Ansichten eines Informatikers

Das Ach und Weh der Video-Vorlesungen

Hadmut
10.6.2020 17:32

Ein Professor schreibt mir zu meinem Professoren-Bashing, dass er mir weitgehend zustimmt, ich aber noch einen Punkt übersehen hätte:

Er habe – wie ich – den Vorlesungsstoff damals flott aus Büchern selbst gelernt, das gehe aber nicht mehr:

Solch autonomes Lernen setzt aber voraus, daß man Bücher bejaht und genügend Selbstdisziplin besitzt, um so vorzugehen, doch genau daran gebricht es.

So sieht’s aus:

Viele meiner “Studierenden” lehnen Bücher ab, kaufen keine Bücher, leihen keine Bücher aus. Was nicht im Skript oder im Internet steht, existiert nicht. Und es MUSS in der Vorlesung erwähnt worden sein, sonst ist es nicht relevant. Und wenn das bei moderat lernwilligen MINT-Leuten schon so ist, wie sieht es dann in den Geisteswissenschaften aus? Das wollen wir uns nicht ausmalen.

Die Generation ist schlicht zu blöd, um noch aus Büchern zu lernen. Kaputterzogen.

Da sind wir wieder beim funktionalen Analphabetismus. Ich hatte das ja schon öfters angesprochen, dass wir gerade die jahrtausendealte Kulturtechnik der Schrift verlernen, die Fremdsprachen gleich mit dazu. Immer mehr wird nur noch als Youtube-Video dargestellt und irgendwie erzählt, und ansonsten wird die Schrift zunehmend durch „Emojis” ersetzt, eine Art moderne Hieroglyphen, ständig erweitern sie ja auch den Unicode-Zeichensatz, um ganze Emotionen und Aussagen als kleine bunte Graphiken in den Zeichensatz aufzunehmen. Durchdekliniert in allen Hautfarben, Gender als Grammatik.

Inzwischen muss man ihnen wirklich alles vorkauen.

Der Professor schreibt, dass er seine Vorlesungen verfilme, was ein großer Aufwand und sehr anstrengend ist. (Ist mir klar. Ich habe zwar nur ein paar Youtube-Videos, aber die waren auch schon viel Arbeit und anstrengend.) Er habe aber das Problem, dass er da nicht mehr mitbekommt, wenn die Studenten nicht mehr mitkommen oder nicht mehr mitarbeiten. Ständige Beaufsichtigung sei erforderlich.

Woher kommt das?

Bachelor und Master haben wirklich alles zerstört, denn das SELBSTÄNDIGE Studium ist überwiegend abgeschafft.

Man wollte es ja frauenfreundlich haben.