Ansichten eines Informatikers

Kryptographie in der Rechtsprechung: Hash-Summen

Eine hochinteressante Entscheidung des LG Frankenthal über den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 9 Urhebergesetz.

In den Blogs von Rechtsanwälten habe ich heute die besagte Entscheidung gefunden, Link-Kette Internet-Law.de, Wilde & Beuger, PDF.

In der Entscheidung finden sich einige sehr bemerkenswerte Stellen:

  • In der Rechtsprechung und der Strafverfolgungspraxis wird – auch bei Anfragen nach § 113 TKG – häufig argumentiert, daß es sich bei der Frage “Wer hatte zum Zeitpunkt X die dynamische IP-Adresse Y” nicht um eine (den richterlichen Beschluß erfordernde) Frage nach Verkehrsdaten handele, sondern nur um eine Bestandsdatenanfrage handele, weil ja der Fragende die Verkehrsdaten schon hätte und nur noch Name und Anschrift, also Bestandsdaten, haben will. Das LG Frankenthal sieht das anders und sagt, daß es unerheblich ist, daß die Anfrage sich lediglich auf Name und Anschrift bezieht, weil die Zuordnung nur unter Verwendung von Verkehrsdaten ermittelt werden kann.
  • Das Gericht sagt (Seite 7) über kryptographische Hash-Werte

    Im Übrigen ist … ohnehin äußerst fraglich, inwieweit dem ermittelten, in ihrer Antragsschrift noch als “genetischer Fingerabdruck” der Datei bezeichneten Hashwert überhaupt eine Aussagekraft für Verfahren der vorliegenden Art zukommt. Danach genügen nämlich bereits geringfügigste Änderungen an einer Datei (etwa die Hinzufügung eines Satzzeichens bei einer viele Millionen Zeichen enthaltenden Programmdatei), um einen völlig anderen Hashwert zu erhalten.

  • Anders als in bisheriger Rechtsprechung anderer Gerichte geht das LG Frankenthal auch nicht davon aus, daß schon der Tausch einer einzelnen Dateie das vom Gesetz als Voraussetzung für den Auskunftsanspruch geforderte “gewerbliche Ausmaß” erfüllt.
  • Zwar ausdrücklich offen gelassen, aber doch als Wink mit dem Zaunpfahl angesprochen hat das Gericht die Fragen der Verhältnismäßigkeit und ob mit Blick auf die Rechtsprechung BVerfG solche Daten nur für die Verfolgung schwerer Straftaten nach § 100a StPO genutzt werden dürfen.

Das sind einige sehr interessante und wichtige Punkt. Einer persönlichen oder fachlichen Bewertung enthalte ich mich an dieser Stelle, auch wenn es mich in den Fingern juckt, denn es laufen noch andere Verfahren ähnlicher Art und gleiche Rechtsfragen, bei denen ich gerade keiner der Parteien über die hier veröffentlichte Entscheidung hinaus Hinweise geben möchte. Vielleicht später mal. Interessiert mich jedenfalls sehr, weil ich ja auch schon mit kryptographischen Fachfragen vor Gericht war, und es gibt bisher kaum Gerichtsentscheidungen zur Kryptographie.