Ansichten eines Informatikers

“Mehr Kriminalität durch Milde”

Hadmut
30.3.2009 0:33

Im juristischen Beck-Blog habe ich einen Hinweis auf einen interessanten Artikel in der FAZ gefunden.

Danach kommt es nicht so sehr darauf an, wie hoch ein Straftäter bestraft wird, auch harte Strafen schrecken nicht so wirklich ab. Wichtig ist, daß der Täter überhaupt bestraft wird. Und genau dürfte das Problem der deutschen Strafverfolgung liegen. Wie schon in dem Artikel anklingt, werden in Deutschland seit Jahren immer mehr Strafverfahren einfach so eingestellt – mit der Botschaft an die Täter, daß sie ungestraft durchgekommen sind.

Ich kann das sowohl aus meinen Erfahrungen in der Korruptionsbekämpfung, als auch in der IT-Praxis bezüglich IT-Straftaten oder Straftaten unter Einbezug von IT beobachten. Viele Fälle von Betrug usw. werden reihenweise eingestellt.

Als Gründe dafür würde ich folgendes sehen:

  • Unsere Justiz ist objektiv überlastet und hat nicht die nötige Leistungsfähigkeit. Das liegt einmal an der hundsmiserablen Organisation und technischen Ausstattung, die oft noch auf dem Stand etwa Mitte des letzten Jahrhunderts steckengeblieben ist. Moderne Computer sind die Ausnahme, oft sind da altertümliche Aktenberge und historische Diktiergeräte im Einsatz. Wäre unsere Justiz eine Firma, wäre sie längst pleite.
  • Der nächste Grund ist, daß der Staat auf den steigenden “Justiz-Bedarf” nicht mit Ausbau der Justiz, sondern mit Verknappung antwortet. Beispielsweise wurden im Verwaltungsrecht die Rechtsmittel rigoros zusammengestrichen, eine Berufung gibt es oft nicht mehr, weil man auf diese Weise der Überlastung beikommen will. Indem man die Justiz einfach verkürzt.
  • Die Gesetze werden immer komplizierter und unverständlicher, sie ändern sich immer öfter. Folge einer Politik, die immer weniger Sachkunde hat und immer mehr Lobbyeinfluß unterliegt. Folglich kennen sich ziemlich viele Staatsanwälte und Richter mit dem Recht nicht mehr hinreichend aus. Fortbildung ist eher selten.
  • Der politische Einfluß steigt: Viele Straftaten werden auf politischen Druck nicht mehr verfolgt. Beispielsweise fällt die Strafverfolgung des Korruptionsbereiches in sich zusammen, auch bei der organisierten Kriminalität ist immer weniger los.
  • Und dann steigt die Willkür der Staatsanwälte auch immer weiter. Mit einer Verfahrenseinstellung ist ein Staatsanwalt einfach und schnell viel Ärger los und kann sogar für seine Karriere damit punkten, daß er viele Fälle abarbeitet. Warum soll er sich mühsam mit einem Fall herumschlagen, bei dem er Kosten verursacht, sich Arbeit macht und dann noch der Gefahr aussetzt, den Fall zu verlieren oder vom Strafverteidiger Druck zu bekommen, wenn er in derselben Zeit 10-20 Verfahren einstellen kann, ohne Ärger, und dafür noch Lob bekommt? Staatsanwälte sind auch nur Menschen.
  • Ein ganz schwerwiegendes Problem sehe ich in der Föderalismus-Struktur. Die hat zwar auch ihre Vorteile, aber sie verhindert nachhaltig, daß man spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaften aufbauen kann, die sich auf bestimmte Bereiche spezialisieren und damit effizient werden. Im Prinzip ist jede Staatsanwaltschaft heute noch Generalist und für viel mehr Kriminalitätsbereiche zuständig, als sie Mitarbeiter hat. Das sind eben so die althergebrachten Strukturen. Würde man die Staatsanwaltschaften als Firmen-Consultant beraten, müßte man den ganzen Laden erst einmal organisatorisch komplett umkrempeln und modernisieren.

    Ein Polizist hat mir vor ein paar Jahren in seiner Schreibecke gezeigt, was zum Vorschein kommt, wenn er seinen Aktenschrank mal nach vorne zieht: Da war auf der Rückseite noch der Reichsadler mit Hakenkreuz aufgestempelt, weil sie seitdem keine neuen Möbel mehr bekommen haben. Und daß sie halbwegs einsatzfähige PCs haben, läge überwiegend daran, daß sie genug Straftaten haben, bei denen sie PCs einziehen können. Wird der PC von einem raubkopierenden Jugendlichen eingezogen, hat die PC-Ausstattung der Polizei Weihnachten. OK, das Gespräch liegt ein paar Jahre zurück, ich weiß nicht, wie das heute so ist. Heute ist es aber definitiv so, daß Polizisten auch nicht ausreichend geschult werden und einfach zu wenig Polizisten da sind. Es fehlt an Geld.

Und das hat eben zur Folge, daß wir viele Bereiche der Kriminalität nicht mehr ausreichend bekämpfen. Hardliner wie Schäuble müssen sich dann schon fragen lassen, warum sie nicht erst einmal da anfangen.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Jens
30.3.2009 0:39
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“Und daß sie halbwegs einsatzfähige PCs haben, läge überwiegend daran, daß sie genug Straftaten haben, bei denen sie PCs einziehen können. Wird der PC von einem raubkopierenden Jugendlichen eingezogen, hat die PC-Ausstattung der Polizei Weihnachten. OK, das Gespräch liegt ein paar Jahre zurück, ich weiß nicht, wie das heute so ist.”

Da gab es doch neulich in Karlsruhe so einen Fall. Da hat eine Dienststelle intern beantragt, ihr den gerade beschlagnahmten, multimedia-tauglichen etc. PC zuzuweisen, für irgendwelche Internet-Ermittlungen oder so.

Müßte im lawblog gestanden haben.