Ansichten eines Informatikers

Ist jetzt zu Guttenberg Wirtschaftsminister – oder seine Frau? (update)

Hadmut
27.3.2009 23:08

Mir ist gerade etwas merkwürdiges aufgefallen. Unser neuer Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte doch – kaum im Amt – im Blitztempo schon wenige Stunden nach Verabschiedung des Eckpunktepapiers einen Gesetzentwurf für eine Kinderpornographiesperre vorgelegt (SPIEGEL, Heise), worüber sich einige Leute sehr gewundert haben. Kaum im Amt, Zuständigkeit (wegen Telemedien) an den Haaren herbeigezogen, zieht er ruck-zuck einen Gesetzentwurf aus der Tasche. Erstaunlich. Oder doch nicht?

Seine Frau, Stephanie Freifrau zu Guttenberg, ist Präsidentin des Vereins Innocence in Danger zu dessen Hauptthemen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie gehören. (Typische Beschäftigung für Politikerfrauen, die genug Geld haben, um nicht selbst arbeiten zu müssen.) Da gibt es auch eine Studie mit etwas kruden Formulierungen zur Thematik der “Unauslöschbarkeit und endlosen Kopierbarkeit der Bilder”. Um es zurückhaltend und subjektiv zu formulieren: Ich habe dem Text nicht so richtig entnehmen können, was sie da genau sagen wollen. Es ist was mit Ohnmacht und Hilfslosigkeit. Und dem Problem, Bilder nicht zurückholen zu können. Ich kenne mich mit der Behandlung traumatisierter Leute oder gar Kinder überhaupt nicht aus. Ich kann mich aber an die Vorfälle damals in der Gegend um Worms (ich war ein paar Jahre vorher dort in der Schule und eine ehemalige Klassenkameradin von mir war dann selbst Lehrerin der damals betroffenen Kinder) erinnern und weiß, daß man als Therapeut, der die Sache falsch angeht, Kindern auch mehr einreden kann, als sie tatsächlich erlebt haben und dabei die psychischen Schäden bei ihnen hervorrufen, als hätten sie es erlebt. Ein Therapeut, der sich selbst zu sehr in die Sache steigert, kann kontraproduktiv sein, und seine eigenen Ängste auf die Kinder übertragen. Das ist so der erste Gedanke der mir beim Lesen einiger Seiten dieser Studie kam.

Da drängen sich mir nun zwei Fragen auf:

  • Dient unser neuer Wirtschaftsminister zu Guttenberg dem Volk, der Wirtschaft oder den Interessen seiner Frau?
  • Ursprünglich wurde das Thema Kinderpornographie von Schäuble, von der Leyen und Glos getragen. Dann wollte Glos nicht mehr und die Sache Kinderpornographie drohte zu kippen, weil zuviel Gegenwind kam. Hat etwa die Nähe zu Guttenbergs zu dem Thema seine Auswahl als neuer Minister beeinflußt oder begünstigt? Wurde der zur Verstärkung geholt?

Nachtrag: Laut Berliner Morgenpost wurde sie erst nach der Ernennung ihres Mannes zum Bundeswirtschaftsminster Präsidentin von “Innocence in Danger”. Sie wird da aber trotzdem schon vorher aktiv gewesen sein, man wird ja nicht so spontan Präsidentin. Seltsam wirkt allerdings, daß man da schon seit 2003 auf Galas Spenden sammelt, was sich insgesamt mehr nach gesellschaftlichem Ereignis der obersten Gesellschaftsschichten als nach ernsthafter Bekämpfung der Kinderpornographie anhört. Schon die Verbindung von Kinderpornographie mit einer Gala halte ich für eher geschmacklos. Umsomehr stellt sich allerdings auch die Frage, warum unserer Regierung die Sache mit der Kinderpornographie erst kürzlich einfiel, wenn das doch schon seit 2003 durch die Galas geistert.

Nachtrag2: Also wenn man sich diese Bilder so ansieht, dann scheint “Innocence in Danger” eher so ein Vergnügungsevent für die obersten Reichen, Schönen und Prominenten mit eingebautem Rechtfertigungsalibi zu sein:

  • http://www.am-ende-des-tages.de/g/050701-innocence-in-danger/. Zitat:

    models wie lagerfelds muse marlene landauer, nadja auermann, jette joop + annabelle mandeng waren nebst dem “dreier” marielle ahrens, tanja bülter + yvonne hölzel der blickfang beim benefiz-dinner innocence in danger in der orangerie von schloss charlottenburg. schirmherrin eva luise köhler wurde von event-organisatorin gräfin isa von hardenberg und friede springer begrüßt, tafelte neben wowi. mit zur illustren gesellschaft gehörten sabine christiansen, thomas bohrer-fielding + shawne, udo walz, dagmar siegel, lucia aliberti, vanessa von zitzewitz, barbara becker, bettina cramer + nova meierhenrich.

    ulrich meyer und georgia tornow feierten jubiläum der akte05 im medienhaus mit caroline beil, die als jazz-sängerin ihr können zeigte.

  • http://www.monstersandcritics.de/artikel/200818/article_77498.php/In-Bildern-Benefizgala-Innocence-in-Danger. Ein Stell-dich-ein der Promis und derer, die gerne in die Kamera schauen.

Also, was mich angeht: Bei mir bildet sich gerade eine Meinung. Aber keine gute.

9 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
28.3.2009 1:36
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“Durch pornographische Ausbeutung von Kindern werden jährlich ca. 24 Milliarden US $ umgesetzt”. Das sind bemerkenswerte 3$ pro Kopf der Weltbevölkerung, Frauen und Kinder mitgerechnet, Inder und Pakistanis, Chinesen und Ghanaer.

Bedenkt man, wie viele Leute keinen Cent für sowas übrig haben, und wieviele keine 3$ haben, so bleibt der große Batzen an recht wenigen hängen, die dann also Tausende Dollar dafür pro Jahr aufwenden.
Aber: “Das internet (…) liefert Pornographie relativ günstig,” (Hintergrund-Seite)

Würde mich nicht wundern, wenn der Verein nur aus einer Handvoll Edelmitgliedern bestünde. Zur aktuellen Debatte findet man auf der Seite nichts – ich zumindest nicht.

Aber wo gab es Gegenwind gegen das Thema – wo war der in der aktuellen Debatte, und inwiefern genügte dafür die Installation des WiMi?

Laut PDF: “15 der Mädchen und 5 der Jungen waren über die Verbreitung ihrer Bilder im Internet informiert. 6 dieser Mädchen und alle 5 Jungen hatten ihre Bilder auch bereits im Internet gesehen.”
Ich überfliege das nur, und man muß bedenken, daß die Grundgesamtheit 53 Mädchen und 23 Jungen umfaßt, die Opfer pornografischer Ausbeutung geworden sind, und deshalb mit Beratungsstellen Kontakt hatten.

Die Zahl der gesichteten Photos erscheint mir enorm hoch. Die müssen ja selbst nach dem Material gesucht haben – nun, gut vorstellbar, wenn man Opfer geworden ist, und weiß, dabei fotografiert oder gefilmt worden zu sein. Aber dann ist solches Material wohl doch leichter zu finden als ich dachte, oder die Opfer haben mit viel Engagement gesucht. Das steht aber im Gegensatz zur Tendenz das Problem verdrängen zu wollen.

Ein guter Freund von mir ist Therapeut und behauptet, daß man mit sorgfältiger Arbeit ausschließen kann, daß ein Kind ausgedachte, oder von fremden eingeflößte Beschreibungen(Sorgerechtsstreit), entdecken kann. In der Phantasie kommt ein Kind nicht auf die “richtigen” Ideen, was ein Täter tun würde – ausdenken und verstehen kann man sich soetwas nur wenn man selbst die entsprechende sexuelle Reife erreicht hat. Man kann sich vielleicht in die Zeit der eigenen zarten Jugend zurückversetzen, und versuchen sich zu erinnern, wie die eigenen, frühen, sexuellen Phantasien aussahen, und was sie mit der Realität zu tun hatten.

Mit der “Unauslöschbarkeit und endlosen Kopierbarkeit der Bilder” ist gemeint, daß die Bilder ja in Tauschzirkeln kursieren, und man wahrscheinlich nie die letzte Kopie erwischt, um sie zu vernichten, so daß diese für immer der Nachwelt erhalten bleiben, und immer wieder ungebeten im eigenen Leben auftauchen können.
Das ist bedeutsam, weil es für die Opfer mit Scham verbunden ist, und so das Trauma wieder ausgelöst werden kann.

Für die Debatte ist es wichtig, weil viele nur die eigentliche Tat als bedeutsam sehen, d.h. ein Eindämmen der Bilder finden viele unwichtig, weil die Tat ja bereits passiert ist, und nicht ungeschehen gemacht wird. Daß für die Opfer auch die Verfügbarkeit der Bilder eine Belastung ist, wird übersehen.

Die Studie sagt aber, daß viele Opfer das Thema verdrängen, und das erst ab einer gewissen Reife (13 Jahre) und Verständnis für das Funktionieren des Internets das Thema überhaupt besprochen werden kann. Es würde auch selten von den Opfern selbst angesprochen. Es ist aber wohl wichtig darüber zu sprechen, damit die Betroffenen nicht später unvorbereitet darüber stolpern.

Das Vorhandensein von Bildern kann aber als Entlastung erlebt werden, wenn dem Opfer aufgrund der Bilder geglaubt wird.

Mein Personengedächtnis und -erkennvermögen ist nicht so, daß ich leicht erkenne wenn mir Freunde Kindheitsbilder zeigen (was glücklicherweise selten genug der Fall ist), wer davon sie sind. Weiß ich dann, wer wer ist, so sehe ich schon eine gewisse Ähnlichkeit, aber wenn ich ihr Foto sonstwo sähe, würde ich keinen Menschen erkennen. 🙂
Als Opfer und Hauptdarsteller eines Kinderpornos wird man wohl etwas paranoider die Chancen betrachten, erkannt zu werden, die Konsequenzen sind viel unangenehmer. Und alle Personen die von den Fotos wissen (Richter, Polizei, Psychologen, Täter, Anwalt, Angehörige) haben die Chance diese Fotos einzusetzen – das ist sicher auch unangenehm.

Ich weiß wiederum nicht, ob ich Deine Frage verstanden habe. 🙂


Jens
28.3.2009 8:40
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“Schon die Verbindung von Kinderpornographie mit einer Gala halte ich für eher geschmacklos.”

Hmm? Zeigt die Uschi da auch ihre Bildersammlung?


yasar
29.3.2009 19:51
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Natürlich ist es für die Opfer wichtig, daß die Verbreitung der Bilder verhindert wird. Nur sind Filter das falsche Werkzeug, wenn man genausogut die Server direkt abschalten kann, was IMHO viel einfacher effektiver und wirkungsvoller gegen die Verbreitung helfen würde.


Stefan
30.3.2009 4:58
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@yasar: Ich habe nie und nirgends Filter für das passende Mittel erklärt – sollte sich das an mich gerichtet haben.
Selbst wenn es ein paar Leute abhielte, die aus irgendwelchen Gründen dann ihre DNS-Einstellungen nicht ändern, so ist die Folge, daß jeder Pup auf die Liste gesetzt wird, weil es ja so leicht ist, viel zu bedrohlich.

Frau Schavan forderte offenbar schon gewalthaltige Inhalte im Netz zu sperren (im Winnendenwahn). http://www.focus.de/digital/computer/kriminalitaet-schavan-gewalt-seiten-im-internet-sperren-lassen_aid_381771.html
P.S.: Nein, ich schaue nicht häufiger beim Focus vorbei.


ODEM.blog
30.3.2009 21:31
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Der Gesetzesentwurf für Internet-Sperren: Europa oder alle Länder?…

Nun ist er da, der Arbeitsentwurf des Internet-Sperr-Gesetzes vom Wirtschaftsministerium (PDF, Gescannt und OCR, fehlerhafte einzelne Zeichen daher möglich). Da ich noch meinen Vortrag auf der re:publica vorbereiten und anderes erledigen muss, hi…


Jens
31.3.2009 12:42
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Ist das “nur OCR ohne Grafik” Absicht, damit man die Quelle nicht so leicht zurückverfolgen kann? Oder dient das nur der Bandbreiteneinsparung?


[…] Zusammenhang mit dem Zensurgesetz sollte man sich auch mal diesen Artikel durchlesen, der zeigt, wer wohl im Hause Guttenberg die Hosen an […]


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