Ansichten eines Informatikers

Lucky Buddha und das Tuc-Tuc

Hadmut
17.2.2010 12:28

Um es vorweg zu sagen: Genau so stand es im Bangkok-Reiseführer, den ich vorher gelesen habe. Benutze keine Tuc-Tucs. Sie sind teurer als ein Taxi, sie fahren wie die Henker und sie verschleppen einen zu Juwelieren, Schneidern und Sex-Massagesalons. Aber es gibt Dinge, die man doch ausprobiert. Wie die Sache mit der heißen Herdplatte.

Info für den Leser: Ein Euro ist gerade ungefähr 45 Baht wert.

Tuc-Tucs sind diese dreirädrigen Gefährte mit vorne einem Fahrer und hinten einer Bank, die man vor allem aus Indien kennt und die die Anmutung eines Motorrollers haben.

Der Kurzaufenthalt in Bangkok war so nicht geplant, sondern ergab sich als Nebenprodukt einer Reise nach Neuseeland. Schaun wir es uns einfach mal an. Nun war ich auf das Preisniveau nicht eingestellt und wußte nicht, wieviel Taxis und andere Verkehrsmittel in Bangkok so kosten. Im Reiseführer raten sie, nur offizielle Taxis mit Taxameter zu verwenden (Aufschrift: Taxi-Meter). Im Internet habe ich Foreineinträge gefunden, wonach eine Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt ca. 400 Baht kostet, Maut und Flughafen-Taxigebühr (Taxis müssen auf der Ankunftsebene eine Gebühr bezahlen, die sie dem Gast anrechnen, weshalb gelegentlich empfohlen wird, nach Ankunft oben auf der Abflugebene ein Taxi zu suchen das gerade jemanden gebracht hat. Ich hatte aber gerade keine Lust, schweres Gepäck durch die Gegend zu schleppen und die Taxis zu suchen, nur um einen Euro zu sparen. Also nahm ich ein normales. Der Fahrer konnte ziemlich gut Englisch (in Bangkok ganz selten, die meisten können gar kein Englisch oder höchstens Zahlen sagen) und hat mir die ganze Fahrt über Tipps gegeben und über Bangkok erzählt. Das wäre mir ein Trinkgeld wert gewesen. Mittendrin fragte er, ob ich ihm für die Fahrt nicht pauschal 600 Baht geben wolle. Nee, wollte ich nicht. Ich habe mit etwa 400 bis 450 gerechnet, zuzüglich etwa 100 Baht Trinkgeld für die Beratung. Nu, sagt er, seine Kinder sammeln internationale Geldscheine. Ob ich ihm nicht den Betrag in Euro geben könnte. Also gut, ich laß mich breitschlagen und gebe ihm einen 10-Euro-Schein. Er telefoniert und fragt nach dem Wechselkurs, will dann noch 100 Baht zusätzlich. Gebe ich ihm auch. Macht also etwa 550 Baht inkl. Trinkgeld. Wir verabschieden uns nett. Er freut sich, weil er glaubt mich reingelegt zu haben. Ich freue mich, weil ich ihm soviel gegeben habe, wie ich ihm sowieso gegeben hätte, aber Informationen bekommen habe. Die Rückfahrt mit einem Fahrer, der kein Wort englisch konnte, kostete nach Taxameter übrigens 225 Baht. Dazu geringeres Trinkgeld. Weil die Flughafengebühr beim Abflug nicht anfällt, könnte man zu dem Ergebnis kommen, daß ich bei der anfahrt etwa 100-150 Baht zuviel gezahlt habe. Dafür war auch mehr Verkehr.

Jedenfalls hatte mir der redselige Taxifahrer auf der Hinfahrt auf meine Frage gesagt, daß Bangkok völlig ungefährlich sei, praktisch keine Kriminalität, ich könne mich völlig unbedenklich frei
bewegen. Wenn man davon absieht, daß ich in den folgenden 3 Tagen gelernt habe, den Bangkoker Straßenverkehr selbst als kriminell anzusehen, kann ich das auch bestätigen. ich bin mir völlig sicher
vorgekommen und habe mich zu keinem Zeitpunkt irgendwie bedroht gefühlt. Ich habe nicht einen einzigen Fall von Taschendiebstahl oder ähnlichem beobachtet und war erstaunt darüber, wie wenig Polizei sie dort benötigen. Generell machten mir die Bangkoker einen überaus friedlichen und umgänglichen Eindruck (von Schneidern und werbenden Tuc-Tuc-Fahrern mal abgesehen).

Das Wetter in Bangkok ist jedoch sehr warm und schwül. Kaum jemand geht zu Fuß, alle fahren. Ich neige jedoch dazu, mir Städte zu Fuß zu erlatschen, auch durch abgelegene Seitenstraßen. Wenn ich in einer neuen Stadt bin, laufe ich stundenlang kreuz und quer in der Stadt herum und schaue mir an, was ich finde. Nur war es mir dann doch irgendwann zu heiß. Und als Europäer unterschätzt man bisweilen die Entfernungen etwas, weil man auf Stadtplänen unterschwellig immer in der Einheit “Häuserblock” rechnet, die Blocks in Asien und Amerika aber meist viel größer als bei uns sind. Jedenfalls wurmte es mich, daß ich gerade wo war, wo es nichts zu sehen gab, und ich noch einen ordentlichen Fußmarsch bei Hitze mit Gepäck vor mir gehabt hätte. Und überall werbende Tuc-Tuc-Fahrer. Also bin ich halt doch mal in eins eingestiegen. Preis verhandelt. 200 will er haben, das sei sehr weit. Mir fehlt jedes Gefühl, ob das angemessen ist, aber vier Euro wäre kein hoher Schaden. Also laß ich mich fahren. Er fährt mich auch tatsächlich auf kürzestem Wege dorthin, aber er fährt wie eine gesengte Sau. Hätte ich eigentlich auf Video aufnehmen und auf Youtube stellen sollen. Hab ich aber nicht mit gerechnet. Irgendwie beschlich mich da schon das Gefühl, daß ich als Tourist viel zu viel zahle. Ich habe nämlich nur einen 500 Baht-Schein, und er kann nicht herausgeben. Um die Mittagszeit hatte der gerade mal 60 Baht in seiner Kasse.

Mir fällt auf, daß Tuc-Tuc-Fahren überaus gefährlich ist. Nicht nur, daß sie fahren wie die Henker, man sitzt da völlig offen und ohne jeden Sicherheitsgurt. Sie fahren locker 50, auch mal 70 oder 80, und nehmen sich gegenseitig ständig die Vorfahrt. Wenn’s dann kracht, dann kracht es richtig. Und dazu sind die Dinger rundherum mit scharfkantigen Metallgestänge verziert, das einem im Falle des Unfalles wahrscheinlich direkt umbringt. Schon beim normalen Aussteigen habe ich mir den Kopf an einer kantigen Stelle böse angeschlagen. Am nächsten Tag hatte ich es nochmal eilig, und bin deshalb nochmal eine kürzere Strecke mit dem Tuc-Tuc gefahren. 100 wollte der. Auch der fuhr mich flott und direkt zum Ziel.

Dann aber die Überraschung: Am späten Abend wollte ich zurück ins Hotel und hatte eine längere Strecke vor mir. Habe es aber nicht geschafft, den Aufbau des Bus-Netzes zu enträtseln. Also steige ich in ein normales Taxi, und fahre eine ordentliche Strecke zum Hotel. Und dafür wollte der laut Taxameter nur 79 Baht haben. Meine Güte, ist das Taxifahren hier billig. Damit ist das Tuc-Tuc eigentlich abgesagt. Ein Taxi, so ein richtig normaler PKW von Toyota, mit Sicherheitsgurten, Klimaanlage und ordentlichem Fahrstil, kostet weniger als ein Tuc-Tuc.

Warum fahren dann so unheimlich viele davon in Bangkok herum? Wie kann das sein, daß so ein Gefährt, an dem kaum mehr als an einer 50er-Jahre-Vespa ist, teurer ist, und es dazu noch so viele gibt?

Der Grund liegt in der Geschichte. Viele Fahrzeuge, auch unsere Straßenbahnen und Busse, die U-Bahnen und vor allem die Londoner Taxis sind historisch gewachsen und in ihrer Verkehrsstruktur viel älter als man glaubt (Tipp: Transport-Museum in London). Und wenn man mal in einer Ausstellung vor dem Bindeglied Fahradrikscha steht, dann merkt man sofort (woran ich vorher gar nicht gedacht habe), daß das Tuc-Tuc der direkte Nachfahre der Rikscha ist. Das gleiche Prizip: Billigster Aufbau, hinten eine Achse, vorne arbeitet einer, hinten sitzen ein oder zwei Passagiere auf der Sitzbank. Mit dem Fortschritt wurde der vordere Teil zunächst zum Fahrrad, dann wurde mit der Motorisierung aus dem Fahrrad der Motorroller. Aber die Verkehrsfunktion ist immer noch die der Rikscha.

Einen Tag später laufe ich so durch die Straßen, kam gerade von einer Ruine, die sich als ziemlich langweilig herausgestellt hatte. Es war ziemlich warm und ich eigentlich schon erschöpft und zunehmend lustlos. Mehr oder weniger ziellos auf dem Weg in die Innenstadt, wollte noch den Golden Mount im Licht der untergehenden Sonne aufnehmen. Schlendere noch so durch die Straßenmärkte. Da bleibe ich verdutzt an einem Haus stehen, weil dort jemand einen neuen Mercedes im Vorgarten stehen hat. Der paßt auf den Zentimeter gerade so rein und mir ist nicht klar, wie er den da überhaupt rein und wieder rausbekommt. Da kommt einer an, und wir kommen so ins Gespräch. Ich führe immer gerne mal ein Schwätzchen mit Einheimischen, da erfährt man die besten Dinge. (Vor allem in den USA ist man ja ständig mit irgendwelchen Leuten im Gespräch.) Wir erzählen so dies und das, wo kommst Du her, wo gehst Du hin. Ob ich schon den großen Buddha gesehen hätte. Und den Lucky Buddha. Und den Sowieso-Tempel.

Nee, hab ich nicht. Eigentlich kann ich auch keine Tempel und keine Buddhas mehr sehen. Die hingen mir letztes Jahr in Peking schon zum Hals raus, weil die alle genau gleich aussehen. Kennt man zwei oder drei, kennt man sie alle.

Nee, meint er, die seien was besonderes. Außerdem sei der Lucky Buddha nur einmal im Jahr für Touristen geöffnet, und das sei heute. Aber um 5 Uhr machen die alle zusammen zu. Drei ganz wichtige Sehenswürdigkeiten. Ich müsse mich sputen. Ich werfe Zweifel ein. Weil die Sehenswürdigkeiten so weit auseinanderlägen, hätte ich keine Chance mehr, sie alle zu besichtigen, würde mich aber wohl auf den Weg zu einer davon machen. Warum ich nicht einfach ein Tuc-Tuc nähme will er wissen. Damit würde ich es schaffen. Und warum in der Hitze laufen, wenn es doch so billig wäre? Ich frage ihn, was ein Tuc-Tuc eigentlich für Einheimische kostet, ich wäre mir da abgezockt vorgekommen, wenn es mehr als ein normales Taxi kostet. Ach, sagt er, das sei kein Problem. Ich könne das Tuc-Tuc samt Fahrer für die ganze Rundfahrt mieten, der würde dann warten, und da koste mich dan 20 Baht. 20 Baht? Wirklich? So billig? Das sind ja kaum 50 Euro-Cent! Also gut, probieren wir es halt mal aus. Er winkt eines heran. Eins von den gelben müsse es sein (er meint nicht die Farbe des Tuc-Tuc, sondern des Zulassungsschildes. Warum es nur solche sein dürften, verstehe ich nicht.) Er redet irgendwas auf Thai mit dem Fahrer. Längere Ausführungen. Ich verstehe nur, daß mindestens dreimal das Wort ‘Coupon’ fällt. Aber jetzt geht es los. Wieder mit dem typischen Affenzahn quer durch die Straßen.

Erste Station Riesen-Buddha. Ich bin maßlos enttäuscht. Macht keinen Eindruck und es ist so überhaupt nichts dort los. Ein paar Verkaufsstände, kein ordentlicher Blick. Und überhaupt, nach dem Reiseführer hatte ich mir diesen Buddha viel größer und prächtiger vorgestellt. Und jede Menge Touristen drumherum. Hier ist tote Hose. Vielleicht war das nur eine kleine Ausgabe des großen Buddha? Seltsam. Ich komme wieder raus, der Fahrer wartet tatsächlich. Muß mal später mit dem GPS-Tracking meines Navis prüfenm, wo ich da eigentlich war.

Und weiter geht’s zum Lucky Buddha.

Wir kommen da an und ich merke, daß irgendwas faul ist. Lucky Buddha hat mindestens drei Schönheitsfehler. Der erste ist, daß wir laut meinem Outdoor-Navi in einem anderen Stadtteil sind als der Typ auf der Straße mir das vorhin auf dem Stadtplan gezeigt hat. Der zweite Fehler ist, daß das alles zu sehr nach Hinterhof aussieht. Erst wußte ich in dem Hof nicht einmal, was ich da sollte und wo es lang geht. Nur irgendwelche Bauarbeiter machen da irgendetwas. Sieht nicht nach einem besonderen Tag im Jahr aus. Und der dritte Fehler: Wenn dieser Lucky Buddha tatsächlich soviel Glück verheißt wie sie versprechen, dann müßten die hier doch Schlange stehen. In jedem Buddha-Tempel findet man betende Gläubige, nur hier ist tote Hose. Nur ein paar Mönche in ihren knallorangenen Kutten lungern rum und langweilen sich. Na toll. Die Zweifel standen mir wohl ins Gesicht geschrieben.

Da quatscht mich einer an. Wieder so einer von der netten, sympathischen Sorte. Kam da so wie zufällig vorbei. Heute sei mein Glückstag. Ausgerechnet am einzigen Tag im Jahr, an dem der Lucky Buddha für Touristen zugänglich sei, sei ich da. Ich könne mir nun durch ein Gebet großes Glück verschaffen. Obwohl ich eigentlich nicht gefragt habe, aber weil mein Gesicht wohl ein einziges Fragezeichen war, erklärt er, daß die ganzen Glcksuchenden schon alle am Vormittag da waren. Vor allem Brautpaare hätten sich in Großer Zahl ein Stelldichein gegeben. Hochzeit so mitten auf der Baustelle? Ich kann mir Varianten mit mehr Glück vorstellen. Nee, nee, sagt er, wir sollten da jetzt einfach mal reingehen und ordentlich beten, dann würde uns Buddha mit Glück versehen. Nun bin ich zwar Atheist und bete zu gar nichts, aber ich respektiere die örtlichen Sitten und Gebräuche, und schaden kanns ja auch nicht. Wir knien uns also in diesem Mini-Tempel auf rotem Teppich vor dem angeblich Lucky Buddha dahin, und ich bitte gerade inbrünstig um eine interessante und erlebnisreiche Reise und daß ich Land und Leute kennenlerne. Da fing der Typ schon an, auf mich einzureden. Wie gerne er doch reise. Nach Australien und so. Und obwohl er sich das eigentlich gar nicht leisten könne, mache er das immer wieder. Weil die thailändische Regierung ihm kostenlose Reisen verschaffe. Könnte ich auch bekommen. Ob ich wissen wolle, wie. Ja, klar will ich.

Die Sache sei die. Ob ich wisse, was ein Saphir sei. Freilich weiß ich das. Die würden in Thailand zu Goldringen verarbeitet. Die ganze Welt sei scharf auf Thailändischen Goldschmuck mit Saphiren. Ob ich Lady Diana kennen würde. Freilich kenn ich die. Prinz Charles hätte ihr zur Verlobung so einen geschenkt. Extra aus Thailand. (Ich darf hier anmerken, daß ich bei weitem nicht alles nachmache, was Prinz Charles so macht…) Und ob ich wisse, was die so teuer mache. Die thailändische Regierung verlange bei der Ausfuhr nämlich 300, 400, und mehr Prozent Steuer. Nur vier oder fünfmal im Jahr machten sie aber eine Ausnahme, da würden sie den Leuten erlauben, die Dinger steuerfrei zu kaufen. Deshalb würde man die dann ganz billig bekommen. Und die könnte man dann ganz teuer verkaufen. Ich könnte mir, so rechnet er mir vor, hier in Bangkok an einem dieser Sonderverkaufstage einen Saphirring für 3.000 US-Dollar kaufen und könnte den ohne weiteres bei jedem Juwelier der Welt für mindestens das Doppelte wieder verkaufen. Die Juweliere in Auckland (Neuseeland) zum Beispiel. Oder (er hört ja, daß ich einen deutschen Akzent habe) in Deutschland. Ob ich schon mal in München gewesen wäre (wohne zufällig gerade da). In der Maximilianstraße gebe es den Juwelier Christ. Die wären ganz versessen auf das Zeug und würden mir ohne weiteres mindestens 7.000 US-Dollar für so einen Ring zahlen. Weil ich den Ring mit einem Zertifikat bekäme. Das garantiere die Abnahme. Und weil das Geschäft so supertoll und jeder scharf darauf wäre, bekäme man nur ein Set aus Ring und Ohrringen pro Reisepass. Streng limitiert. Soso, ich rieche den Braten und sehe mich vor meinem geistigen Auge mit einem solchen Saphir-Ring beim deutschen Juwelier, während die sich dort totlachen.

Und dann legt er den Brüller auf:

Die hätten dieses Angebot nur an vier oder fünf Tagen im Jahr. Und gerade heute sei so ein Tag. Hätte ich ein Glück. Ich möge doch dem Tuc-Tuc-Fahr unbedingt sagen, daß er mich schnellstmöglich zum Thailand Export Center fahren möge. Dort könne ich dann gleich noch schnell einen solchen Ring kaufen, an dem ich dann so viel verdienen könnte.

Ich sehe aus dem Augenwinkel. daß einer der knallorange gewandeten Mönche grinst. Aber kein freundliches Grinsen, sondern so eines wie “Unglaublich, was die den Touristen für einen Mist erzählen.” Oder “Unglaublich, welchen Mist sich diese Touristen erzählen lassen.” Vermutlich beides. Ich verstehe nur nicht, warum sie sowas überhaupt in den Tempel reinlassen, wenn sie es mißbilligen. Geschäftemacherei als Gebet auszugeben.

Der Typ verabschiedet sich. Auf dem Weg nach draußen spricht mich ein nordeuropäischer Tourist auf englisch an. Er hätte gesehen, daß ich mit dem Tuc-Tuc gekommen bin. Er sei sich völlig unsicher, wieviel man da bezahlen müsse und solle und ersucht mich um Ratschlag. Sorry, kann ich nicht sagen, ich bin da selbst noch desorientiert.

Draußen wartet der Tuc-Tuc-Fahrer und weiter gehts. Irgendso ein angeblich wichtiger Tempel wartet noch, und zum Golden Mount wollte ich eigentlich auch noch. Er gibt mächtig Gas. Mein Navi zeigt eine Fahrtrichtung und einen Stadtteil an, der mit meinen Reiseplänen nicht in Einklang zu bringen ist. Fragen kann ich ihn nicht, er spricht nur Thai. Und hält vor einem Laden, an dem irgendwas mit Export steht. So wie der Typ im Tempel mir das schmackhaft machen wollte. Ich gestikuliere, daß ich da nicht rein will. Er gestikuliert, daß der Motor aus ist. Und aus bleibt. Um gestikulierten Streit zu vermeiden, gehe ich es mir halt mal anschauhen. Ein ziemlich kleiner Juwelierladen (nach den Erzählungen des Typs im Tempel hatte ich eigentlich so etwas wie eine staatliche Juwelenbörse von der Größe einer Messehalle erwartet). Sie hätte ganz tolle Ringe, die sie mir anbieten wollen. Naja, gucken kann man ja mal, sich eine Meinung bilden. Schaukästen voller Ringe. Ich frage, ob die nach Größen sortiert sind oder ob es jedes Modell in jeder Größe gibt. Er meint, sie hätten nur die Standardgröße, die mir jeder Juwelier auf der Welt problemlos anpassen könnte. Ich habe von Schmuck keine Ahnung, aber das hört sich grauslich an. Da gibt’s goldene Ringe mit blauen Steinen. Angeblich Saphire. Und mit roten, angeblich Rubine. Und farblose. Sehen irgendwie nicht toll aus, eher wie billiger Modeschmuck. Ich frage, ob das echte Diamanten sein sollen. Er räumt ein, daß das keine echten, sondern „man-made” Diamanten seien. Zirkone.

Ich habe von Schmuck keine Ahnung, finde das aber alles ziemlich hässlich und mißlungen. Völlig phantasielose Massenware, ohne jede Ästhetik. Was für Leute, die sich Klunker umhängen, egal wie. Typisch asiatischer stilloser billig-protz. Ich tue so, als hätte ich Ahnung und verlange nach einer Lupe. Widerwillig gibt er mir eine. Ich gucke mir das an, aber es sieht schrecklich aus. Weder am Metall noch am Stein irgendwas schönes. Das sieht alles so vermatscht aus, keine einzige schön oder sauber gearbeitete Struktur. Mir reicht’s, ich will raus hier. Besinne mich aber auf asiatische Umgangsformen und erkläre verklausuliert, daß ich erst mit Deutschland telefonieren müsse. Er möge mir doch eine Visitenkarte geben, damit ich gegebenenfalls morgen wiederkommen könnte. Paßt ihm nicht. Morgen hätten sie nicht für Touristen geöffnet. Och, sag ich, wenn es morgen nicht ginge, dann lassen wir es eben bleiben. Ach, plötzlich fällt ihm ein, daß sie morgen ja doch für mich öffnen würden. Ich gehe. ich bedeute dem Tuc-Tuc-Fahrer, daß ich nicht erfreut bin und ich jetzt zum Golden Mount möchte. Er fährt mich zum nächsten Tempel. Schon wieder einer. Stinklangweilig. Es reicht jetzt. Nochmal sage und gestikuliere ich, daß ich zum Golden Mount möchte. Er nickt, ja, Golden Mount. Hält aber vor dem nächsten Laden. Ein Schneider. Und der Motor ist wieder aus. Also noch einmal die Nummer. Zumal der Laden von außen eigentlich gar nicht so schlecht aussieht. Ich gucke kurz, und gleich stürzen sie auf mich zu. Ein Thai, der so tut und sich kleidet, als ob er Italiener wäre, und auch noch ein paar Brocken Deutsch kann, begrüßt mich extra breit. Er freue sich, daß ich einen Anzug von ihm wolle und biete mir das gesamte Programm einschließlich Hemden und so weiter. Ich sage, ich wolle nur mal kurz gucken, aber da mein Flieger morgen früh geht, wäre das aussichtlos. Doch, sagt er, sie könnten jeden Anzug innerhalb von 9 Stunden produzieren und zum Hotel bringen. Ich frage, ob er auch einen Smoking produzieren kann und spekuliere, daß nicht. Er erklärt, daß er schließlich Spitzenschneider sei und deshalb alles könne. Und legt mir Kataloge von Spitzen-Herstellern vor. Das könne er alles. Auch Armini. Kein Problem.

Und weil ich so zweifle, zeigt er mir so eine komische Urkunde, wonach ihn National Geographic zu einem der besten 10 Schneider von [weiß nicht mehr, Thailand oder Asien oder sowas] gewählt habe. Ja klar, und ich bin der Sultan von Madagaskar.

Die Stoffe, die er mir zeigt, sehen nicht so toll aus. Ich weil Beispiele sehen. Da zeigt er mir ein paar Schaufensterpuppen mit Beispielanzügen, und ich muß mir schwer das Lachen verkneifen. Die Kombi aus Hose und Blazer dürfte auch nur einer Frau mit Hüftschaden und Stelzen passen. Und bei dem Anzug für Männer sind die Nähte einfach schief und unsauber. Als der Kerl mich immer noch bearbeitet, platzt mir der Kragen. Ich verlasse nun die asiatische Höflichkeit, bei der man alles irgendwie verklausuliert und in Umwegen erläutert, und sage ziemlich deutsch und direkt, daß ich erstens keinen Anzug will und zweitens keinen Schneider, daß ich drittens ungefragt hier hergeschippert wurde, was ich viertens für eine dreckige Methode halte und ich mich fünftens für gekidnappt halte, und wenn er nicht sofort aufhört, mir auf den Wecker zu gehen und mich noch weiter nervt, gibt es sechtens, siebtens und achtens ziemlich Ärger. Comprende? Er hats verstanden. Alle lächeln peinlich berührt, damit hätten sie doch gar nichts zu tun (Nöh, gar nicht) und sowas wollten sie selbstverständlich nicht. Ich werde zum Tuc-Tuc eskortiert.

Ich grunze den Fahrer ziemlich sauer an, daß ich jetzt endlich zum Golden Mount will. Er nickt und fährt wie ein Wahnsinniger los. Ich ärgere mich, weil die Sonne gerade untergeht und damit das Licht weg ist, das ich für den Golden Mount haben wollte. Mein Navi zeigt an, daß wir zwar wieder in der Innenstadt sind, aber die Richtung stimmt nicht. Mir schwant Übles. Stand nicht im Reiseführer, daß einen die Tuc-Tuc-Fahrer ungefragt zu Juwelieren, zu Schneidern und zu Bordellen oder Sex-Massagen bringen? Mir haben der Juwelier und der Schneider eigentlich schon gereicht. “Golden Mount!” brülle ich. Er nickt. Die Richtung stimmt nicht. Irgendwann hält er an und fragt einen. Der fragt mich was auf Englisch. Es stellt sich heraus, daß der Tuc-Tuc-Fahrer gar nicht weiß, was “Golden Mount” ist. Ich krieg gleich nen Rappel. Immerhin kann der, der mich fragt, und dem ich auf der Karte zeige, wohin ich will, das auf Thai übersetzen. Wir rasen los und halten – tatsächlich vor dem Golden Mount. 100 Baht will der Fahrer. Wenn er sonst kein Englisch kann, das kriegt er raus. Abgemacht waren 20. Weil ich keine Zeit habe und wegen der umgerechnet 2 Euro mir auch keinen Ärger einhandeln will, gebe ich ihm die (Trotzdem ist es immer noch verdammt wenig im Vergleich zu dem, was ich den anderen gezahlt habe.), sage ihm aber so, daß es er an Tonfall und Mimik versteht, daß ich ihn für einen Mistbock halte und ich sauer bin.

Also wetze ich Richtung Golden Mount, komme gerade den ersten Teil des Weges hoch – da machen sie gerade das Tor zu. Nix geht mehr, Feierabend. Ich bin also nicht mehr auf den Golden Mount gekommen.

Und die Lehren aus der Geschichte?

Die erste Lehre ist, der Reiseführer hatte Recht, es lief genau so wie beschrieben (was ich nicht glauben wollte, weil ja vorher zwei Fahrten völlig zielgerichtet liefen und mir ein Thai die dritte Fahrt empfohlen hatte).

Die zweite Lehre ist, daß man in Bangkok nur normale Taxis mit Aufschrift “Taxi – Meter” fährt.

Und die dritte ist, daß wenn man schon zu Buddha betet, und wie ich darum ersucht, Land und Leute kennenzulernen und eine erlebnisreiche Reise zu haben, sich darauf einstellen muß, daß es passiert. Bedenke worum Du bittest, es könnte Dir gewährt werden.

Und wenn ich so im Nachhinein drüber nachdenke: Eigentlich war es besser und interessanter als der komische Golden Mount. Ich habe etwas erlebt und Land und Leute kennengelernt.

Zur Statistik: Mein Navi, das ich mit mir rumgeschleppt habe, zeigte abends an, daß ich an diesem Tag über 80 Kilometer zurückgelegt habe, Spitzengeschwindigkeit 79,5 km/h. Ausklang des Tages im Swimmingpool des Hotels und mit einer Massage (aber einer richtigen Thailändischen und keiner solchen, wo einen Tuc-Tuc-Fahrer hinschleppen.)

2 Kommentare (RSS-Feed)

pepe
17.2.2010 16:33
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Netter Bericht. Wenne mal nach Kairo faehrst, da bekommste genau das gleiche Program. Nur ohne die TucTucs: Taxi nur mit Meter und bloss nicht von jemanden auf eine Reise nehmen lassen..

Andersrum betrachtet, bei diesen Wechselkursen sind solche kleinen Abenteuer schon ganz lustig..


M. Jung
8.3.2010 19:00
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Hallo,

jo genau so ist es uns auch passiert, haben gedacht dass wir wirklich was tolles Sehen und uns auch brav bei Lucky Buddha für soviel Glück bedankt und weiteres Glück gewünscht. Der Schmuck war -Gott sei Dank- nicht mein Geschmack sonst wären wir da auch noch drauf reingefallen, aber beim Schneider hat man uns dann “kommen” sehen, obwohl wir von der Qualität und Service beeindruckt sind. Es war aber auch sowas von raffiniert eingefädelt…. Wir nehmen es mit Humor. Schade dass es jedoch immer wieder solche Reinfälle gibt, was natürlich den ungezwungen Umgang mit Land und Leute immer wieder einschränkt.