Ansichten eines Informatikers

Rigorose Evolutionstheorie

Hadmut
7.1.2009 23:50

In der ZEIT war ein Artikel über alte und neue Aspekte in der Evolutionstheorie, der mir so richtig gut gefallen hat. Bestätigung meiner Sichtweisen und Interessante Denkanstöße.

Plausibel und interessant, aber eigentilch nicht überraschend, sondern nur konsequent überlegte Konsequenz, ist, daß nicht nur der Körperbau selbst, sondern auch alle größeren Verhaltensmuster des Menschen Folge der Evolution sind. Ob nun der barmherzige Samariter, der Mitläufer in der Masse oder der Egoist – all das sind vielleicht von der Evolution hervorgebrachte und durch unsere heute entfernungsüberbrückende und inzwischen sogar globale Lebensweise durchmischte Verhaltensweisen. Es ist sicherlich nicht politisch korrekt und könnte mit schlechtem Gedankengut assoziiert werden, aber es ist wohl durchaus Stand des Wissens, daß es da auf der Welt verschiedene Menschenunterarten gibt, die sich den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten in verblüffend kurzer Zeit evolutionär angepasst haben, als der Mensch noch lokal gebunden war. Dabei ist der Mensch erstaunlicherweise aber – im Gegensatz zu machen Tierarten – zu sich selbst fortpflanzungskompatibel geblieben. Man kann die Menschen vom Punkt A der Erde mit denen vom Punkt B kreuzen – und tut das inzwischen auch munter, was anscheinend dazu führt, daß die Evolution nicht zu Ende ist, sondern vielleicht gerade erst richtig loslegt. Aber nach veränderten Spielregeln.

Durch den Fortschritt der Technik und der Medizin – und vielleicht demnächst schon durch die Gentechnik – sind wir nicht mehr beim herkömmlichen natürlichen Selektionsdruck des Survival of the fittest nach Maßstäben des Überlebens in der Wildnis.

Boten die Verhaltensweisen, die wir als “menschlich” bezeichnen, früher Überlebensvorteile? Hat der eine in einer Gegend überlebt, weil er sozial, rücksichtsvoll, nächstenliebend, altruistisch war, was sich in der Gegend A als Vorteil erwies? Und ist der andere ein korrupter Opportunist oder gar Krimineller, weil es in einer anderen Gegend B eben von Überlebensvorteil war, so veranlagt zu sein? Kommen wir wieder zurück auf die eigentlich schon als mittelalterlich veraltete und als absurd abgetane Auffassung, daß Verhaltensweisen angeboren, genetisch bedingt sind? Aber vielleicht mit anderer Konsequenz, daß nämlich der unverbesserliche Raubmörder nicht auf irgendwelchen schlechten oder kaputten Genen beruht, sondern auf Genen die die Evolution unter Bedingungen hervorgebracht hat, in denen das die beste Überlebensstrategie war?

Es würde zusammenpassen mit der neueren Gehirnforschung, die ja auch sagt, daß wir keinen so wirklich freien Willen haben, sondern das Gehirn schon vor unserem Bewußtsein weiß, was wir “wollen” und uns den freien Willen nur vorgaukelt. Und damit möglicherweise auch die Verhaltensweise vom Aufbau des Gehirns abhängt und damit genetisch bedingt ist.

Es würde in gewisser Weise unsere gesellschaftlichen Normen und unser Strafrecht in Frage stellen. Was kann der Räuber dafür, daß er von jemandem abstammt, für den die Evolution dies als Überlebensstrategie erarbeitet hat?

Auf den Punkt gebracht hat das in dem Artikel der Satz, daß das Huhn letztlich überhaupt keinem anderen Zweck mehr dient, als die beste Vermehrungsstrategie der DNS der Hühner zu leisten. Das Huhn ist in seiner Gesamtheit und seinem ganzen Verhalten nur darauf optimiert, Hühner möglichst gut überleben zu lassen. Sonst nichts. Gar nichts. Und damit letztlich auch der Mensch. Alles was wir sind und wie wir uns verhalten, ist letztlich nichts als das Abfallprodukt der Vermehrungsoptimierung.

Intelligenz, Gefühle, Verhaltensweisen, Forscherdrang, Ordnungsliebe, Sozialverhalten, Wissenschaft, Sprache, Schrift – alles nur zufällig durch Mutation entstandene “Defekte” und Variationen, die sich beim Überleben irgendwann als Vorteil erwiesen.

Es wirft neue Fragen auf, auch nach der Ethik. Vieles müßte neu definiert werden, gesellschaftliche Normen hinterfragt werden.

Unsere Normen sagen, daß gewisse Handlungen strafbar sind und daß wir das nicht tun und wollen.

Wäre es nach dieser Logik aber nicht sinnvoll, sich gegen diese Normen zu verhalten? Viele Europäer haben inzwischen keine oder nur noch wenige Kinder. Wäre es aus biologisch-evolutionärer Sicht für die Weitergabe der eigenen Gene nicht das effektivste, mit Gewalt in kurzer Zeit möglichst viele Frauen zu vergewaltigen, damit mindestens mal 30-40 Kinder in die Welt zu setzen, anschließend als Massenmörder möglichst viel Nachwuchs der Konkurrenten umzulegen und dann einfach in Kauf zu nehmen, erschossen oder auf dem elektrischen Stuhl geröstet zu werden? Man hätte dadurch mehr Nachwuchs erzeugt und bessere evolutionäre Leistung gebracht als der gewöhnliche Spießbürger. Man würde sich verhalten wie ein Tier, und bei vielen Tierarten geht es ja auch genau so zu.

Vielleicht ist der Mensch aber Mensch, weil er eine ganz andere Überlebensstrategie gefunden hat, die insgesamt und durch die starke Durchmischung in der Summe effektiver ist als die Vergewaltigungsmethode. Vielleicht ist es erst die Fähigkeit, Gesellschaften mit festen durchgesetzten Spielregeln zu bilden, die die Vergrößerung der Population ermöglichte. Der Vergewaltigungstäter würde – unterstellt es gäbe nur solche – wohl immer noch mit der Holzkeule in der Steinzeit herumlaufen, oder wäre vielleicht schon ausgestorben, durch Krankheit, Kriege und dergleichen mehr. Der kooperierende, forschende, arbeitsteilende Mensch hatte aber Vermehrungsvorteile und hat sich deshalb gegenüber dem anderen durchgesetzt. Und um diese Ordnung aufrechtzuerhalten, Regeln eingeführt, die wir heute Gesetze nennen. Konnte sich der Spießbürger in der Summe besser vermehren als der Macho-Pascha?

Ist der eine ein fauler, raffgieriger, korrupter Drecksack, weil das Sammeln und Anhäufen für seine Vorfahren überlebensgünstig war, und der andere ein biederer, fleißiger, bescheidener Arbeiter, weil das woanders von Vorteil war?

Die Evolution als Spezialgebiet der Spieltheorie? Daß es keine anderen Regeln und Ziele als der Bessere gewinnt gibt?

Es wirft Fragen auf, was eigentlich Religion ist. Letztlich vielleicht nur eine Genmutation des Menschen, die ihn dazu brachte, einen gewissen Herdentrieb zu zeigen und sich Regeln zu unterwerfen, in gewisser Weise gelehrig/dressierbar zu sein. Leute mit dieser Macke hielten sich an vorgegebene Regeln, lebten gesünder, waren “fruchtbar und vermehrten” sich. Noch heute ist es so, daß religiöse Familien oft viele Kinder haben. Religionsanfälligkeit oder überhaupt der Drang, sich sozialen, herdenweiten Regeln zu unterwerfen, wie auch immer die lauten, als evolutionärer Vorteil?

Ist eine Religion vor allem dann von Vorteil, wenn sie sehr strikte Verhaltensweisen predigt, “Ungläubige” tötet, auf umfangreiche Fortpflanzung drängt, natürlich nur mit formaler Ehe innerhalb der Religionsgemeinschaft? Die Teilnehmer an solchem Vorgehen würden sich stärker vermehren als die Kritiker, vor allem wenn man sie erschlägt oder am Fortpflanzen hindert. Religiosität als evolutionärer, sich selbst verstärkender Überlebens- und Fortpflanzungsvorteil? Je aggressiver die Religion, desto stärker der Evolutionsvorteil der “Gläubigen” gegenüber den “Ungläubigen”? Religion als Befriedigung des evolutionär antrainierten Dranges, sich auf feste, lebenslange Regeln prägen zu lassen, ähnlich wie das Küken nach dem Schlüpfen auf “Mutti” geprägt wird? Und vielleicht auch der ganze Sektenquatsch, der Kommunismus, der Nationalsozialismus und dergleichen? Alles nur der passende Schlüssel für das dringende, angeborene Bedürfnis, mit irgendeiner strikten Firmware geladen zu werden?

Würde einiges erklären. Siehe auch diesen da.

Was aber ist dann Wissenschaft? Auch nur eine Befriedigung des Bedürfnisses nach Regeln? Es gibt eine Menge “Wissenschaftler”, die sich völlig unwissenschaftlich verhalten, aber die strenge, klerikale Hierarchie wollen. Vielleicht hat das ganze Wissenschaftstheater und -gehabe bei denen als Schlüssel in das Religions- oder Korruptionsschloss gepaßt. Vielleicht ist die Wissenschaft bei uns deshalb so steif, altbacken, hierarchisch, weil sie bei zu vielen in das falsche Schlüsselloch paßt.

Würde das auch die seltsam unwissenschaftliche Arbeitsweise mancher Wissenschaftler erklären? Den ganzen Hierarchie-Zauber? Den Rangordnungs-Humbug mit cand., dipl., Dr., habil usw.? Daß hier mehr der Drang noch Ordnung als der Drang nach Wissenschaft bedient wird? Daß es nicht um Wissenschaft, sondern um das Befriedigen des Bedürfnisses nach einem Ordnungssystem geht?

Und ist umgekehrt das Konzept des Gottes, wie Boyer es schreibt, nicht Folge des Relgions- und Regeldranges, sondern erstaunlicherweise des Wissenschaftsdranges, daß nämlich der Mensch (ok, sicherlich nicht jeder) sich irgendwann das Gen eingefangen hat, daß er zu allem was passiert, eine zum Gen passende (vulgo: “plausible”) Erklärung haben will? Der eine sucht nach physikalischen Erklärungen, der nächste will irgendwelchen Aberglauben, der dritte braucht einen Gott, der das alles gebaut und gewollt hat?

Sind Religion und Hierarchien wie die des Wissenschaftszirkusses Folgen des Ordnungsdranges einerseits, und Gott und Wissenschaft Folgen des Erklärungsdranges andererseits? Hat Religion – wie ich schon immer glaube – gar nichts mit Gott, sondern mit Ordnung zu tun? Und Gott ist nur das Begründungsvehikel?

Interessant. Muß ich mal drüber nachdenken. Trifft eigentilch meine Sichtweise, aber in anderer Herangehensweise.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
8.1.2009 2:56
Kommentarlink

Hatten wir nicht schon ein ähnliches Thema?

Mich stört, wie viele Interpreten der Evolutionstheorie aus einer Funktion einen Willen, ein Ziel, eine Absicht ableitet.

Die Evolution hat kein Ziel, und keine Absicht.

Das Gen interessiert sich einen feuchten Kehrricht für seine eigene Zukunft, es will nicht von einem Huhn verbreitet werden, weil es schlicht nihts davon hat.

Soweit wir wissen haben Menschen und Tiere Bedürfnisse, die befriedigt werden können, oder auch nicht.

Ein Gen hat aber kein Interesse, denn dazu benötigt man Nerven und ein Hirn – zum Beispiel.

Dem Stein in der Steinlawine ist es auch wurscht, daß es ins Tal hinab geht, auch wenn der poetisch gestimmte Wanderer bemerken mag, daß es den Stein talwärts zieht.

Dem Geologen dagegen ist der größere Kontext klar: Gebirge werden abgeschliffen, weil das Hochgebirge ein Mittelgebirge werden will.

Auch wenn sich die Prozesse so beschreiben lassen – der Stein, das Gebirge, der fallende Apfel und das Gen – sie alle haben keine Interessen, keine Pläne und keine Ziele.

Menschen die ins Tal gehen haben womöglich Ziele, Absichten und Wünsche (die Braut treffen, Speck kaufen) aber die Neigung der Natur solche Motive anzudichten ist im Effekt die Produktion von Religion: ein zürnender Gott schleudert Blitze, um die sündigen Menschen zu strafen – dem Effekt muß eine Absicht vorangehen, so das zugrunde liegende Muster.

Weil sich Ameisengene per Ameise verbreiten muß das Ameisengen die Ausbreitung der Ameise steuern.

Nun – fragen wir das Sauriergen nach seinen Absichten – welche waren es? Eine temporäre Rolle zu spielen?

Im Kontext verglühender Sonnen und schwarzer Löcher sollte der Mensch sich sputen an interstellaren Reisen zu forschen – allerdings: Was juckt es mich, ob die Menschheit noch 10 tsd. Jahre, oder noch 10 Mio. Jahre durchhält?

Mein Lust- und Bedürfnisapparat arbeitet zwar nach natürlichen Gesetzen, aber ich bin diesen nicht willenlos ausgeliefert – vielmehr bin ich die einzige Größe, die einen Willen hat. Weder mein Herz oder meine Lunge, Knochen und Blut, Muskeln und Gene, noch meine Familie, Stadt oder Nation hat einen Willen – das Individuum alleine kann einen Willen haben.
Ich glaube, auch Tierindividuen haben einen Willen – aber gut, das führt hier zu weit.

Man kann auch sagen: Wenn die Natur schon für das ‘survival of the fit’ sorgt, dann muß ich es nicht noch unterstützen, sondern kann mich den Pralinees, der Rockmusik, oder was mein Hobby sein mag widmen.


Außerdem wird gerne übersehen, daß der Mensch wie kein zweites Lebewesen Kultur entwickelt hat, die ihn von der langsamen Informationsübertragung per Genetik befreit und befähigt hat, mittels Sprache, Büchern, Videos usw. Wissen und Fähigkeiten a) in entlegendste Gebiete zu transportieren, ohne dort pausenlos rum zu bumsen, und das Wissen von unzähligen anderen Personen in einer neuen Person zu vermischen, während nur 2 unmittelbare Vorfahren ihre Gene weitergeben könnten.

Wie lange müßten sich Menschen sexuell vermehren um fliegen zu lernen? Mit Naturwissenschaft und Bücher können wir es schon.

Informationen per Blog weiterzugeben kann effektiver sein, als mit dem Sperma. 🙂 Der Spaßfaktor ist in beiden Fällen wohl: gemischt. 🙂

In dem Zusammenhang kann man von einem Justizsystem schlecht absehen, daß Verbrecher verurteilt, wenn sie die Regeln verletzen.

Der freie Wille sitzt natürlich im Hirn, nur darf das Hirn nicht als Gegensatz zum Individuum aufgefaßt werden.
Wenn man sagt, daß Hirn habe längst beschlossen dies oder jenes zu tun, bevor es mir bewußt wird, so ist es doch _mein_ Hirn, also bin ich es – wer sonst?

Dieses Ich kennenzulernen, um eben vorher zu wissen, was man tun wird, und zu durchschauen, wie man selbst tickt, und andere ticken, um bewußte Entscheidungen zu treffen – weder hilft mir dabei eine Evolutionstheorie, wonach ich Gene aus der Vergangenheit in die Zukunft trage oder nicht, noch helfen mir die Religionen da weiter, und einen Paradigmenwechsel durch neueste Hirnforschung sehe ich da auch keine.

Vielleicht hatten die Hirnforscher zuvor naive Vorstellungen vom Ich? Wo lebten die bislang?

Man will die Bude aufräumen und tut es nicht, oder weniger, gesünder Essen, und tut es nicht.
Anderes nimmt man sich vor und tut es auch – vielleicht finden sich ja wesentlich bessere Begriffe, als Kultur und Natur. Bewußtsein, Unbewußtes und Überich.

Auch wenn der Straftäter nicht anders konnte, als Straffällig zu werden, und wenn wir nicht ein Rezept aus der Schublade ziehen können, um Straftaten zu verhindern, so müssen wir vielleicht doch bestrafen und einsperren, solange wir nichts besseres wissen.


Hadmut
9.1.2009 22:07
Kommentarlink

Du machst einen Denkfehler: Nämlich den unklaren Gebrauch von “Wollen”. Die DNA, die ein ordentlich vermehrungsfähiges Huhn zustandebringt, vermehrt sich, die andere nicht. Ohne daß sie dies gezielt “wollen” müßte.

Einige Neurologen sind übrigens inzwischen der Ansicht, daß an unserem menschlichen Willen auch nicht viel mehr dran ist.


Stefan
10.1.2009 0:18
Kommentarlink

Den Denkfehler sehe ich nicht – vielmehr scheint mir das mein eigenes Argument zu sein: die DNA vermehrt sich, aber ohne es zu wollen. Die Vermehrung ist eine reine Funktion.

Das menschliche Wollen ist dagegen eine seit langem gebrauchte Begrifflichkeit, womöglich mehrdeutig, womöglich nicht leicht präzise abzugrenzen.

Bekannt ist mir die Behauptung, daß wir gerne in einem Sessel sitzen, und zu einem Glas Flüssigkeit greifen, und denken, “Oh jetzt ein Schluck IRGENDWAS” (Wasser, Wein, was immer). Und daß sich zeigen läßt, daß der Impuls zu trinken sich muskulär äußert, bevor das Bewußtsein davon Wind bekommt, und daß das Bewußtsein auch nicht merkt, daß es hinterher hinkt, sondern meint, es selbst wäre zuerst auf die Idee gekommen zu trinken.

Für manche Neurologen mag das neu sein – ich glaube es war Wittgenstein vor etwa 100 Jahren, der darauf hinwieß, daß ein 1000-Füßler stolpern würde, würde er über das Gehen nachdenken.

Ein Großteil unserer Handlungen ist weitgehend automatisiert (Gehen, trinken, Paßwort eingeben), daß wir es unreflektiert abspulen.
Bei größeren Investitionen, der Frage ob man umziehen soll, heiraten, wo Urlaub machen ist aber planerische Vernunft tätig.

Ich könnte als alter Bergsteiger den Rat des Arztes befolgen, und zum Reizklima der Nordsee fahren – auch wenn ich seit 30 Jahren in die Alpen fahre. Wenn man das nicht freien Willen nennen will – wie dann?

Bin ich dann konditioniert alles zu befolgen, was ein Weißkittel mir sagt?

Manchmal glaubt man, die Neurologen wollen einen freien Willen widerlegen, der in der Art frei ist, daß er weder Gewohnheit, noch Beeinflußbarkeit kennt. Wer wirklich frei ist, der macht Urlaub im Industriepark von Castrop-Rauxel.

So hat aber niemand den freien Willen definiert.


Camie
12.1.2009 15:39
Kommentarlink

Hallo,

diese Erklärungen mit Formulierungen wie “Absichten” und “Willen” sind natürlich streng genommen nicht richtig, die DNA “will” nichts, aber man gebraucht sie meist als Krücke um Evolutionäre Vorgänge halbwegs einfach erklären zu können.
Bezüglich freiem Willen und der Wichtigkeit von Genen auf der einen und äußeren Faktoren auf der anderen Seite gibt es im Moment allerhand neue Theorien, z.B. dass durch den Stoffwechsel im Mutterleib schon viel “einprogrammiert” wird mit dem Gene nur bedingt zu tun haben. Oder dass Neurologen mit bestimmten Messungen Entscheidungen vorhersagen können, bevor sich der Mensch bewußt ist dass er sich entschieden hat.

Bezüglich der “Überlebensstrategien” in der Evolution – wenn man sich mal verschiedene Tierarten anguckt sieht man dass unzählig viele Strategien zum Erfolg führen können, je nach ökologischer Nische. Zum Beispiel gibt es Schildkröten die nur ein Ei gleichzeitig legen, und andere Meeresschildkrötenarten die über hundert legen, von denen aber nur ein kleiner Anteil überhaupt das Meer erreicht. Elefanten sind ganze 2 Jahre trächtig und bekommen nur ein Kalb, Mäuse produzieren dagegen so viel Nachwuchs in kurzer Zeit wie sie können, von dem aber nur wenig überlebt. Der Mensch kommt extrem unreif zur Welt und bedarf extrem viel Pflege bis er sich fortpflanzt – das ermöglicht überhaupt erst, dass der Mensch sich nicht nur auf Instinkte verlassen brauchte (wie z.B. Schlangen deren Gelege komplett verlassen werden, die Jungtiere haben schon alle Verhaltensweisen die sie brauchen), sondern durch Lernen sehr komplexe Verhaltensweisen weitergegeben und verfeinert werden konnten.

Ich bin eher der Meinung dass Elemente wie Religion, Kultur und Wissen eigene Systeme darstellen, die unabhängig von der biologischen Evolution sind aber nach ähnlichen Regeln funktionieren. Denn welcher Religion man anhängt ist eher nicht genetisch veranlagt. Wenn Anhänger einer Religion sich ausschließlich untereinander fortpflanzen, vermischen sich die Systeme natürlich.

Für eine evolutionäre Weiterentwicklung ist die persönliche Entscheidung (z.B. Partnerwahl) jedes einzelnen auch nicht so wichtig, das ist eine Sache von Wahrscheinlichkeit. Ist eine bestimmte Eigenschaft günstiger, reicht es schon wenn Lebewesen die diese Eigenschaft tragen nur einen winzigen Vorteil hat, damit in einer Population von tausenden oder zigtausenden im Laufe von ebenso vielen Jahren diese Eigenschaft sich immer weiter verbreitet.

In Malariagebieten ist zum Beispiel die Sichelzellanämie stark auf dem Vormarsch, eine Erbkrankheit mit Punktmutation im Hämoglobin – mit fatalen Folgen. Aber Träger die selbst nicht erkrankt sind (heterozygote) sind wesentlich resistenter gegenüber Malaria, sodass in manchen Gegenden 1/3 der Bevölkerung dieses Gen tragen. Wo es keine Malaria gibt, tritt diese Krankheit so gut wie überhaupt nicht auf.