Ansichten eines Informatikers

Bandsalat

Hadmut
23.3.2009 1:45

Heute schwelgte ich in Nostalgie, im IT-Feeling der 90er Jahre. Und hatte einen stilechten Bandsalat.

Es war mal wieder ausmisten angesagt. Dabei noch einen PC mit Pentium-II 350 MHz rausgeworfen, der noch als Labor-Testrechner überlebt hatte, ohne eigentlich verwendet zu werden. Hatte mir mal gute Dienste geleistet, weil für einen Kunden etwas unter Windows NT nachzustellen war und sich NT auf keinem aktuellen Rechner mehr installieren läßt. Bei der Gelegenheit auch das ganze alte SCSI-Gerümpel aussortiert.

Hach, waren das Zeiten. Damals in den 90er Jahren. Als der Profi noch mit SCSI hantierte. Eine SCSI-Karte am Rechner, dann die IDs schön an jedem Gerät einstellen. Dazu die dicken, teuren widerspenstigen Kabel, von denen man immer die vierfache Menge in Reserve haben mußte, weil es mindestens vier unterschiedliche Stecker gab. Und das ganze dann als Bus durchschleifen. Terminator nicht vergessen. Und dann hoffen und beten, daß es funktioniert. Nix mit Hotplug. So hatte ich damals einen Flachbettscanner, ein DAT-Laufwerk, einen CD-Brenner und ein Iomega-Diskettenlaufwerk mit damals enormen 100 MByte zu einem Machwerk zusammengeschlossen. Waren das Zeiten. Wie gut, daß die vorbei sind.

Bis auf den Flachbettscanner, der schon vor Jahren den Weg alles Entsorgbaren gegangen war, habe ich den ganzen Plunder noch in einer großen Kiste im Keller stehen gehabt. Und seit ungefähr 10 Jahren nicht mehr benutzt. Als ich besagten Pentium-II-Rechner durchsah, ob da noch was brauchbares drinsteckte, fiel mir die PCI-SCSI-Karte auf. Und daß ich noch eine Kiste voller DAT-Bänder habe. Und daß mir noch ein paar Daten aus der damaligen Zeit im Archiv fehlen. Ha! Da könnte man doch mal wie früher die Bandmaschine anschmeißen, und gucken, ob die Bänder noch lesbar sind.

Ich hatte noch einen anderen PC übrig, so ein Mini-Barebone, bei dem die Platte am Ende war, die bei der Gelegenheit auch rausflog. Dafür dann dort die SCSI-Karte rein und eine Ubuntu-LiveCD gebootet. Und was sehen meine von Alter und Leid geplagten Augen da: Auf der Ubuntu-Live-CD sind die SCSI-Treiber und als Programm nicht nur das selbstverständliche tar, sondern auch mt mit drauf. Wow. Welcher Linux-Frischling von heute weiß schon noch etwas mit “mt rewoffl” und so anzufangen?

Aber ach. Die Freude währte nur kurz. Mein alter HP DAT-Streamer schluckte die erste Kassette, wickelte sie ordnungsgemäß ab, gab dann seltsame Geräusche von sich, blinkte auf den LEDs SOS und stellte sich ansonsten tot. Kassette nicht mehr auszuwerfen. Sitzt bombenfest drin. Nicht mal mit Reset und Strom weg noch was auszurichten. Plötzlich fiel mir wieder ein, warum ich mal so froh gewesen bin, diese Bandkassetten loszuwerden. Früher, zu Uni-Zeiten, hatten wir den gleichen Mist mit den Exabyte-Laufwerken. Und später dann im Business-Bereich denselben Zustand mit DLT-Laufwerken. Warum sollte es mir privat mit DAT-Laufwerken soviel anders gehen? Wie man ein Exabyte-Laufwerk durch mechanische Intervention zum zwangsweisen Auswürgen einer an sich blockierten Bandkassette bringt, habe ich damals schon herausgefunden. Aber ein DAT?

Mir blieb nichts anderes übrig als mich in den IT-Admin-Fähigkeiten der 90er Jahre erneut zu üben und das Laufwerk zu zerlegen. Schöne Bescherung: Das Band war gerissen und hatte sich etwa achtmal um den rotierenden Schreib-Lese-Kopf gewickelt.

So richtig das 90er-Jahre-Feeling. Kenne ich auch von Compact-Kassetten und Video-Kassetten (vor allem den C-120-Audio und den 300-Minuten-Video mit dem ganz dünnen Band-Material). Einen herrlich nostalgischen Bandsalat, wie früher. Und plötzlich bemerkte ich, daß ich auch noch so fluchen kann wie ich es früher konnte.

Dann eben das übliche: Das Band rausziehen, aus allen Ecken, Kanten und Winkeln fummeln, vom Kopf runterwickeln, freilegen, Strom drauf, und schon spuckt das Ding die Kassette wieder aus. Das lesen der ersten ging also schon mal schief. Die zweite ging dann, weiter bin ich nicht gekommen. Noch etwa 30 Kassetten habe ich. Das wird lustig.

Es scheint offenbar so zu sein, daß die Bänder bei jahrelanger Lagerung spröde werden (möglicherweise vertragen sie den ganz kleinen Biegeradius an den Umlenkrollen in den Ecken der Kassetten nicht auf Dauer, oder das Material der Umlenkrollen dünstet Weichmacher oder sowas aus) und beim Betrieb dann brechen. Das Band sah nämlich nicht wie gerissen, sondern wie gebrochen aus.

Soviel zum Thema Datenarchivierung und Datenbeständigkeit.

Was bin ich froh, daß ich mit diesem Band-Gesox (fast) nichts mehr zu tun habe. Audio-Kassetten habe ich schon seit etwa 15 Jahren nicht mehr in Gebrauch. Videokassetten zum Aufnehmen habe ich vor ca. 4 Jahren gegen einen Festplattenrekorder ausgetauscht, und natürlich die DVD-Sammlung. Die letzten verbliebenen Videokassetten digitalisiere ich gerade noch, fast alles schon erledigt und im Müll gelandet. Der DAT-Streamer steht eigentlich auch schon seit fast 10 Jahren im Keller.

Nur kürzlich, vor etwa einem Jahr, habe ich mir für 99 Euro noch (als Reserve und zum Verheizen) eine digitale Videokamera mit Mini-DV-Bändern gekauft. Die fehlten mir nämlich noch in meiner Bandsalat-Sammlung. Wird aber demnächst auch gegen eine ersetzt, die direkt MPEG4 auf SD-Karten aufnimmt.