Ansichten eines Informatikers

Der futurologische Kongreß

Hadmut
22.11.2006 18:42

Kürzlich empfahl mir ein alter Bekannter dringend die Lektüre des Buches “Der futurologische Kongreß” von Stanislaw Lem. Eine höchst lesenswerte Groteske, die einfach jeder Beschreibung spottet.

Der Wissenschaftler Tichy (sic) besucht einen Kongreß über Zukunftsforschung. Doch es kommt zu Unruhen rund um das Hotel, Aufständische kämpfen gegen das Militär, es werden neben normalen Waffen auch psychoaktive Kampfstoffe eingesetzt, die den Willen der Kämpfenden brechen und sie halluzinieren lassen. Das Kongreßhotel gerät unter Beschuß, aber Tichy gelingt es mit einer Gruppe von Wissenschaftlern zunächst, durch die Kanalisation zu fliehen. Dann aber wird er unheilbar verwundet und deshalb eingefroren, bis man solche Verletzungen behandeln kann. Der Zukunftsforscher wacht in der Zukunft wieder auf. Eine Zukunft, die zunächst perfekt erscheint. Nach und nach wird ihm aber bewußt, daß der damalige Krieg um das Hotel nur der erste Anfang des Einsatzes psychemischer Substanzen war, die man inzwischen perfektioniert hat. Das ganze Leben wird inzwischen durch chemische Stoffe wie Glaubsalze manipuliert. Die Zukunft, die er vorfindet, ist mehr als nur absurd, sie stellt sich als Apokalypse und als Konsequenz des Bevölkerungswachstums und der Wetterveränderung dar.

Es fesselt, wie Lem in seiner Zukunftsbeschreibung zunächst harmlos anfängt und dann zunehmend immer groteskere Vorgänge beschreibt, ununterbrochen neue Begriffe erfindet, die er sogleich erläutert und ihnen Bedeutungen gibt, bei denen man sich schüttelt und gruselt.

Noch besser aber ist die geschliffene, vielfältige und beziehungsreiche Sprache, die zu lesen einfach Spaß macht und begeistert. Wen das Werbe-Pidgin-Neudeutsch und der immer weiter reduzierte Wortschatz im Straßendeutsch nervt, der muß das Buch lesen. Obwohl ich hier nicht beurteilen kann, ob die Sprachgewandheit mehr auf Lem oder den Übersetzer ins Deutsche zurückgeht.

Da das Buch außerdem nur 140 Seiten hat, klein und leicht ist und nur 6,50 € kostet, ist es für lange Bahnfahrten oder Flüge ideal. Dicke Empfehlung (und Dank an den Bekannten, der es mir empfohlen hat).