Ansichten eines Informatikers

Die Ver-DDR-isierung der BRD nimmt zu

Hadmut
23.7.2017 14:22

Ich habe immer stärker den Eindruck, dass wir uns in einem immer weiter fortschreitenden Stadium des Umbaus eines freiheitlich-demokratischen Landes in Richtung eines sozialistischen Planwirtschafts- und Angststaates vom Zuschnitt der DDR bewegen.

Was mir daran vor allem auffällt: Vor 25 oder 30 Jahren galt die DDR noch als richtig, richtig böse. Auf der Abi-Jahrgangsreise nach Berlin wurden wir noch aufgeklärt, wie abgrundtief diktatorisch und freiheitswidrig das Land war, und der Tag in Ost-Berlin war wie eine Fahrt in ein Gruselkabinett, allein die Grenzkontrollen und dieses ständige jeder-überwacht-jeden.

Nach der Wende waren so viele Ossis so froh, den Mist endlich losgeworden zu sein. Ich war ja mal ein paar Jahre in Dresden tätig, und habe mir das dort natürlich von den Ossis mal genauer erzählen lassen, wie die das so fanden und empfunden haben. Da war nichts mit Freude und so. Und die Infrastruktur in katastrophalem Zustand. Was ich 2003 in Dresden noch gesehen habe, war schon übel. Kurz nach der Wende war ich mal in Erfurt, sah noch viel gruseliger aus.

Inzwischen ist im Meinungsbereich eine Generation tonangebend, die höchstens 40 Jahre alt ist und die DDR nicht mehr aus der Sicht eines Erwachsenen erlebt hat, der sowas wie Reisen oder Meinungsfreiheit oder Berufsfreiheit damals überhaupt in Anspruch genommen und die Sache von innen oder von außen hätte beurteilen können.

Dazu kommt, dass sich verblüffend viele Leute von SED und Stasi in der Politik, den Medien oder den Neo-Zensurbehörden festgesetzt haben und damit ein enormer Einfluss auf die öffentliche Meinung genommen wird.

Man merkt das aber auch daran, dass an den Universitäten die bekloppten Geistes- und Sozialwissenschaftler wieder voll auf Marx abfahren. Was da gerade an Marxismus-Lesungen und -Workshops abgeht, ist unglaublich. Und dass da jetzt die ersten ihre Symbole in den roten Stern und RAF-ähnliche Verzierungen verwandeln (warum hat man eigentlich nur das Hakenkreuz als Symbol verboten, nicht aber den sozialistischen Stern?)

Man könnte jetzt natürlich die Frage stellen, warum ausgerechnet Geistes- und Sozialwissenschaftler, die ja bekanntlich nichts arbeiten und nichts bauen, so auf Arbeiter- und Bauernstaat abfahren.

Erschreckender ist aber ein Bild eines Regionalzuges, das mir ein Leser schickte:

Jenny Marx geb. von Westphalen war die Frau von Karl Marx.

Warum man sich überhaupt an sie erinnert und was sie geleistet haben soll, ist nicht ersichtlich. Sie war halt seine Frau und wohl als seine Sekretärin tätig, laut Wikipedia hat man eine einzelne Seite des kommunistischen Manifests, auf der man auch ihre Handschrift gefunden habe.

Was also ist der Grund, dass man sich überhaupt an sie erinnert, gar einen Zug nach ihre benennt? Man findet dazu etwas in diesem Feier-Flyer (nicht zu verwechseln mit Fire-Wire, scnr):

In weiteren Gesprächen, Podiumsdiskussionen sowie literarisch-künstlerischen und musischen Darbietungen wird dieser fortschrittlichen, starken und gebildeten Frau gedacht, die unter anderem als Sekretärin und Geschäftsführerin ihres Mannes Karl Marx agierte.

Tippse und Hausfrau reicht bei Frauen, um gewürdigt und zugbenannt zu werden. Man wollte in Salzwedel frauenquotenmäßig irgendeine berühmte Frau aus der Stadt würdigen, und mehr als das haben sie wohl nicht gefunden.

Ohne Jenny und Eleanor Marx und ihre unermüdliche Mitarbeit hätte Karl Marx niemals der sein können, der er war. Ihre eigenen Leistungen sind darüber fast in Vergessenheit geraten. Jenny und Eleanor Marx verdienen Aufmerksamkeit und Anerkennung – das finden Gisela M. Gulu · Journalistin und Beatrice Bergner · Schauspielerin

Komisch. Wenn es da eigene Leistungen gab, die man nicht vergessen soll, warum sagen sie dann nicht, welche das waren? Und warum wird das überhaupt als Leistung und nicht als Mittäterei geführt? Hat der Marxismus noch nicht genug Tote hervorgebracht und die Menschheit drangsaliert, geschädigt und ein Jahrhundert zurückgeworfen?

Das feministische Prinzip: Frauen und ihre Leistungen sichtbar machen, und dazu dann, wenn sie keine haben, eben stets – wie bei Scheidungen – die Leistung des Mannes auf das Konto der Frau buchen. Je emanzipierter und feministischer wir sein wollen/sollen, desto stärker nimmt der Effekt zu, Frauen die Leistungen des Mannes zuzuschreiben. Und dann so zu tun, dass in Wirklichkeit das alles die Frau erfunden habe, man es nur wegen der Zwänge der Zeit unter dem Namen des Mannes herausgegeben habe.

Und davon abgesehen: Warum wird überhaupt positiv von Marx geredet? Immerhin hat der der Menschheit mit seinem Käse enormen Schaden zugefügt und sich zum Propheten einer durchgeknallten Riesen-Sekte gemacht. Vermutlich ist man auch deshalb auf die Frau ausgewichen. Einen Zug „Karl Marx“ zu nennen, wäre jetzt halt schon sehr SED-mäßig. Nimmt man seine Frau, heißt das Ding dann auch Marx und man hat die Feminismuskeule gegen jeden, der es wagt, etwas zu sagen. Würde mich mal so rein theoretisch interessieren, was passierte, wenn man einen Zug nach Margot Honecker, einer von Stalins Frauen, Ri Sol-ju (Frau von Kim Jong-Un, auch Kommunist) oder Magda Goebbels benannt hätte.

Bin mal gespannt, wann sie Chemnitz wieder in Karl-Marx-Stadt umbenennen. Oder Jenny-Marx-Stadt. Und einen Schädel von ihr dort aufstellen.