Ansichten eines Informatikers

Skandal: zu Guttenbergs in Afghanistan

Hadmut
13.12.2010 22:37

Alle, wirklich alle regen sich darüber auf, daß zu Guttenberg samt Frau und Talkshow-Kerner nach Afghanistan zum Truppenbesuch gefahren ist, empört sind sie, für indiskutabel halten sie es.

Ich mag die zu Guttenbergs nicht. Mir geht auf den Wecker, daß die andauernd von Propagandablättern wie BILD und Focus, die so tun, als wären sie Presse, produziert werden. Die Vorgänge um die die Kinderpornosperre und Tatort Internet waren einfach dämlich. Ich mag die wirklich nicht.

Nur: An dieser Reise sehe ich nichts auszusetzen. Nichts. Gar nichts. Ist doch in Ordnung, daß der Verteidigungsminister mal die Truppe besucht. Und wenn er die Frau mitnimmt – meine Güte, im Truppentransporter mit Panzerweste ist kein Vergnügen. Und die Soldaten und Soldatinnen da vor Ort haben doch auch mal verdient, daß mal wer vorbeikommt und ein paar Worte wechselt. Und daß Talkshow-Kerner dort dazu eine Talkshow macht, ist auch in Ordnung. Warum soll eine Talkshow denn nicht mal bei den Soldaten dort stattfinden? Sind doch auch normale Menschen, die haben sich auch mal etwas Freizeit verdient. Die Amis schicken regelmäßig Top-Show-Stars zu ihrer Truppe, da muß uns ein abgetakelter Ex-Talker noch billig sein.

Ich versteh die Aufregung nicht.

Oder besser gesagt, ich versteh sie so: In unserer Politik und Presse sitzen inzwischen so viele Hohlköpfe, Phrasenschreiber und Pauschalschwätzer, daß denen überhaupt gar nichts anderes mehr einfällt, als darauf zu warten, daß sich irgendwer bewegt und dann sonstwas macht, um dann zeternd zu schreiben, wie unmöglich, wie peinlich, wie inakzeptabel, wie geschmacklos, wie sonstwas das war, egal was passiert ist.

Wir sind die Dagegen-Republik. Wir denken nicht. Wir differenzieren nicht. Dagegen ist zum Reflex verkommen.

Geistig völlig eingerostet, faul, fettgefressen, selbstgefällig, bewegungslos. Gelangweilt, antriebslos, stinkend faul, dumm. Überversorgt, verzogen, übermästet, dekadent.

Und wenn endlich mal irgendwo was passiert, sei es daß irgendwer einen Bahnhof baut oder vielleicht ein Verteidigungsminister mal zu Soldaten fährt (unerhört!), wenn es erstmals wieder eine Bewegung gibt, kommen die Gase aus dem Gedärm, und die träge Masse furzt und rülpst in die Kamera, wie schlimm das doch alles wäre, wie geschmacklos, das geht ja gar nicht, wo kämen wir hin.

Die sind alle so zum Kotzen.

Und die machen unsere Meinungen und unsere Politik.

12 Kommentare (RSS-Feed)

mred
14.12.2010 2:18
Kommentarlink

Eventuell liegt das auch an deiner Wahrnehmung. Von einem Bahnhof, mit dessen Planung alle einverstanden sind und der ohne Straßenschlachten gebaut wird, hört man eben nicht so viel. Genau so wenig hört man was von Ministern, die ihre Dienstgeschäfte auch ohne Fernsehmoderator im Schlepptau durchführen können.

Wobei ich bei Guttenberg auch nicht das ganz große Politikum sehe. Zumindest, solange keine staatlichen Mittel verwendet werden – und dafür gibts ja bis jetzt wohl keine Indizien. Klar, der Truppenbesuch erfüllt offenbar eher PR-Zwecke, als dass er für Truppenmotivation oder dergleichen gedacht ist. Übliche Politiker-Schmierigkeit. Aber wirklich neu ist das ja nun nicht.

Die “Dagegen”-Mentalität könnte man dir umgekehrt auch selbst unterstellen. Denn du wertest die Guttenberg-Kritik per se negativ. Man könnte sie aber auch positiv sehen. Nämlich so, dass es einige Journalisten gibt, die solch eine Schmierigkeit noch erkennen, obwohl sie heute eher selbstverständlich als außergewöhnlich ist.

Kritisches Denken und ständiges Hinterfragen sind für mich ein Eckpfeiler des relativ großen Erfolgs Nachkriegs-Deutschlands.


Hadmut
14.12.2010 11:08
Kommentarlink

@mred: Daß ich für kritisches Denken und ständiges Hinterfragen zu haben bin, müßte ich eigentlich deutlich gemacht haben.

Nur ist das hier weder kritisches Denken noch ständiges Hinterfragen (denn an beides sind selbst wieder gewisse Qualitätskriterien zu stellen), sondern einfach nur dummes Rumgemaule und Beton-Opposition (einfach immer alles schlechtreden, ganz egal was kommt).

Nicht jedes dumme Gerede erreicht das Prädikat “kritisches Denken und Hinterfragen”, manches ist eben auch “kritiklose Dummheit und ständiges Immer-dagegen”.

Es fällt eben auf (vor allem bei der Nebelkrähe von den Linken, dem nicht mal ein ganzer Satz einfiel, sondern “Inakzeptabel…Inakzeptabel”), daß viele Politiker und Journalisten selbst überhaupt nichts in der Birne haben, und denen auch nichts einfällt, sondern die einfach darauf warten, daß irgendwas passiert, und sich dann damit betreiben, es einfach schlechtzureden, egal was es ist.

Das ist eine Folge dessen, daß es uns inzwischen zu gut geht. Eine unheimlich große Menge von Deutschen ist völlig unproduktiv und beschäftigt sich allein mit Maulen, Meckern, Beklagen und Fordern. Bei jeder Gelegenheit kommt irgendein Politiker um die Ecke mit “Wir fordern…”. Die kennen schon gar keine anderen Vokabeln mehr, die haben schon einen Minimalwortschatz.

Und dieses Dummschwätzertum ist für mich eine Hauptursache für den relativ starken Niedergang des Deutschlands nach dem Wirtschaftsboom des Westens.


quarc
14.12.2010 3:56
Kommentarlink

Nein, Kerner haben die armen Soldaten wirklich nicht verdient.


Frank Fischer
14.12.2010 11:45
Kommentarlink

Völlig einverstanden: gegen den Besuch selber, auch gegen die mitreisende Gattin, ist nichts einzuwenden. Noch nicht einmal gegen die Anwesenheit des Schmierwurst-Talkers. Demgegenüber: die Dominanz der Oberfläche, des Events, des Scheins, der Show, auch bei der Berichterstattung! Außer schönen Bildern (und der künstlichen Erregung darüber) nichts gewesen… Wenn es Barbie und Ken wirklich darum ginge, die Lage der armen Statistenschweine zu verbessern, könnten sie nämlich eine Menge tun.
Ken könnte den Landsern z. B. die ersehnten kostenlosen Internetplätze einrichten lassen und kostengünstige Telefonate nach Hause ermöglichen – da verdient bislang ein “privater Anbieter” kräftig mit. Er könnte ferner dafür sorgen, daß sie sich vor Ort nicht auf eigene Kosten eine zweckmäßige Ausrüstung zusammenkaufen müssen. Er könnte ihnen genügend gepanzerte und vernünftig bewaffnete Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Das wäre a) sein Job und b) Peanuts für einen Verteidigungsminister, der andererseits seiner unfähigen Rüstungswirtschafts-Klientel, die etwa den “Tiger” seit 30 Jahren nicht in die Luft bringt, Milliardenbeträge erlassen will.
Barbie könnte sich um die Verwundeten, die Kriegstrauma-Opfer und deren Angehörige kümmern, die sich zu Hause mit einer absurden Bürokratie herumschlagen müssen. Das wäre allemal sinnvoller als Kinderschänderquatsch auf RTL-2. Aber damit kommt man eben nicht so schön in Bild und Bunte, das gibt auch keine so geilen Fotos (wie heute der Aufmacher der Süddeutschen).
Nicht zuletzt deswegen zeigen die beiden Blender an derlei “Kleinkram” kein Interesse. Und so erscheint mir ihr Paarlauf als selbstreferentiell, effektheischend, medien- und karrieregeil, ja kriegsgewinnlerhaft. Oder schlicht: zum Kotzen.


Hadmut
14.12.2010 12:02
Kommentarlink

Im Prinzip ja.

Aber: Das Barbie-und-Ken-Syndrom korreliert in meinem Augen nicht mit der Reise, das haben die auch sonst, etwa wenn er zu ihren Spendensammelaktionen kommt. Insofern müßte man sich da ständig drüber aufregen und nicht nur, weil die Reise gerade mal einen Anlaß bietet.

Bei vielen habe ich den Eindruck, daß sie sich nicht aufregen, weil sie sich aufregen, sondern weil sie endlich auch mal wieder im Fernsehen sein wollen.


moni
14.12.2010 13:17
Kommentarlink

Ein mir absolut unverständlicher Wunsch: im TV sein wollen.
Das würde mit die Ästhetik meines ganzen Lebens ruinieren.

Und Kerner hat wirklich niemand verdient…


mred
15.12.2010 0:51
Kommentarlink

@Hadmut: Es ist halt immer die Frage, wann Kritik berechtigt ist. Und das ist schwer messbar, da abhängig vom Betrachter. “Heute nörgeln alle nur noch” gehört für mich in eine Reihe mit “Früher war alles besser” und “Die Jugend von heute…” – das kann man immer erzählen und hat man (in diesem Falle seit es Pressefreiheit gibt) auch schon immer erzählt.

Nochmal zum konkreten Fall: Das Guttenberg-Paar inszeniert sich nun mal überdurchschnittlich stark. Und eine Selbstinszenierung im Rahmen eines Truppenbesuches hat es noch nicht gegeben. Dass da Kritik kommt, finde ich nicht außergewöhnlich. Ganz unabhängig davon, ob man sie teilt oder nicht.


Hadmut
15.12.2010 1:05
Kommentarlink

Alle Kritik als „Früher war alles besser” einzustufen ist aber auch eine Form von Ignoranz gegenüber jeder wirklichen Verschlechterung und gegenüber jedem Zeitgeistphänomen.

Ich habe aber durchaus den Eindruck, daß es heute ziemlich viele Leute gibt, die – von ihrer persönlichen Weltsicht, publizistisch, beruflich, politisch – selbst eigentlich gar nichts mehr tun, sondern nur noch davon leben, alles schlecht zu finden.

Und ich glaube durchaus, daß das zunimmt.


Frank Fischer
15.12.2010 16:10
Kommentarlink

Gaaanz großer Journalismus im ZDF: Berufssoldaten vor Ort nach dem Sinn der Aktion fragen. Was werden die wohl sagen? “Ich finde das Scheiße, und ich will auch nie mehr befördert werden”? Überhaupt stinkt die ganze Guttenberg-Schreibe von Anfang an: Man habe sich auf der Loveparade (!) kennengelernt. Wie kann man solch blödsinnigen Käse kolportieren? Daß ein Baron von und zu eine heiratsfähige Bismarck-Urenkelin auf der Loveparade trifft, später ehelicht: Wahrscheinlichkeit unter Null. Schöner PR-Gag, nett erfunden, geschenkt. Aber die kaufen denen ALLES ab. Bald haben wir sie wieder, die Kaisergeburtstagsredner-Professoren… Ach, haben wir schon? Je länger man drüber nachdenkt, desto unwohler wird einem.


insider
15.12.2010 17:26
Kommentarlink

Lest mal den Lagebericht hier, von nem Soldaten:
http://www.derwesten.de/nachrichten/politik/Soldat-klagt-ueber-absurde-Vorschriften-id3872697.html

Und dann kommt der Kriegsbaron samt Frau und mit dem Geflügelwurstonkel für nette Eigen-PR.

Kotz!


Hadmut
15.12.2010 17:40
Kommentarlink

Naja, jetzt muß man objektiv aber zugeben, daß die Bundeswehr erstens schon Riesenfortschritte gegenüber dem Stand zum Zeitpunkt meines Grundwehrdienstes (1985/86) gemacht hat, was die Ausbildung angeht. Wir waren damals völlig unbrauchbar ausgestattet und auf dem technischen Stand zweiter Weltkrieg. Mit den Riesen-Handfunkgeräten konnte man weiter werfen als funken, und warme Kleidung gab’s gar nicht.

Und wenn man den Dienstweg kennt, dann muß man es eigentlich begrüßen, daß der da mal hinfährt, um sich das mal selbst anzugucken und sich direkt anzuhören. Man kann nicht einerseits über die Ausrüstung und absurde Vorschriften jammern, und sich dann beklagen, daß der Minister mal hingeht um mit den Leuten persönlich zu sprechen.


Manuel
20.12.2010 14:19
Kommentarlink

Was ich an der ganzen Sache interessant finde ist, dass zu Guttenberg jeglicher Kritik aus dem Weg gehen kann, ohne dass die Medien oder die Opposition nachlegen können. Zu Guttenberg lässt verlauten, dass er das macht, was er für richtig hält und die Oppositionellen kämpfen weiter gegen Windmühlen. Zu Guttenberg ist unantastbar geworden, eine Art Lichtgestalt, die über den restlichen Poltikern schwebt und sich keiner Kritik stellen muss.
Das Unbehagen über diese Art des Besuches ist so eine Levelgeschichte. Auf welchem Level denkt man?
Geht es darum, auf die schwere Arbeit der Soldaten aufmerksam zu machen?
Oder geht es darum, den Soldaten Gelegenheit zu geben, ihre schwere Arbeit vorzustellen, um sie als Helden zu inszenieren, um die Akzeptanz von Soldaten und damit mittelbar auch von Krieg zu steigern?
Oder geht es darum, sich selbst zu inszenieren?
(Zitat (sinngemäß): Ich kann nur jeden zuhause bitten, an Weihnachten auch mal an unsere Soldaten zu denken, die einen sehr schweren Job hier erledigen, auch wenn man gegen den Kriegseinsatz ist.)
Oder geht es gar darum, zu testen, wie weit die Medien einem folgen?

Letztendlich geht es darum, von all dem ein wenig zu erreichen und ob das nun verwerflich ist oder nicht ist schwer zu entscheiden. Aber Fakt ist wohl, dass es keinen anderen Politiker in Deutschland gibt, der sich sowas leisten kann.

Was mir in der Sendung gefehlt hat sind Fragen wie:
Warum sind sie Soldat geworden? Mussten sie selbst schon mal auf Personen schießen und wie war das? Warum haben sie sich zu diesem Auslandseinsatz gemeldet?

Mir wurde zuviel über die Verluste und Probleme der eigenen “Kameraden” und zu wenig über das eigentliche Bekriegen geredet.