Ansichten eines Informatikers

“Brace for Impact!”

Hadmut
17.1.2009 19:12

Mit Faszination und auch einiger Bewunderung lese ich die Berichte über die Notwasserung eines Airbus auf dem Hudson River in New York. Erst kürzlich schrieb mir ein Leser meines Blogs mit Pilotenschein, daß noch nie eine Wasserung eines Verkehrsflugzeuges funktioniert habe. Auch erstaunte Bemerkungen deutscher Piloten, daß die da alle so ruhig und diszipliniert auf den Tragflächen stehen, habe ich gelesen.

Irgendwie zeigt sich da doch mal, daß die Belehrungen der Stewardessen, wo man den Notausgang findet und wie man die Schwimmwesten anlegt, sinnvoll sind und zumindest für einige Zeit auch mehr Beachtung finden werden. Und man merkt auch, warum die Besatzung soviel Wert darauf legt, daß bei Start und Landung jeder angeschnallt und alles ordentlich verstaut ist. Da kommt es nämlich dann wirklich darauf an. Etwas erstaunt war ich darüber, daß bei dieser Wasserlandung die Passagiere ihre Sitzpolster als Schwimmhilfe mitgenommen haben, weil sie dazu angewiesen wären. Obwohl ich schon unzählige Male geflogen bin, habe ich so eine Anweisung noch nie gehört.

Wie in diesem Artikel zu lesen ist, gab es aber auch bei dem Vorfall in New York die Sorte Mensch, vor der ich mich für den Fall eines solchen Notfalles am meisten fürchte: Nämlich die, die im Notfall den Gang blockieren, weil sie unbedingt ihre Taschen und Koffer mitnehmen wollen. Schon bei manchen Notlandungen hat man Leute mit zwei Koffern in der Hand von den Flügeln springen sehen. Und so auch hier, es gibt Berichte, daß Leute da im Gedränge auf den Flügeln mit ihrem Kleidersack rumgelaufen sind oder – während das Flugzeug voll Wasser lief und die Leute fürchteten, zu ertrinken, weil sie nicht schnell genug rauskommen – den Gang blockieren um ihre Taschen aus den Gepäckfächern zu holen, und damit wegen ein paar lumpiger Kleinigkeiten Menschenleben gefährden.

Solche Leute wird es wohl immer geben, aber die Gefahr steigt trotzdem. Ich kann mich erinnern, daß man vor ca. 10 bis 15 Jahren übermässiges Bordgepäck beim Einsteigen noch abgenommen bekam und es zum eingecheckten Gepäck geben mußte. Inzwischen ist das ganz anders, denn im Konkurrenzkampf um jeden Kunden lassen die Gesellschaften immer mehr Gepäck zu. Immer öfter sehe ich Leute mit großem Trolley, und immer öfter passiert es mir, daß ich für meine Jacke oder eine kleine Umhängetasche trotz noch fast leerer Sitze Platz erst zwei oder drei Gepäckfächer (also 3-6 Sitzreihen) entfernt finde, weil bereits einige wenige Passagiere die Gepäckfächer verstopfen, weil sie soviel Krempel dabeihaben, den sie nicht zum aufgegebenen Gepäck geben wollen – meistens einfach keine Lust, am Gepäckband zu warten. Und immer mehr Zeugs rutscht unter den Sitzen herum.

Deshalb halte ich es für absurd, wenn einerseits unsinnige Vorschriften für Flüssigkeiten bestehen (wie schon so oft hier erwähnt), andererseits aber immer mehr Krempel in die Kabine mitgenommen wird und die Leute dadurch verleitet werden, im Notfall immer mehr Plunder mit sich herumschleppen zu wollen.

Erstaunlich auch, daß – soweit ich mich erinnern kann – bei diesen Sicherheitsbelehrungen noch nie erwähnt wurde, daß man seinen Kram vergessen und schauen soll, daß man selbst rauskommt und andere nicht behindert.

Daß Leute in Krisensituationen ausrasten, habe ich allerdings schon miterlebt. Ich habe Leute erlebt, die bei der Sonnenfinsternis vor ein paar Jahren in völlige Lebenspanik verfallen sind und ersthaft überzeugt waren, wir würden jetzt alle sterben (wobei ich mir frage, wie die eigentlich eine normale Nacht überstehen). Ich bin mal mit drei Leuten (1 Mann, 2 Frauen) in einem kleinen Fahrstuhl stecken geblieben. Eigentlich völlig harmlos, man drückt den Alarmknopf, es dauert etwas, irgendwann meldet sich einer und holt einen wieder raus. Nicht der geringste Grund zur Panik.

Die beiden Frauen kamen aber in Panik. Und das war echt übel. Die fingen an, aus vollem Hals und mit voller Lautstärke zu kreischen und zu trampeln und rumzuspringen. Was für eingerastete Fahrstuhlbremsen nicht gut und für andere “Mitinsassen” sehr belastend ist, denn mir wären fast die Trommelfelle geplatzt von dem Geschrei, das hat richtig in den Ohren wehgetan und machte jede Verständigung über die Sprechanlage unmöglich. Und weil die kleine Kabine nicht belüftet war, wurde das da drin ziemlich schnell ziemlich heiß und drückend, die Abwärme von vier Leuten ist enorm, was die Panik noch verstärkt, dann dachten die noch, sie ersticken, und fingen an, mit den Armen herumzuwedeln und panisch um sich zu schlagen. Ich habe damals nur dadurch Ruhe reingebracht, daß ich meinerseits die beiden Frauen angebrüllt, die Faust ausgepackt und ihnen angedroht habe, daß ich sie an Ort und Stelle K.O. schlage, wenn sie nicht endlich die Klappe halten und sich ruhig verhalten. Große Augen, noch mehr Angst, aber wenigstens endlich Ruhe. Und das nur in einem festsitzenden Fahrstuhl.

Wenn man sich überlegt, wie das in einem Flugzeug abgehen muß, das voll Wasser läuft, könnte man echt Flugangst bekommen. Nicht wegen der Möglichkeit des Abstürzens, sondern wegen dem, was danach kommt, wenn man mit solchen Leuten in eine Blechbüchse eingesperrt ist, und die es schon beim normalen Aussteigen nicht schaffen, sich geordnet zu verhalten.

Wie war das bei den Rettungsschwimmern? Nie jemanden retten, der in Panik um sich schlägt oder klammert? Weil dann beide untergehen? Erst K.O. schlagen oder warten, bis der halb abgesoffen und ruhig ist?

Vorhin beim Einkaufen bei Metro gabs schon Probleme, weil sich ein paar fette ältere türkische Weiber, die mit den komischen Kitteln, im Gang mit ihren Einkaufswägen quergestellt hatten, ein Palaver abhielten und überhaupt nichts mehr um sich herum mitbekamen, auch nicht merkten, wievielen Leuten sie den Gang blockierten. Und das wegen ihrer weit vorgezogenen Kopftücher auch nicht mehr sehen konnten, die Dinger verengen das Gesichtsfeld wie die Scheuklappen beim Pferd. Mehrfach habe ich denen zunehmend lauter zugerufen, sie mögen doch mal bitte den Weg freigeben. Die haben das gar nicht gemerkt, die haben mich entweder nicht gehört oder nicht verstanden, jedenfalls sich nicht angesprochen gefühlt und überhaupt nicht reagiert. Eine Frau, die auch nicht durchkam, meinte lakonisch “Da müssen Sie türkisch reden!”. Ich glaube, nicht einmal das hätte geholfen. Mit solchen Leuten in eine Katastrophensituation zu kommen, davor habe ich wirklich Angst.

Und offenbar bin ich nicht der einzige, der vor sowas Angst hat.

Vor ein paar Jahren bin ich mal mit einer Fluglinie aus dem “nahen Osten” geflogen. In der Maschine waren kaum Leute in westlicher Aufmachung, aber jede Menge Leute, die schon damit überfordert waren, ohne Hilfe ihren Platz zu finden, ihr Gepäck zu verstauen und sich für den Start hinzusetzen. Kurz vor dem Start kam der Steward zu mir und fragte mich, ob es mir etwas ausmachen würde, den Sitzplatz zu tauschen, es sei wichtig. Nöh, hatte ich nicht. Dafür wurde ich dann in der Mitte des Flugzeuges direkt an eine der Notausgangstüren über den Flügeln gesetzt. Begründung des Stewards: An Notausgängen muß jemand sitzen, der kapiert, daß und wie man die Tür aufmacht (an dem großen Hebel ziehen und die Tür rauswerfen, mehr is nich), und der auch in der Lage ist, Anweisungen der Besatzung nachzukommen. (Was sich ja in New York auch gezeigt und als wichtig herausgestellt hat.) Und er sagte mir damals lakonisch, daß er im Flugzeug nicht genug Leute gefunden habe, denen er zutraue, an einem Hebel zu ziehen.

9 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
18.1.2009 8:34
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Zum Glück gerät man nicht laufend in Lebensgefahr – andererseits: gerieten da alle öfter rein, wären die Nottugenden auch wieder stärker verbreitet.

Einmal ist man auf seltene Katastrophen nicht trainiert (was ist technisch möglich/sinnvoll) – zum anderen gerät man da ja in Stimmungen die man nicht kennt. Eine schwierige Mischung.

Es hat mich lange verwundert, wie bei einem Kino- oder Discobrand so viele Leute umkommen können. Flammen können sich zwar schnell verbreiten, aber so schnell?

Naja – die Flammen sind nicht so schnell, aber der Rauch. Vielleicht hätte ich noch vor wenigen Jahren zu sehr auf “Ruhe bewahren” gemacht, weil ich die Situation falsch eingeschätzt hätte.

Das sinnlose Kreischen habe ich für ein reines Hollywoodstereotyp gehalten. Gibt es das wirklich? Vielleicht eine Folge von Hollywood? Da gibt es ja Katastrophen jeden abend zu bestaunen, wenn man das Genre mag.


Hadmut
18.1.2009 11:11
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Das sinnlose Kreischen: Das hätte ich auch nicht geglaubt, ich habe das auch für ein Hitchcock-Stilmittel gehalten, aber in besagtem Aufzug (wo es ja nicht einmal gefährlich war, überhaupt nicht bedrohlich, das Ding ist einfach nur stehengeblieben) fingen die beiden Frauen an zu kreischen was die Lunge hergibt.

Absurd daran: Ich hab die eine an den Armen gepackt und gesagt “Hör mit dem Geschrei auf!” Da guckt die mich an, sagt “Ich hab jetzt aber Panik, ich muß jetzt schreien” und weiter ging’s.


qbi
18.1.2009 12:18
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Zum sinnlosen Kreischen: Meine Theorie ist, dass es zuerst ein Stilmittel war und danach von der Allgemeinheit übernommen wurde …


Hadmut
18.1.2009 12:44
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Das kann natürlich sein, daß die Leute mangels eigener Lebenserfahrung und weil vielleicht die Vernunft im Hirn durch die Hormonausschüttung abgeschaltet wird auf das vom Fernsehen gelernte “Katastrophenverhalten” zurückfällt.

Inzwischen habe ich übrigens gelesen, daß bei der Notwasserung das Flugzeug vorzeitig voll Wasser lief, weil eine Passagierin unbedingt nach hinten wollte und dort eine der Türen aufgemacht hat, obwohl die schon unter Wasser stand und dadurch das Wasser sehr schnell reingelaufen ist. Wobei es natürlich sehr schwer zu entscheiden ist, ob man die Tür aufmacht oder nicht, denn erstens ist das – vor allem in Panik und bei Dunkelheit wegen des Stromausfalles – nicht leicht zu erkennen, daß man unter Wasser ist, zweitens wird einem ja in den Sicherheitsbordkarten mit den Belehrungen immer gezeigt, daß die Notrutschen, die sich beim Öffnen der Türen aufblasen, im Wasser nicht nur als Floß dienen, sondern auch der Stabilisierung des Flugzeugs im Wasser dienen. Also könnte der Auftrieb durch die Rutschen auch von Vorteil sein. Alles nicht so einfach.

Auf einem der Videos bei CNN sieht man übrigens, wie die Fähren zum Flugzeug hinfahren. Vor allem bei der zweiten Fähre ist es ziemlich verblüffend, was für einen Affenzahn diese normalerweise doch gemächlichen Fähren entwickeln können und wie heiß die sich in die Kurve legen können.


Hadmut
18.1.2009 13:19
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Auf einem Foto des aus dem Wasser gehobenen Flugzeugs sieht man übrigens, daß auch die Rutsche hinten links aufgeblasen war. Wenn das eine Folge der Türoffnung bei der Wasserung war, hat’s nichts gebracht.

Könnte allerdings auch nachträglich geöffnet worden sein, um das Wasser abzulassen. Die Gepäckraumtüren wurden auch nachträglich geöffnet.


Hadmut
18.1.2009 14:14
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Der ist lesenswert:

Yahoo


Hadmut
18.1.2009 14:20
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Übrigens auch ein interessanter Aspekt: Vor ein paar Jahren ist eine Maschine der Ethiopian Airlines während einer Flugzeugentführung nach Spritmangel auf dem offenen Meer vor einer Insel gewassert und dabei in drei Teile zerbrochen.

Viele Passagiere sind dabei ertrunken, weil sie – entgegen der Mahnung des Captains – ihre Schwimmwesten zu früh aufgeblasen haben und deshalb nicht mehr aus dem Wrack kamen.


qbi
18.1.2009 15:26
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Ich stelle mir das recht schwierig vor, die Flugzeugtür zu öffnen, die schon unter Wasser steht. Gibt es da eine Hydraulik ,die hilft? Falls nicht, sollte das ziemlich unmöglich sein.


Hadmut
18.1.2009 16:39
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Naja, erstens war ja das Heck nicht ganz unter Wasser. Es würde ja schon reichen, wenn die Tür nur ein paar Zentimeter unter Wasser ist, um beim Öffnen das Schiff – pardon, das Flugzeug – volllaufen zu lassen.

Außerdem muß man dabei bedenken, daß zumindest manche Flugzeugtüren so gebaut sind, daß sie sich beim Öffnen zunächst nach innen (!) bewegen, denn normalerweise herrscht im Flugzeug ja Überdruck, den die Türen zurückhalten sollen, und der es auch verhindert soll, daß irgendwer oben in der Luft die Tür aufmacht.

Auch hat ein Pilot in irgendeinem Video erklärt, daß es in der Checkliste für Notlandungen steht, daß der Pilot dafür sorgen muß, daß in der Kabine kein Überdruck mehr herrscht, weil man sonst die Türen nicht aufkriegt.

Die Türen scheinen also in der Tat so gebaut zu sein, daß sie dann nicht aufgehen, wenn innen ein höherer Druck herrscht als außen.