Ansichten eines Informatikers

Der Provinzflughafen, die Bombe und ich

Hadmut
15.5.2008 1:15

Und hier schon wieder eine neue unvermeidliche Episode aus der unendlichen Saga “Ich und die Flughafensicherheit”.

Eins möchte ich vorausschicken: Entgegen dem schlechten Eindruck, den ich mir durch mein Blog selbst zufüge, ist es keineswegs so, daß ich bei jedem Flug irgendwelche Probleme oder was zu moppern hätte. Ich fliege weit öfter als ich etwas darüber ins Blog schreibe. Aber man schreibt das Blog ja auch nicht, weil man muß, sondern weil man etwas gefunden hat, worüber man schreiben will.

Und ich finde an Flughäfen und anderen Sicherheitszirkussen halt immer wieder Dinge, die mir einen Gedanken wert sind. Unter anderem, weil ich halt auch gerne mal mit den Leuten rede. Gerade in den USA und Australien sind die Leute mentalitätsbedingt immer wieder froh, wenn im öden Alltag mal ein kurzes Schwätzchen drin ist. Und da erfährt man erstaunliche Dinge, sogar in Deutschland. Unlängst hab ich auf diesem Weg erfahren, warum etwa der Berliner Flughafen Tegel keinen U-Bahn-Anschluß hat. Darüber hab ich mich schon oft gewundert und geärgert. Man muß mit dem Bus eine Station fahren und dann umsteigen. Dabei war der U-Bahnhof natürlich eingeplant. Aber (angeblich) konnte man beim Bau die Pläne nicht lesen, wunderte sich, was da hingezeichnet worden sein soll und beschloß, es zu ignorieren, weil es nicht ordentlich beschriftet war. Erst als der Flughafen fertig war, fiel irgendwem auf, daß der U-Bahnhof fehlt. Deshalb gebe es jetzt einen U-Bahn-Tunnel, der kurz vor dem Flughafen im Nichts endet.

Nun bin ich gestern an einem Provinzflughafen abgeflogen.

Moment, zum Verständnis Rückblende nach 2004, zu einem Vorgang vor dem Anfang meines Blogs. Ich flog damals von Dresden über Frankfurt nach Washington DC zu zwei Konferenzen. Beim Umstieg in Frankfurt gab es Ärger bei der Sicherheitskontrolle. Weil ich als Informatiker halt mit Notebook, manchmal Digitalkamera und dem ganzen Kabelsalat unterwegs bin, gibt es bei mir gelegentlich seltsame Bilder auf dem Röntgenschirm. (Wenn die wüßten, was sie auf dem Schirm hätten, wenn sie mich röntgen würden…) Jedenfalls wollten sie, daß ich den Kram raushole, Geldbeutel usw. auf drei Kisten verteile und dann wollten sie mich noch mit der Sonde untersuchen. Ich hab nichts dagegen. Ich hatte aber was dagegen, daß ich mich dabei mit dem Rücken zu meinen Sachen stellen sollte, denn da kann sich jeder bedienen, wenn Paß, Geldbeutel usw. offen rumliegen, zumal es eine Behelfsstation war, auf der es zuging wie auf dem Flohmarkt am Wochenende. Als ob das was mit Flughafensicherheit zu tun hätte, wenn man jedem anbietet, sich meinen Paß zu klauen. Als ich aber verlangte, meine Sachen im Blickfeld behalten zu können, wurden sie pampig und heftig unfreundlich. Nun, meinte ich, sie hätten doch schließlich Sicherheitsaufgaben. Wie wäre das damit zu vereinbaren, daß sie nicht wüßten, welches Gepäckstück und welcher Kleinkram zu welchem Passagier gehört? Was wäre denn, wenn sie tatsächlich mal eine Bombe fänden? Sie wüßten doch gar nicht, wem sie zuzuordnen wäre und wen sie festzunehmen hätten. Oh, da waren sie mächtig sauer. Noch nie wäre sowas bei ihnen passiert und noch nie hätte jemand was geklaut. Dafür werde ich nun “strafgefilzt”. Sie röntgen meine Tasche nochmal besonders gründlich und langsam (da ich sowieso 2 Stunden auf den Anschlußflug warten mußte, genügend Zeit das zu vertiefen) und kamen zu dem Ergebnis, daß sich in meiner Tasche Akkus befänden. Hatte das Röntgengerät herausgefunden. Wahnsinn. Die möge ich sofort vorzeigen. Also holte ich aus der Vordertasche ein Viererpack Mignon-Akkus und zeigte sie. Sie waren zufrieden und meinten, ich solle jetzt weitergehen.

Halt mal, insistierte ich, so ja nun nicht. Denn ich hatte Akkus in größeren Mengen dabei, ca. 20 Mignon-Akkus, ein paar für die Kamera, zwei Notebook-Akkus und noch mehr. Wenn sie die aber nun gar nicht alle inspizieren wollten, und sich schon mit dem kleinen Mignon-Pack zufriedengäben, sei doch damit die Untersuchung auf Akkus nicht ernsthaft und die Forderung nach Vorzeigen somit als Akt der Schikane entlarvt, offenbar als Strafaktion wegen meiner Widerrede vorhin. Was ihnen eigentlich einfiele, ihre Macht so zu mißbrauchen. Ämpf. Da fiel ihnen erstmal nicht mehr viel ein, sie schnappten nach Luft. In der Nähe stand ein Polizist mit Maschinenpistole, der sich das alles ansah und von einem Ohr bis zum anderen grinste. Ich legte nach und wies darauf hin, daß ich beruflich in Sicherheit mache (von IT hab ich mal nix erwähnt) und hier beobachte, ob sie das auch richtig machten. Bisher wäre ich nicht begeistert. Ob sie denn der Meinung wäre, daß diese Durchsuchung richtig und vollständig gewesen wäre, und ob sie sich auch ganz sicher wären, mich nun schon weiterzuschicken. Sie wurden blaß. (Irgendwie mußte ich mich ja für die Vergeltungsdurchsuchung revanchieren.) Nun, ähm, ja, unter diesen Umständen könne ich natürlich nicht weitergehen, meinten sie, ich möge mich unverzüglich in diesen Raum da vorne zur näheren Durchsuchung begeben. Fein. Da ging ich hin und stellte mich gleich damit vor, daß die da draußen es nicht geschafft hätten, mich hinreichend zu untersuchen und ich jetzt wissen wollte, ob sie das besser könnten. Das waren die Jungs mit der Läppchenmethode und dem Gaschromatographen. Die wischten dann besonders gründlich meine Tasche ab, fanden aber nichts besonderes. Als ich raus kam, sprach mich der Typ mit der Maschinenpistole an. Er hätte vorhin zugehört und sich köstlich amüsiert. Ich hätte völlig recht, die würden da völliges Durcheinander veranstalten und wissen oft nicht mehr, wem was gehört. Sie von der Polizei stünden halt immer daneben ohne einzugreifen und müßten sich tagein tagaus den Wahnsinn mit ansehen.

Eine Woche später, am Abend vor meinem Rückflug, kam in Washington im Fernsehen, daß der Flughafen dort wegen eines nicht näher beschriebenen Terrorvorfalls evakuiert, geschlossen, durchsucht, gefilzt und exorziert worden sei. Ach, Herrje! Am nächsten Morgen meinte die Hotel-Rezeption, der Flughafen sei wieder offen und auch der Taxifahrer versicherte, schon zweimal Leute hingefahren zu haben. Dort nichts besonderes. Was war geschehen? Ich quatsche halt mal irgendeinen der Sicherheitsleute an, was da so passiert sei. Oh, meint der, schlimme Sache, das, ganz schlimm. An einer der Röntgenstationen habe man eine große Pistole im Gepäck entdeckt und in unprofessioneller Panik sofort Alarm ausgelöst, die bewaffnete Sicherheitstruppe (muß wohl so ein SWAT-Team gewesen sein) sei angerückt, der Flugverkehr eingestellt worden und überhaupt, volles Rohr. Dumm daran wäre nur gewesen, daß man keine Person zu der Tasche hatte, die man hätte festnehmen können. In dem ganzen Alarmgeschrei sei nicht zu klären gewesen, wem die Tasche mit der Knarre gehört habe (wie ich einen Woche zuvor in Frankfurt geunkt hatte). Und noch dümmer sei gewesen, daß sie die Tasche nicht mehr gefunden hätten. Um am allerdümsten sei gewesen, daß die Knarre auch weg war. Außer eine Knarre gesehen und Panik hatten sie gar nichts. Deshalb hatten sie den ganzen Flughafen gesperrt und überhaupt alle durchsucht, die da waren. Nichts. Die interne Vermutung: Die modernen Röntgengeräte, die nicht mehr analog sondern mit einem Computerbildschirm arbeiten, haben eine Testfunktion. Man kann aus der Zentrale künstlich Bilder verbotener Gegenstände einblenden um zu testen, ob die Leute wach sind. Das muß aber vorher angekündigt, genehmigt und sonstwas werden, damit eben keine Panik usw. entstehen. Sie vermuten nun, daß irgendein Knallkopf versehentlich oder aus Jux diese Funktion aktiviert hat und es nicht zugeben wollte. Warum haben diese Dinger eigentlich keine Log-Funktion und keinen Authentifikationszwang für solche Tests?

Gut, gestern flog ich also von diesem Provinzflughafen ab. Jetzt wäre es nicht so, daß da wie am Frankfurter Flughafen die Kulturen zusammenprallen und die Drogenhändler und Schmuggler arbeiten. Das ist ein ganz verschlafener kleiner Flughafen, an dem halt morgens ein paar Business-Reisende losfliegen und abends wieder zurückkommen. Nach dem Röntgen fragten sie, ob sie mal in meinen Rucksack sehen dürften. Der übliche Kabelsalat eben. Das war beim letzten Abflug von diesem Flughafen schon so. Aber noch bevor ich was sagte, griff sie in den Rucksack, holte das ganze Zeug raus und beförderte es unsanft in eine dieser Boxen. Was bei einer kleinen externen 2,5-Zoll-Platte nicht gut ist. Dann ging sie mit der Schüssel nach vorne, um das Zeug nochmal zu röntgen. Als ich gucken wollte, wurde ich angegurkt, ich möge gefälligst nicht wieder durch den Metalldetektor gehen. Ich sagte aber nichts, sondern packte dann meinen Kram wieder zusammen. Da kam dann aber der Polizist vom Dienst vorbei. Sie haben einen. Und guckte mich komisch an, während ich da packte. Ich fragte höflich, ob er mir sagen könnte, auf welcher Grundlage sie eigentlich meine Sachen so grob behandelten und mir aus dem Blick nähmen. Au, den hätte ich nicht fragen sollen. Der war nicht von Welt. Das war mehr so die Sorte Dorf- oder County-Sheriff, der hätte bei “Auf dem Highway ist die Hölle los” mitspielen können. Der Obermotz vom Miniflughafen. Bekam ich da aber ne Belehrung. Das Luftsicherheitsgesetz § 5 bestimme das, und das sei so, man müsse das selbst durchsuchen, weil ich ja eine Waffe aus dem Rucksack ziehen könnte. Sie gehen also davon aus, daß auch nach dem Röntgen noch eine Pistole in der Tasche sein könnte. Aha. Da der Typ aber so richtig herablassend den möchte-gern-autoritären Obermufti heraushängen lies, was kurios war, denn der war noch kürzer als ich. Noch nie sei bei ihnen was verloren gegangen, selbstverständlich hätten sie alles im Auge, sie wüßten genau, was sie tun. Und natürlich müsse man es gesetzlich genau so tun, wie sie es tun. Das stehe ganz genau im Gesetz. Aber darüber zu reden war mit dem nicht, da war für mein Sicherheits-Blog nichts zu holen. Also ging ich einfach und setze mich in den Wartebereich am Gate.

10 Minuten später kam eine von dieser Röntgentruppe in den Wartebereich und hielt einen Notebook-Computer hoch. Wem der gehöre, der sei an der Röntgenstation zurückgeblieben. Sie rief und rief, und keiner wollte das Ding haben. Und der Flughafen ist so klein, daß man da nicht noch irgendwoanders hin kann. Man kann nicht aus der Rufweite weg. Ach was, hatte der Dorf-Sheriff nicht gerade noch behauptet, sowas könne nicht passieren?

Also bin ich nochmal hin um ihn dazu zu befragen, das wollte ich jetzt doch wissen. Inzwischen kam die Suche nach dem Notebookbesitzer auch über die Lautsprecher. Es kam aber kein Besitzer. Der Sheriff stand gerade an seinem Sondertisch und hielt das Notebook argwöhnisch in der Hand. Als ich so zielstrebig auf den Tisch zulief, fragten die mich gleich, ob das meiner wäre. Nein, sage ich, aber ich fände es bemerkenswert, daß sie mir den jetzt so einfach geben wollten. Dafür wolle ich nochmal auf das Gespräch von vorhin zurückkommen, in dem ich darüber belehrt worden sei, daß sowas hier ausgeschlossen sei. Volltreffer, Fregatte versenkt. Jetzt wurde der sauer, das ginge mich gar nichts an. Oh doch, meinte ich, wenn ich durch mangelhafte Sicherheitskontrolle in meiner Flugsicherheit beeinträchtigt wäre, ginge mich das natürlich was an. Und ob er mich vorhin habe schikanieren wollen. Und überhaupt, ob das nicht verantwortungslos sei. Es sei doch komisch, daß ein wertvolles Notebook einfach keinem gehören sollte, da müsse man doch davon ausgehen, daß da ne Knarre, Sprengstoff, Gift oder sowas drin steckt. Warum er das Ding in der Hand herumschwenke, anstatt Bombenalarm zu geben und das Ding auf dem kürzsten Weg zum Sprengbunker zu bringen, über den zumindest die ernsthaften Flughäfen verfügten. Uh, oh. Da hatte ich was gesagt. Nein, blaffte er, das sei völlig ausgeschlossen, schließlich sei das Ding schon geröntgt worden, da könne nichts mehr drin sein, Pistole und Sprengstoff ausgeschlossen. Ach was, entgegnete ich, wurde nicht vorhin mein Rucksack nach dem Röntgen mit der Begründung durchsucht, ich dürfte ihn nicht selbst ausräumen, weil ich ja eine Pistole herausziehen könnte? Da brauchte es keine Bombe mehr, da wäre er fast selbst explodiert.

Daß man die Prozedur auch weltmännisch und mit Stil hinter sich bringen kann, zeigt die Lufthansa. Im Lufthansa Shop in einem anderen, größeren Flughafen, hab ich kürzlich dieses Kleinod entdeckt: Den Taschenentleerer aus feinstem Leder, zunächst flach, aber mittels vierer Druckknöpfe zu einem schüsselförmigen Gebilde zu formen, in das man seine Taschen stilvoll entleeren kann. Wenn schon röntgen, dann vornehm. Als ich das Ding entdeckt habe, fiel mir unwillkürlich der “Familienbenutzer” von Loriot ein:
Taschenentleerer

Nach meinem Erlebnis in der Provinz sehe ich den Sinn und Zweck eines solchen Utensils jedoch ein. So ein Ding muß ich einfach haben. 🙂