Ansichten eines Informatikers

Veraltete Flugzeugtechnik

Hadmut
4.6.2009 0:07

Von wegen High-Tech-Flugzeug…

Ich muß dazu sagen, daß Flugzeuge, vor allem Verkehrsflugzeuge, etwas sind, wovon ich gar keine Ahnung habe. Bischen was weiß ich, aber das würde ich nicht entfernt als Ahnung haben bezeichnen. Ein Sportflugzeug und einen Hubschrauber bin ich mal jeweils für ein paar Minuten selbst geflogen, aber das kann man vergessen, das ist gar nichts.

Aber von Telekommunikation verstehe ich ein bisschen was.

Heute morgen kam was im Fernsehen (und fast das gleiche in der WELT), wo man sich wirklich wundern muß. Da ist doch gerade dieses Flugzeug der Air France vor Brasilien in den Atlantik gefallen. Die haben da zwischendrin mal eine längere Phase, wo sie von keinem einzigen Radar erfaßt werden und niemand weiß, wo sie sind. Die müssen sich dann alle 30 Minuten per Funk – angeblich noch die gleiche Funktechnik wie im letzten Weltkrieg, halt analoge Amplituden- oder Frequenzmodulation – melden und ihre Position durchgeben. Müssen brüllen um sich verständlich zu machen und teilweise völlig ohne Kontakt. Grauslich.

Sehr schön wurde auch erklärt, daß man heute in Flugzeugen – nicht in allen installiert, aber schon seit Jahren verfügbar – per Satellitentelefon von überall aus in klarster Qualität telefonieren kann. Schon vor über 5 Jahren war ich mal in einem Flugzeug über dem Atlantik, in dem man unterwegs problemlos (aber teuer) Telefonieren und Internet nutzen konnte. Per WLAN von jedem Notebook aus.

Das Flugzeug muß ziemlich schnell kaputtgegangen sein. Aber nicht ganz plötzlich. Wenn die Pressemeldungen stimmen, hat das Flugzeug (!) noch etwa ein Dutzend automatisierte Notrufe abgesetzt, daß der Strom ausgefallen ist, daß der Kabinendruck abgefallen ist usw. usw. Das heißt, es war zumindest noch ein funktions- und funkfähiger Bordrechner für einige Minuten in Betrieb, und dieser Bordrechner wußte, daß da etwas schief läuft.

Und trotzdem wissen sie nicht, wo der Flieger abgestürzt ist und müssen nach dem Flight Recorder tauchen gehen.

Warum kann so ein Flugzeug im Störungsfall (oder schon im Normalfall) nicht alle paar Minuten eine genaue GPS-Messung durchgeben? Und vielleicht noch die wichtigsten Werte wie Höhe, Geschwindigkeit, Störungsmeldungen usw.? Nicht, daß das die Maschine vor dem Absturz bewahren würde, aber man findet sie viel schneller und kann damit ggf. Überlebende bergen. Auch das relativ altmodische Verfahren, Flieger auf dem Radar zu beobachten und im Radar über deren Transponder die Flugnummer einblenden zu lassen, könnte man durch solche Übertragungen aufpeppen. Und wenn der Bordrechner merkt, daß der Flieger abstürzt, könnte man beispielsweise die letzten 20 Sekunden der Gespräche im Cockpit komprimiert rausschicken. Oder noch besser: Sie rückwärts senden solange es geht. Oder überhaupt eine digitale Sprechverbindung zum Cockpit aufbauen, egal wo die sind. Eine zentrale weltweit zuständige Leitstelle für Notrufe. Im Prinzip ein gewöhnlicher Anruf mit dem Satellitentelefon. Als ich vor zwei Jahren mit einer Reisegruppe in der Wüste war, hatten wir so ein Ding im Laster dabei. Warum kann man sowas nicht in ein Flugzeug einbauen? Das heißt, man kann ja (s.o.) aber warum baut man es nicht in das Cockpit ein? Man könnte das sogar so machen, daß die Piloten dazu nichts machen müssen, also nicht etwa Nummern wählen oder so. An das Ding einen Akku dran und automatisch aktivieren, sobald der Strom ausfällt oder der Pilot einen Notfallknopf drückt oder sowas. Das hätte in diesem Fall funktioniert, denn der Bordrechner konnte ja prinzipiell Alarm schlagen, und das gleich zwölfmal. Man hätte durchaus, ohne die Piloten von irgendetwas ablenken zu müssen, die Gespräche im Cockpit, die auch der Stimmrecorder aufnimmt, an die Zentrale übermitteln können und müßte jetzt nicht mühsam in 4000 Meter Tiefe nach dem Flightrecorder suchen.

Eine andere Frage ist, warum so ein Flugzeug eigentlich nur einen Flight Recorder hat. Was kostet denn heute eine Flash-Speicherkarte mit vielen GByte? 10 Euro? Warum hat ein Flugzeug dann nicht 10 Flight Recorders über das ganze Flugzeug verteilt?

Und selbst wenn man bei dem althergebrachten Prinzip bleibt: Warum gibt es eigentlich nur einen Stimmrekorder für das Cockpit? Man bekommt heute ab 50 Euro Videokameras für an den Sporthelm, die mehrere Stunden mit Batterie auf Speicherkarte aufzeichnen können. Warum nicht eine Weitwinkelaufnahme des Cockpits und der Innenkabine? Dann kann man auch gleich sehen, ob da Rauch war oder Dunkelheit oder Terroristen oder was auch immer.

Ich finde es jedenfalls komisch, daß man beim heutigen Stand der Technik noch solche Probleme hat.

Nachtrag: Laut SPIEGEL hat der Airbus sogar per Satellit die Störmeldungen an die Firmenzentrale gefunkt. Ursprünglich hatte es sich in manchen Meldungen so angehört, als würde der Bordcomputer da auf normalen Sprachfrequenzen etwas erzählen. Trotzdem – oder umsomehr – verstehe ich nicht, warum sie erst so gar nicht wußten, wo die Maschine runtergekommen sein könnte. Wenn ein Bordrechner in normaler Flughöhe meldet, daß erst alles aus- und dann der Druck abgefallen ist und der Autopilot ausgeschaltet war, dann weiß man zumindest, daß die Maschine ziemlich schnell runtergekommen ist – ob nun kontrolliert oder unkontrolliert. Druckabfall heißt entweder gezielt steiler Abstieg auf überlebensfähige Druckverhältnisse oder bereits bewußtlose Piloten, aber keinen weiten Segelflug mehr (ein Airbus kann selbst bei völligem Triebwerksausfall noch erstaunlich lange und weit segeln, es hat mal einer rund 20 Minuten geschafft). Es ist verbesserungswürdig.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Stefan
4.6.2009 4:12
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Vielleicht hält man die Information über den Absturzort nur zurück, damit Funk, Fernsehen und Presse nicht als erstes am Unglücksort sind.

Einen der Flightrecorder könnte man auch mit einer Art Schleudersitz herauskatapultieren, und so bauen, daß er schwimmend nicht auf 4000, 8000 oder gar 12 000 m Tiefe herabsinkt.