Antrag” enthaltene Vorlage in einem Bundesland nicht auf die Änderung eines Bundesgesetzes abzielen. Zudem darf sie nicht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung des jeweiligen Bundeslandes widersprechen. Ein “Antrag” bspw. zur Einführung der Todesstrafe oder zur Abschaffung des Landesverfassungsgerichtes ist somit in jedem Fall unzulässig.”

Soviel zu deinen kruden Theorien…


Hadmut
7.7.2010 0:47
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Lies es mal genau durch. Und denk nochmal drüber nach. Das Rauchverbot war ja Landessache und fiel deshalb in die Zuständigkeit der Gebietskörperschaft. Außerdem habe ich nirgends geschrieben, daß das Volk nur auf diese vom Gesetz vorgegebenen Begehren beschränkt wäre. Das Volk kann auch im Ganzen entscheiden, daß man das mit dem Grundgesetz und der Bundesrepublik jetzt ganz bleiben läßt.

Außerdem sollte man sich abgewöhnen, die Wikipedia als maßgebliche Autorität anzusehen, da sind inzwischen viel zu viele Zensoren, Trolle und Spinner unterwegs, dafür immer weniger seriöse Autoren.

Und Deine ich-google-mal-schnell-nach-Wikipedia-Argumentationsweise ist auch nichts gescheites. Solches Halb- und Drittel-Wissen geht schief. Wie gesagt, mach ein Blog auf und schreib’s da rein. Aber versuch nicht, die Meinung anderer abzuschneiden, bloß weil sie Dir nicht gefällt.


Stefan W.
7.7.2010 4:23
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Die Verfassungsargumentation gefällt mir. 🙂

Die Begriffsverwendung “Diskriminierung” will ich aber attackieren. M.W. heißt Diskriminierung nur “Ungleichbehandlung”. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ob Menschen mit unveränderlichen Merkmalen, oder in Ausübung einer freiwilligen Tätigkeit oder Sucht – ob überhaupt Menschen, das ist alles offen.

Fakt ist zwar, dass das Wort meist verwendet wird, um unerwünschte Benachteiligungen von Menschen zu bezeichnen, aber das ist rein phänomenal.

Die ökonomische Theorie kennt beispielsweise den ‘preisdiskriminierenden Monopolkapitalisten’, der eine Leistung je nach Geldbeutel der Kunden zu unterschiedlichen Preisen anbietet – bestes Beispiel das Kino mit Ermäßigung für Studenten mit Ausweis.

Man hält das als Student gerne für eine soziale Einrichtung, aber für den Kinobetreiber ist die Kalkulation nur auf den eigenen Gewinn gerichtet. Er könnte 100 Tickets zu 15 Euro verkaufen, davon 90 an junge Berufstätige, den Rest an betuchte Studenten. Oder 90 Stück zu 15 Euro und 60 Stück zu 8 Euro an Studenten, die sich ausweisen müssen. Letzteres soll einen Schwarzmarkt verhindern, sprich, dass die Erwachsenen, die im Verdienst stehen, auch die billigen Tickets kaufen.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Ungleichbehandlung alleine macht die Diskriminierung, egal ob zu Recht oder zu Unrecht.

Man kann also von einer Diskriminierung der Raucher sprechen, und diese bejahen, ohne ein Unmensch sein zu müssen. Es genügt die Ungleichbehandlung festzustellen.
Sicher kann man behaupten, dass ja beide nicht rauchen dürfen, und daher gleich behandelt werden. Das Gegenteil wird dagegen schwierig. Wenn man sagt, dass die Ungleichbehandlung darin besteht, dass man nur einem das Verhalten diktiert, kommt man tatsächlich nicht weiter, denn es interessiert ja gar nicht, ob man einem Gewohnheitsraucher, oder einem eigentlichen Nichtraucher das Rauchen verbietet. Man könnte es spitzfindig versuchen mit einem “rauchende Personen dürfen nicht hinein” aber das trifft es ja nicht.

Leider habe ich aufgehört zu rauchen, sonst könnte ich mir jetzt gemütlich eine anzünden, aber ich würde wohl zügig in mein Suchtverhalten zurückfallen – das Risiko will ich nicht eingehen. Ich grüße aber alle Nochraucher.


Hadmut
7.7.2010 8:04
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@Stefan W.: Und worin liegt die Ungleichbehandlung, wenn in einer Kneipe einheitlich für alle das Rauchen verboten ist?

Mir hat noch niemand erklären können, wieso ein Raucher im Rauchverbot eigentlich anders behandelt wird als ein Nichtraucher.


rjb
7.7.2010 7:31
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Was am letzten Sonntag stattgefunden hat, war ein gesetzgeberischer Akt gemäß Art. 72 Abs. 1 der bayerischen Verfassung – “Die Gesetze werden vom Landtag oder vom Volk (Volksentscheid beschlossen.” Für diese Gesetze gelten die in der bayerischen Verfassung niedergelegten Modalitäten, insbesondere hinsichtlich einer Überprüfung ihrer Verfassungskonformität durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 65 der bayerischen Verfassung.

Eine Änderung dieser Verfassung muß nach Art. 75 ebendieser Verfassung erfolgen; und dieser sieht u.a. vor, daß eine solche Änderung im Verfassungstext selbst dokumentiert sein muß. Das dürfte eine für geschriebene Verfassungen übliche Bedingung sein. In den USA darf die Verfassung sogar nur durch Zusätze geändert werden, weshalb dort immer noch das Alkoholverbot drinsteht, das aber durch einen weiteren Zusatz für unwirksam erklärt wird. Das ist auch sinnvoll, denn es trägt nicht zur Übersichtlichkeit bei, wenn die sowieso schon unvermeidlichen Probleme der Interpretation des Verfassungstextes noch dadurch vervielfältigt werden, daß es außer der eigentlichen Verfassung noch zu dieser womöglich in Widerspruch stehende Nebenverfassungen in Gestalt von allen möglichen durch Volksabstimmung beschlossenen Gesetzen gibt. In der bayerischen Verfassung geht in dem Sinne alle Staatsgewalt vom Volke aus, daß die Verfassung nur durch eine explizite Änderung des Verfassunsgtextes geändert werden kann, und über eine solche muß eine Volksabstimmung stattfinden; ein Parlamentsbeschluß reicht dazu nicht aus.

Es ist selbstverständlich möglich, daß dieses Verfassungs- und Staatssystem durch irgendetwas anderes ersetzt wird. Da geschieht einfach etwas, eine Revolution, ein thermonuklearer Krieg, die Wiederkunft Christi oder das fliegende Spaghettimonster übernimmt die Herrschaft, und die bislang bestehende Verfassung ist durch die Normativität des Faktischen wirkungslos geworden. Solange aber die bestehende Verfassung in Kraft ist, unterliegen durch Volksabstimmung zustandegekommene Gesetze den selben Erfordernissen hinsichtlich Verfassunsgegmäßheit wie die vom Landtag beschlossenen, einfach deshalb, weil das gemäß dieser Verfassung so ist.

Und selbst wenn im Widerspruch zur Verfassung stehende Gesetze durch Volksabstimmung beschlossen werden könnten, dann würde das immer noch nicht die Bindung der Staatsgewalt an die Verfassung aufheben; d.h., das Gesetz wäre zwar gültig, die Staatsgewalt dürfte aber trotzdem nicht nach diesem handeln. Daß ein solcher Zustand nicht wünschenswert sein kann, sollte evident sein; ebenso, daß es absurd wäre, wenn sich im Rahmen des von mir hier nicht betrachteten Grundgesetzes und der Bundesrepublik etwas anderes ergäbe.


yasar
7.7.2010 9:53
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@Stefan W.

Wie Hadmut schon sagte. Wenn Rauchen für alle verboten ist, liegt da kleine Ungleichbehandlung vor. Genauso wie es auch keine Diskriminierung ist, daß Heroin oder Marihuana-Konsum verboten ist, auch wenn man mit dem Tabakrauchen nicht so weit gegangen ist, wie bei anderen Suchtmitteln.



Fabian
7.7.2010 16:23
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Die Argumentation bezüglich der Unmöglichkeit einer Verfassungbeschwerde gegen Gesetze die plebiszitär verabschiedet werden halte ich für nicht haltbar.

Erstens sind Grundrechte unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 III), in der Normenhierarchie stehen sie über allen einfachen Gesetzen. Auch ein per Plebiszit verabschiedetes Gesetz ist in diesem juristischen Kontext ein einfaches Gesetz. Es gibt keine “staatliche Schizophrenie”, nach der nur durch das Parlament verabschiedete Gesetze “Gesetzgebung” im Sinne des Art. 1 III umfassen, Akte der direkten Gesetzgebung aber nicht. Das würde auch den Sinn der Verfassung völlig konterkarieren. Das das gesamte deutsche Volk sich in freier Entscheidung eine neue Verfassung geben könnte tut überhaupt nichts zur Sache, denn das gesamte deutsche Volk macht dies weder im Moment noch in absehbarer Zukunft.

Desweiteren, nur um des Streitpunktes willen, gegeben ein per Volksentscheid erlassenes Gesetz würde auf magische Weise der Überprüfung durch BVerfG entzogen, die Ausführung des Gesetzes durch die Ordnungsbehörden (Exekutive) stellen eigenständige Akte dar, die als solche vor dem BVerfG verhandelt werden könnten (Verwaltungsrechts erschöpft vorausgesetzt) – und da würde auf die Ermächtigungsgrundlage eine Grundrechtsprüfung angewandt, also das Gesetz als solches wieder überprüft, was im Grunde genommen schon vor den Verwaltungsgerichten mitberücksichtigt werden müsste. So hat man mir das mal in einer Vorlesung zum Öffentlichen Recht beigebracht.

Wie dem auch sei, ich begrüße das Rauchverbot und denke nicht das in ein Grundrecht ungerechtfertigt eingegriffen wird. Das Rauchverbot wird mit großer Wahrscheinlichkeit vor den Gerichten standhalten.


yasar
7.7.2010 18:46
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Weiß man denn schon, wieviele Verfassungsrichter rauchen und daher befangen sind (bzw. nichtrauchen und auch befangen sind?)

🙂


Stefan W.
7.7.2010 23:15
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Ich würde mal sagen dass auch einige Raucher für das Nichtrauchergesetzt gestimmt haben können, und so kann es auch einem Richter gehen: Dass er sich ein Nichtraucherlokal wünscht, in dem er auch selbst Rücksicht übt, solange es nur die anderen auch tun.

Zu den Fragen oben (yasar, hadmut): Ich entscheide mich auch dafür von einer Gleichbehandlung zu sprechen. Man könnte zwar versuchen zu sagen, daß eine Gleichbehandlung dann gegeben ist, wenn Raucher und Nichtraucher jeweils frei entscheiden können, ob sie rauchen wollen oder nicht, aber sobald der Nichtraucher das Argument des Passivrauchens aufgreift sieht man, wie brüchig das Fundament ist, auf dem man steht.

Und richtig ist, daß Heroinkonsum in unseren Breiten diskriminiert wird, im Gegensatz zu anderen Sucht- und Rauschmitteln.

“Diskriminierung” kann übrigens auch eine Ungleichbehandlung in Form einer Bevorzugung sein. Damit überfordert man aber die meisten Zeitgenossen gehörig.