Ansichten eines Informatikers

Anglikanisches Festplatten-Recht – es gibt kein Entrinnen…

Hadmut
10.9.2006 17:35

Zwei Vorgänge aus dem anglikanischen Recht können dem rechts- und sicherheitsbewußten Informatiker (oder auch jedem Bürger) ernsthaft Sorgen bereiten:

  • Golem  berichtet, daß in den USA eine Tauschbörsenbenutzerin verurteilt wurde, weil sie ihre eigene Festplatte gelöscht hatte. Eine Plattenfirma hatte sie wegen Urheberrechtsverletzungen (=Musik raubkopiert) verklagt, worauf sie ihre eigene Festplatte löschte. Ein Schritt, der mir persönlich plausibel und legitim erscheint. Man muß sich in einem Rechtsstaat nicht selbst belasten und nicht selbst Beweise gegen einen vorbringen. In den USA bzw. Texas ist es aber so, daß man auch Beweise gegen sich selbst vorzubringen hat. Im vorliegenden Fall erkannte man Beweisvernichtung, wonach nach dortigem Recht automatisch der Gegner gewonnen hat. Das heißt, daß man effektiv gar keine Urheberrechtsverletzung begangen haben muß, um wegen einer Urheberrechtsverletzung verurteilt zu werden.

  • Heise berichtet, daß in England die Polizei stärkere Rechte gegen die Inhaber verschlüsselter Daten fordert. Tatsächlich geht es um ein Gesetz, das schon 2000 erlassen, aber bisher nicht angewendet wurde, weil man bislang keinen Nutzen in dem Gesetz sah: Den Regulation of Investigatory Powers Act 2000. Darin wird in Part III, §§ 49 ff. bestimmt, daß jemand, der “geschützte” Daten in seinem Besitz hat, zur Entschlüsselung bzw. Preisgabe des Schlüssels aufgefordert werden kann. Weigert er sich, kann er bis zu 2 Jahren in Haft genommen werden. Es ging darum ursprünglich um Kinderpornographie. Angesichts der jüngsten Terror-Ereignisse und weil man wohl irgendwo verschlüsselte Kinderpornos sichergestellt hatte, wollte man das Gesetz nun in Kraft setzen. Weil Kinderpornographie und Terrorismus ja auch eigentlich das gleiche ist.

    Dabei gibt es in England die schöne Sitte, daß die Regierung ab und zu mal die Allgemeinheit fragt, was sie eigentlich von einem Gesetz hält und wie sie es verbessern würde, bevor es in Kraft gesetzt wird, eine sogenannte Public Consultation. Sollte man hier auch mal einführen. Darin wird relativ suggestiv gefragt (Seite 4 Nr. 12), ob man die in § 53 festgelegte Höchstdauer einer Erzwingungshaft nicht doch lieber erweitern solle, wenn der Verdacht besteht, daß derjenige “indecent images or pseudo-indecent images of children” hat. (indecent=unanständig).

    Es soll also schon reichen, “pseudo-unanständige Bilder” möglicherweise (!) auf der Festplatte zu haben, um für mehr als 2 Jahre hinter Gitter zu wandern. Wohlgemerkt, man muß sie nicht haben, es muß nur die Möglichkeit bestehen, daß sie in einem verschlüsselten Bereich liegen, und schon muß man seine Unschuld durch Entschlüsselung nachweisen. Und die >>2 Jahre Knast sind auch keine Bestrafung dafür, sondern erst einmal Beugehaft zur Entschlüsselung. Man muß gar keine Bilder gehabt haben.

    Woran man eine Verschlüsselung erkennt oder was “pseudo-unanständige Bilder” sind, steht nicht drin.

Zwar ist das eine England und das andere USA, aber die anglikanischen Rechtssysteme sind sich in gewisser Weise ähnlich und wenn es um das Abhören geht, haben die sich schon immer aneinander orientiert und gegenseitig ergänzt.

In der Zusammenfassung heißt das, daß man Festplatten niemals verschlüsseln und niemals löschen darf, weil man in den beiden Ländern verurteilt werden kann, ohne etwas getan zu haben: In den USA ist man wegen Raubkopieren dran ohne daß man es tatsächlich getan haben muß, und die Briten werfen einen für Jahre wegen pseudo-unanständiger Bilder in den Kerker, nur weil man aus irgendwelchen Gründen einen Plattenbereich nicht entschlüsseln kann oder will, der gar keine Bilder enthält. Ob die Platte überhaupt verschlüsselt war und wie man das feststellen will, interessiert auch keinen.

Wie war das mit der Unschuldsvermutung im Rechtsstaat?