Ansichten eines Informatikers

Bauernregeln der Fotographie

Hadmut
31.12.2009 16:08

Einfach fürchterlich.

Wenn man so durch die Foren und Kommentare zu Kameras und Objektiven liest, oder auch Leuten mal zuhört, die nicht wirklich langjährig erfahrene Profis sind, dann hört und liest man häufig solche seltsamen unverrückbar eststehenden Weisheiten, wie Bauernregeln oder Rechtssätze, wie weniger mit Wissen als vielmehr mit dem gruppenpsychologie von Onlinekommunikation und dem Gesundbeten der eigenen Ausrüstung zu tun zu haben scheint.

Der Fotograph macht das Bild, nicht die Kamera

Das ist Quatsch. Natürlich bringt die beste Kamera nichts, wenn der dahinter nicht fotographieren kann. Umgekehrt aber auch nicht. Der beste Fotograph kann nichts ausrichten, wenn Kamera und Objektiv keine scharfen Bilder liefern, die Kamera zu langsam ist oder andere Macken hat. Wenn man nicht gerade zu Lomographie oder psychedelischen Bildern neigt, müssen Aufnahmen ganz einfach gewissen technischen Anforderungen entsprechen um akzeptiert zu werden. Jeder Handwerker weiß, daß mit schlechtem Werkzeug keine gute Arbeit zu erreichen ist.
Empfindlichkeit ersetzt Lichtstärke

Immer wieder liest man, daß man heute keine teuren lichtstarken Objektive mehr bräuchte. Heute wären die Sensoren um mindestens 2 bis 3 Stufen empfindlicher und die Kameras/Objektive hätten Verwacklungsschutz, der auch 1 bis 2 Blendenstufen rausholt, was den Nachteil eines einfach Zooms mit Lichtstärke 5,6 locker ausgleichen würde.

Auch das stimmt nicht. Es mag vielleicht richtig sein, wenn man Blende, Belichtungszeit und Filmempfindlichkeit einfach nur als Zahlentripel in einer Gleichung ansieht, das zusammen die richtige Belichtung ergeben muß. Was die Blende nicht hergibt, kann man mit Belichtungszeit und Empfindlichkeit ausgleichen.

Da fehlen die fotographischen Fachkenntnisse, denn die Blende beeinflußt viel mehr als nur die Belichtung.

Am wichtigsten ist hier die Schärfentiefe. Je offener die Blende, desto stärker ist das Objekt vom Hintergrund abgegrenzt. Man kann mit einer Blende 5,6 einfach nicht die Bildwirkung erzielen, die eine Blende 2,8 erzielt, egal wie man das mit Belichtungszeit, Empfindlichkeit, Stativ oder sonstwas ausgleicht. Allerdings gibt es auch Leute die der Meinung sind, daß man heute einfach alles von vorne bis hinten scharf fotographieren sollte und dann am Rechner mit Fotoshop unscharf macht was man unscharf haben will. Ob man das freilich will, ist eine andere Frage.

Die Blende beeinflusst auch den Autofokus. Selbst wenn ich die offene Blende für die Aufnahme nicht brauche, kann sie doch für den Autofokus nötig sein, denn moderne Phasendetektionsautofokussysteme brauchen mindestens Blende 2,8, darunter funktionieren sie nur eingeschränkt, und damit langsamer oder mit schlechteren Ergebnissen. Und unterhalb von 5,6 werden sie oft ziemlich langsam bis orientierungslos. Das heißt, daß selbst dann, wenn man ein Foto ohnehin mit Blende 8 aufnimmt, das 2,8er Objektiv schneller und besser scharf stellt als das 5,6er.

Außerdem hat ein 2,8er den Vorteil, daß man auch noch einen Konverter verwenden kann und dann immer noch in dem Bereich ist, in dem der Autofokus arbeiten kann.

Teuer ist gut, Abbildungsqualität ist alles

Stimmt nur teilweise. Erstens ist es nicht betriebswirtschaftlich gedacht. Zweitens spielt (selbst wenn man nicht aufs Geld schaut) das Gewicht einer Ausrüstung eine erhebliche Rolle. Man muß sich schon überlegen, ob man mit 5-7 kg Gepäck einen Tag durch die Stadt schlendern oder bei 40 Grad damit auf einen Berg steigen will. Das beste Objektiv nutzt nichts, wenn es zu schwer ist und man es deshalb nicht dabei hat. Ähnliches gilt übrigens auch für Stative.
12 Megapixel reichen vollkommen, mehr braucht man nicht

Stimmt so auch nicht.

Es kommt halt drauf an. Was dem einen genügen mag, um ein Bild an die Wand zu hängen, mag dem anderen eben nicht reichen.

Man sollte auch berücksichtigen, daß man ein Bild auch mal beschneiden muß. Nicht jede Kamera zeigt 100% im Sucher an, da kann man unschöne Dinge mit drauf haben. Viele Bilder werden durch einen Ausschnitt erheblich besser. Und selbst dann sollte man noch mindestens 10 Megapixel erreichen.

Außerdem mißachtet es die modernen Bildverarbeitungstechniken. Es ist heute nicht unüblich und Stand der Technik, daß man Bilder noch nachträglich etwas dreht, weil schief aufgenommen, daß man Perspektiven entzerrt, daß man Verzeichnungen und Chromatische Aberration ausgleicht. Das sind alles Techniken, die mit Interpolation der Pixel arbeiten (müssen) und deshalb durch diesen Vorgang an Schärfe und Auflösung verlieren. Wenn man der Meinung ist, daß 10 oder 12 Megapixel ausreichend sind, dann muß man sich auch überlegen, wieviele Megapixel man vorne reinstecken muß, damit nach den Korrekturen noch 12 Megapixel übrigbleiben.

Höhere Auflösungen verlieren durch Rauschen

Auch nur ein Teil der Wahrheit. So gesehen müßte man mit einer 1-Pixel-Kamera losziehen. Die sind ziemlich rauschfrei. Und selbst wenn es rauscht, dann sieht man es nicht, weil man ja kein zweites Pixel zum Kontrast hat.

Wie so oft kommt es eben darauf an. Wer vornehmlich mit viel Kunstlicht, gutem Tageslicht oder vom Stativ aus arbeitet, braucht keine hohe Empfindlichkeit. Und praktisch alle heute angebotenen Kameras schaffen zumindest ISO 100 ohne störendes Rauschen. Es ist deshalb für viele Leute einfach egal, wieviel die Kamera bei ISO 800 rauscht, für die bringt die hohe Auflösung einfach mehr.

Ein zweiter, oft übersehener Punkt ist, daß Rauschen nicht allein durch die Auflösung (und damit die Pixelgröße) beeinflußt wird, sondern auch durch die Temperatur der Kamera. Ein warmer Sensor rauscht stärker als ein kalter. Wer also Rauschen vermeiden will, sollte auch über andere Schutzmaßnahmen nachdenken, wie etwa einfach die Kamera in der Tasche zu bewahren anstatt sie in der Sonne herumzutragen (wobei man bei Sonne ja normalerweise genug Licht hat, um nicht ins Rauschen zu kommen).

Ein dritter Punkt ist, daß Rauschen oft falsch bewertet wird. Bei einer Kamera mit höherer Auflösung und damit kleineren Pixeln wird das Rauschen erwartungsgemäß pro Pixel höher sein. Darf man es aber pro Pixel auch vergleichen oder wird damit nicht das Rauschen der höherauflösenden Kamera überbewertet? Man kennt das ja, daß die in den Zeitschriften und Foren immer die Bilder auf Pixelmaßstab heraufskalieren, und die höher aufgelöste Kamera schon deshalb schlimmer rauscht, weil man dadurch das Rauschen stärker vergrößert.

Man muß mit gleichem Bildausschnitt irgendeinen Gegenstand oder ein Testmuster fotographieren und die Bilder dann so nebeneinander legen, daß die Motivdarstellungen gleich groß sind, um das Rauschen zu vergleichen. Oder sogar runterskalieren. Selbst wenn eine Kamera mit 20 Megapixeln stärker rauscht als eine mit 10, kann es durchaus sein, daß sie die besseren Bildern liefert, wenn man ihre Bilder auf 10 herunterskaliert und dadurch Rauscheffekte abpuffert.

Also Vorsicht vor diesen Fotoforenweisheiten.