Ansichten eines Informatikers

Markt kaputt durch fehlende IT-Sicherheit im Internet?

Hadmut
24.7.2008 22:02

Heute habe ich mir von jemandem erklären lassen, wie das Internet ein Marktsegment völlig umgekrempelt und nach Meinung vieler auch kaputt gemacht oder zumindest grundlegend verändert hat. Hat auch am Rande etwas mit Sicherheit zu tun.

Ich habe mich heute mit jemandem, der beruflich mit dem Autohandel zu tun hat, über das Internet unterhalten. Dabei sagte er, daß das Internet den Gebrauchtwagenmarkt in den letzten Jahren massiv verändert hat. Früher setzten Privatleute ihr Auto in die Zeitung, andere lasen das, haben halt mal angerufen und haben das Auto gekauft oder nicht, privat an privat, Preis nach Gutdünken.

Heute wäre es so, daß sich fast der gesamte – vor allem private – Gebrauchtwagenverkauf über zwei Portale abwickelt, nämlich mobile.de und autoscout24.de. Es gäbe zwar noch viel mehr, die spielten aber keine Rolle. Die zwei seien es, wo die Geschäfte passieren.

Nun sei es aber so (was ich schon öfters gelesen habe, aber nie so direkt aus erster Hand gehört habe und auch nicht so einordnen konnte), daß viele professionelle Gebrauchtwagenhändler diese Datenbanken automatisiert und systematisch abfragen. (Stand mal irgendwo, daß die deshalb ernsthafte Probleme mit der Serverlast haben.) Was an günstigen Gebrauchtwagen auftaucht, wird sofort weggekauft, und dann als Gebrauchtwagen zu überhöhten Preisen wieder angeboten. Ihm sei es schon mehrfach passiert, daß die ersten Anrufe von solchen Händlern in weniger als 2 Minuten eingingen, nachdem er Fahrzeuge dort angeboten hat. Die Marktbedingungen wären in der Branche inzwischen so knüppelhart geworden, daß der Privatkäufer eigentlich so gut wie keine Chance mehr hat, an gebrauchte Schnäppchen zu kommen.

Letztlich heißt das, daß hier über das Internet die Möglichkeit geboten wird, daß Einzelne in kürzester Zeit einen kompletten Marktüberblick erhalten können, also sicherheitstechnisch gesprochen die Datenbank nahezu komplett auslesen und darüber den Markt beeinflussen können. Die altmodische Methode des Angebots über unüberschaubar viele verschiedene Tageszeitungen, die man nicht automatisiert kaufen und auswerten konnte, bot also einen gewissen technologischen Schutz der “Datenbank” Gebrauchtwagenmarkt gegen Auslesen im großen Maßstab. Der Schutz ist weggefallen und – in gewisser Weise vergleichbar mit SPAM – erlaubt so einigen wenigen Angreifern, Angriffe in Gesellschaftsbreite durchzuführen. Mit entsprechendem Kapital können sie sämtliche Fahrzeuge unterhalb eines gewissen Preisniveaus sofort aufkaufen und dann marktbeherrschend Mindestpreise diktieren (und damit aus ihrer eigenen Hamsterstrategie sogar noch Profit schlagen). Ein Markt über Angebot und Nachfrage kommt nicht mehr zustande.

Es zeigt aber auch sehr schön, welche katastrophalen Folgen es haben kann, wenn man “herkömmliche Lebensweise” in Internet-Datenbanken nachzubilden versucht. Mir wird ganz mulmig wenn ich dran denke, wieviele Leute mich beknien, ich möge doch mit ihnen über die diversen Vernetzungs-Sozial-Netzwerke, Facebooks, Xing usw. usw. in Kontakt treten. Man exponiert damit Datenbestände, die bisher nicht explizit sondern einfach durch altmodische, der IT nicht unmittelbar zugängliche Verfahren geschutzt wurden, Angriffen, deren Funktionsweise wir nicht absehen können.

So kommt es, daß hohe Gebrauchtwagenpreise letztlich Folge von mangelnder IT-Sicherheit sind. Jedenfalls von einem gewissen Standpunkt aus betrachtet.

6 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
25.7.2008 21:30
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Dem stimme ich nicht zu.
a) Das ist für mich keine mangelnde IT-Sicherheit.
b) Der private Käufer hat nicht nur Nachteile.
c) Das Preisniveau können die großen Händler nicht bestimmen.

a) war ja keine ernsthafte Behauptung.
Es gibt lediglich die Gemeinsamkeit: Betrachtung nicht geplanter Konsequenzen des Einsatzes bestimmter Techniken.
Die Großhändler kochen ihr eigenes Süppchen, aber kriminell oder sicherheitsrelevant ist das vielleicht nicht – aber spannend genug.

c) Das Preisniveau können die Händler nur bestimmen, wenn sie ein echtes Monopol bilden.
Es sind aber doch mehrere Händler, und so kann man immer zum günstigeren Händler gehen – für den günstigeren Händler ist es attraktiv seine Ware schnell umzuschlagen.
Er kann also billiger verkaufen, wenn er dafür mehr verkauft, und letztlich mehr Gewinn machen.
Von der anderen Seite können die privaten Verkäufer versuchen von unten so viel wie möglich vom Kuchen abzubekommen.

b) Ist der private Käufer der Dumme?
Mich erinnert der Fall an einen ähnlichen, den ich kürzlich bei ebay erlebte:
Vor 20 Jahren hatte ich mal einen Rotringfüller, speziell zum Zeichnen mit einer tuscheänlichen Tinte. In dieser Art hat Rotring auch lange Zeit Kalligraphiefüller produziert, die sich nur durch die Feder unterscheiden.

Ein Händler hat ständig recht teure Exemplare zu 6 Euro ‘sofort kaufen’ in seinem Shop. Einzelne Privatiers stören seine Geschäfte durch Angebote zu 1 Euro Startpreis.
Da fragte ich mich auch, ob der Händler nicht etwa maximal 4 Euro bieten müßte, um seine eigenen Preise zu stützen.
Bietet er mehr, so zahlt er drauf, wg. Versandkosten, Risiko und Arbeitszeit.

Im Bereich von 4-6 Euro müßten auch private Käufer reelle Chancen haben. Der Vorteil für den Privatkäufer ist, daß er sich leicht einen Überblick über gängige Preise verschaffen kann, und daß er angesichts der schieren Größe des Marktes leicht überhaupt das Modell findet, daß er sich wünscht.
Übertragen: Bei Trödelhändlern und Flohmärkten hätte ich lange nach einem Artpen suchen können – bei ebay gibt es ihn sofort.


Hadmut
26.7.2008 0:31
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Naja, das finde ich jetzt etwas zu weit hergeholt.

Natürlich meinte ich das ernst, obwohl es keine IT-Sicherheitsschwäche im eigentlichen Sinne ist. Durch die Übertragung des Geschäfts ins Internet sind flächendeckende Vorgänge möglich, die es vorher nicht gab. Man hat bei dem Entwurf des Internet-Marktes versäumt, das alte Modell 1:1 nachzubilden. Insofern würde ich da schon ein Sicherheitsproblem in der Entwurfsphase sehen.

Und den Gebrauchtwagenmarkt mit dem Kauf eines Füllers auf eBay zu vergleichen ist doch mehr als gewagt. Es gibt Gebrauchtwagenhändler und einen Markt für Gebrauchtwagen. Es gibt aber keine Rotringfüllerhändler und dafür auch keinen Gebrauchtmarkt, der bei 4-6 Euro auch nicht solchen Einflüssen unterliegt. Und die wurden auch früher nicht über seitenweise Anzeigen in den Tageszeitungen gehandelt. Sorry, aber das Beispiel halte ich für Tünnef. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.


pepe_
26.7.2008 1:58
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Ob das ein Sicherheitsproblem ist oder nicht ist doch eine Definitionsfrage. Vielleicht wollten die Internetanbieter ja gar keinen fairen Markt für Privatleute. Wer will das schon. Wir ham Marktwirtschaft, die Leute wollen Kohle sehen. Und wenn alle Haendler wie verrueckt Autos kaufen und verkaufen, is das doch super fuer die Portalbetreiber.

> Das Preisniveau können die Händler nur bestimmen,
> wenn sie ein echtes Monopol bilden.

Ein klassisches Märchen aus der freien Marktwirtschaft. Man sehe sich doch zB mal die Politik der Energieversorger an. In diesem Fall dient das Portal offenbar als eine Art Proxy und ermoeglicht eine selbstregulierung des Preises zwischen Haendlern statt zwischen Haendler und Kunde. Sieht fuer mich aus wie eine moderne Form der Preisabsprache.


yasar
27.7.2008 10:12
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Ich sehe das so, daß die Mechanismen des Marktes schon funktionieren, Nur halt nicht so, wie es der Verbraucher gerne hätte.

Der jenige der Aufwand, und sei es nur in Form eines Bots betreibt, kann günstig Waren einkaufen und demjenigen teurer verkaufen, der diesen Aufwand nicht treibt.

Hinkendes Beispiel: Trödelhänder (auch Antiquitätenladen genannt) fährt viel Flohmärkte ab und ergatter hier und dort ein Schnäppchen, daß er dann in seinem Laden relativ teuer verkauft. Hier läßt er sich den Aufwand bezahlen von Leuten, die den Aufwand nicht treiben wollen.

Beim Online-Automarkt ist es genauso, nur daß der Händler keine Zeit aufbringen muß herumzufahren, sonder diese zeit durch einen BOT einspart, den er allerdings bezahlen muß oder durch Zeiteinsatz selbst erstellen muß. Er muß halt nur jederzeit bereit sein, auf die Ausgaben seines BOT zu reagieren.

Das führt halt dazu, daß Privatleute, die nur selten ein Auto kaufen oder verkaufen wollen, diesen Aufwand nicht treiben und daher den Preis hierfür durch “zu niedrige” Verkaufpreise oder durch “zu hohe” Einkaufspreise zahlen.

Die Marktbetreiber könnten das vermutlich ohne allzu großen Aufwand unterbinden oder zumindest erschweren, aber die dürften kein Interesse haben, solange das gleiche Auto mehrmals über dasselben umgeschlagen wird und sie so mehrfach Provisioenen kassieren.

Villeicht wäre das ja eine Marktidee: Käufer gegen Gebühr per SMS beim gewünschten Auto benachrichtigen, so daß er auch innerhalb von Minuten den neu aufgetauchten PKW reagieren kann. Aber ich befürchte, daß das dann von den Marktbetreibern unterbunden würde, weil ja diese neuen Käufer, das Auto nicht mehr wieder einstellen würden.


yasar
27.7.2008 10:15
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solange das gleiche Auto mehrmals über dasselben umgeschlagen wird und sie so mehrfach Provisioenen kassieren.

sollte natürlich heißen:

solange das gleiche Auto mehrmals über denselben Anbieter umgeschlagen wird und sie so mehrfach Provisioenen kassieren.


Stefan
27.7.2008 17:11
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Beim Online-Handel geht es ja nicht darum die Realität ohne Internet möglichst täuschend echt nachzubilden, sondern darum, eine Technik für für den Handel brauchbar zu machen.

Diese hat – nicht überraschend – ihre Vor- und Nachteile.
Und einer der Vorteile ist, daß der Markt transparenter ist, weil es leicht ist den Verkäufer aus Passau mit dem Käufer aus Kiel in Kontakt zu bringen, ohne daß der in Kiel die Passauer Neuesten Nachrichten kauft.

Damit kommt der Markt im Netz zumindest den Märkten der ökonomischen Theorien, die in den einfachen Modellen von vollkommener Information ausgehen, viel näher als die alten, kleinen Märkte.

Auch gibt es sehr wohl Rotringfüllerhändler, und zwar einen – er heißt Schreiber-Hansel20007 und ist hier zu finden mit 40 Angeboten in seinem ebay-Shop: http://search.ebay.de/search/search.dll?from=R40&_trksid=m37&satitle=artpen

Ja – er hat auch Parker und dies und das im Angebot.
Worauf es mir aber ankam – er bietet rund 40 Modelle kontinuierlich an, und alle anderen Privatleute zusammen weniger als 10 Modelle.

@pepe_ Ich weiß nicht wieviele Marktdominierende Autohändler es gibt. Den Strommarkt dominieren 4, und diese sind nicht bloß Händler, sondern auch Produzenten des Stroms.
Wenn der Preis steigt, so profitieren sie davon.
Beim Automarkt scheinen es mir doch viel mehr Akteuere einerseits zu sein, so daß eine Absprache viel schwieriger wird, und zum anderen besteht – zumindest theoretisch – die Chance, daß der ursprüngliche Verkäufer den Profit einstreicht, und nicht das Oligopol.

Angenommen ein Verkäufer möchte 4.000 € für sein Fahrzeug.
Ein entsprechender Neuwagen koste 10.000 Euro.
Die privaten Käufer sind bereit 5.000 zu zahlen.
Der Verkäufer hat keine Ahnung, daß er 1.000 Euro mehr erzielen könnte, aber die viel besser informierten Händler wissen das.
Bei 1.000 Euro Preisdifferenz lohnt es sich für diese das Risiko und den Aufwand zu treiben das Fahrzeug zu erwerben, um es weiterzuverkaufen.

Das war doch die Ausgangsposition.

Jetzt gibt es sicher einen Preis, zu dem es sich nicht lohnt, vielleicht bei 4.500 Euro, oder 4.800 Euro.

Vielleicht lohnt es sich bei einigen Verkäufern so gerade bei 4.750, weil sie Ihre Prozesse optimiert haben. Das ist die interne Konkurrenz der großen Händler untereinander.

Natürlich kann der Händler nicht den Preis in die Nähe von 10.000 Euro treiben, denn da ist ja der Preis für vergleichbare Neufahrzeuge.

Wenn die Endkunden sie Fahrzeuge nicht kaufen, dann nützt es ihm auch wenig, wenn er den ganzen Markt bis 6.000 Euro aufkauft, und zu 6.500 weiterzuverkaufen versucht.

Ein paar Exemplare wird er womöglich losschlagen können, aber auf einem Großteil schlicht sitzenbleiben, und daß wird die satten Gewinne auffressen, die er mit den überteuerten Modellen erzielt hat.

Seiner Konkurrenz dagegen macht er es leicht, wenn er alles aufkauft, was unter 6.000 liegt, selbst wenn es nur 5.000 wert ist, im Sinne daß dieser Preis den Markt räumt.

Könnte man den Preis so nach oben treiben, so wäre das auch ein Anreiz für andere in dieses Geschäft einzutreten, das ja keine Zutrittsbarieren wie Professorentitel (hüstel) oder Jagdschein kennt.
Das wiederum hätte mehr Konkurrenz zur Folge -> sinkende Preise, bis der Markt geräumt wird.

In einem gewissen Rahmen gibt es natürlich den Informationsvorsprung des professionellen Händlers.

Die Frage ist schon, wer vom uninformierten Verkäufer profitiert – früher verstärkt der private Käufer, heute fast nur noch der Zwischenhändler.

Aber hochtreiben können sie den Preis so nicht.
Den Trödelhändler der erkennt, ob das Zeuch vom Dachboden antik oder nur Krempel ist, und der auch Kunden kennt für die riesigen, häßlichen, orangen 60er-Jahre Lampen – ja, der kann seinen Informationsvorsprung vergolden.