Ansichten eines Informatikers

So langsam wird’s kritisch für den Dollar

Hadmut
16.3.2009 0:41

Interessanter Konflikt:

Einerseits sind die USA überschuldet und leben über ihre Verhältnisse. Geben mehr aus, als sie erwirtschaften, was inzwischen dazu führt, daß verblüffend viele Amerikaner vor den Städten in Zelten hausen, während gleichzeitig ganze zwangsgeräumte Stadtteile vergammeln, weil keiner drin wohnt (wobei sich mir noch nicht erschließt, wer eigentlich etwas davon hat, daß die Leute kein Dach über dem Kopf haben, während Häuser mangels Bewohnern kaputt gehen). Während der Bush-Ära haben die Amerikaner immer wieder ihre Schulden über die gesetzliche Obergrenze gezogen, indem sie einfach das Gesetz geändert haben. Derzeit geben die Amerikaner irrwitzige Summen aus um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, denn weitere Zinssenkungen sind nicht mehr möglich, weil der Leitzins teilweise schon bei Null ist. Man könnte es allerdings durchaus so sehen, daß sie inzwischen schon negative Zinsen haben, denn wer Unternehmer ist, bekommt das Geld nicht nur kostenlos geliehen, sondern über das Konjunkturprogramm noch Umsatz hinterhergeworfen. Es ist damit quasi wirklich so, daß der Staat dem Unternehmer indirekt noch Geld dafür drauflegt, daß der das Geld nimmt und in irgendwas investiert – effektiv negativer Zins.

Im Gegensatz zu anderen Ländern können die USA – theoretisch – so eine Wahnsinnsstrategie fahren, weil sie im Gegensatz zu anderen Ländern Schulden nur in der Währung haben, die sie selbst kontrollieren. Die Amerikaner können nach Lust und Laune die Notenpresse anwerfen uns sich einfach selbst beliebig viel neues Geld drucken, soviel sie eben brauchen. Solange sie Papier und Farbe haben, können sie – theoretisch – nicht pleite gehen. Andere Staaten sind nicht in dieser Situation.

Das Gleichzeitig Dumme und Nützliche daran ist, daß eine Vergrößerung der Geldmenge zu einer Abwertung des Dollar führt. Letztlich ist das ja auch gewünscht, denn wenn man die Geldmenge verzehnfacht ohne Mehrwert zu schaffen, gibt es eine Inflation. Dann kostet der Burger bei McDoof eben nicht mehr einen, sondern 10 Dollar. Was erst einmal nicht so schlimm ist, wenn jeder Amerikaner dann auch zehnmal so viel Geld bekommt. Zumal die meisten Amerikaner sowieso überschuldet sind und von einer Inflation profitieren. Und die Auslandsschulden, die die USA nicht als Kaufwert, sondern als Geldbetrag haben, fallen plötzlich auf ein Zehntel. Wie angenehm für die Amerikaner.

Das Dumme daran ist aber, daß es zum Thema Schulden da noch die Gläubiger gibt. Beispielsweise die Russen, verschiedene arabische Ländern, und vor allem China. Die haben jahrelang in die USA geliefert, ob nun irgendwelchen Billigkram oder eben Öl, und dafür viele, viele Dollar bekommen. Die haben sie angehäuft. Und unterschiedlich verwendet. Viele arabische Länder (bzw. Leute) haben die Dollars gleich wieder in die USA investiert und sind nun Eigentümer von großen Teilen der Infrastruktur. Vieles in Amerika gehört nicht mehr den Amerikanern. Nun sitzen die Araber aber da und sind sauer, weil sie zugucken müssen, wie die Grundstückspreise ins Bodenlose fallen und die Firmen, deren Aktien sie haben, reihenweise pleite gehen. Jahrelang Öl geliefert, das Geld vermeintlich langfristig angelegt, und plötzlich ist es immer weniger wert. Ärgerlich. Die sind sauer und investieren natürlich nicht mehr so gerne. Plötzlich ist der Zufluß an Geld weg. Außerdem werden die beim Verkauf von Öl, dessen Preis ja auch stark gesunken ist, nicht mehr allzulange in Dollar abrechnen wollen. Tun sie das aber nicht mehr, sondern beispielsweise in Euro, wird Öl für die Amis schlagartig noch viel teurer, und sie kaufen noch weniger. Immer mehr Konzerne verbieten beispielsweise die Dienstreisen und lassen die Leute wieder Telefonkonferenzen machen. Wer ohne Haus im Zelt wohnt, fährt auch nicht mehr viel mit dem Auto. Was den Preis des Öls weiter sinken läßt. Deshalb wird in Dubai und so nicht mehr viel gebaut. Die werden sich das überlegen, wie sie mit den Amis künftig umgehen.

In einer anderen Situation ist China. Die haben nicht so viel angelegt, die haben Geld gesammelt. Großer Geldspeicher wie bei Dagobert Duck. Im Wert von etwa 2 Billionen Dollar, die Hälfte tatsächlich in US-Dollar, die andere Hälfte in anderen Währungen. Die könnten sie nun dringend brauchen, denn die Exporte von China brechen gerade drastisch ein. Das ist eine dumme Situation, denn China versucht gerade, auf Teufel komm raus zu wachsen und zum modernen Land zu werden. Hab ich selbst gesehen, als ich vorletzte Woche in Peking war. Früher die Stadt der Fahrräder, gibt’s jetzt den Auto-Stau überall. Das Straßennetz wächst jährlich um 8%, während die Zahl der Autos um 22% wächst. Daß die Straßen jetzt schon überlastet sind, hab ich selbst gesehen. Jedenfalls versuchen sie gerade, das ganze Land industriell auf den Stand zu bringen (nieder mit der Atmosphäre…). Jetzt brechen die Umsätze ein. Also braucht man die Reserven, damit der Aufbau nicht mittendrin absäuft. Und plötzlich merkt man, das die Reserven nicht zu gebrauchen sind. Sie aufzubewahren geht nicht, weil die Amerikaner ja kaum noch eine andere Wahl mehr haben, als den Dollar massiv abzuwerten (siehe oben). Damit würden den Chinesen viele hundert Milliarden Dollar zwischen den Fingern zerrinnen. Einfach weg. Halten kann man sie also nicht.

Der Privatmann würde nun schleunigst seine Dollars verkaufen und gegen was anderes eintauschen. China kann das nicht, denn sie haben zuviele Dollars. Sobald sie anfangen, Dollars abzustoßen, und das müßten sie gleich zig- oder hunder-milliardenweise, um überhaupt Wirkung zu erzielen, würden sie selbst den Absturz des Dollars erzwingen. Sie könnten den Dollar gar nicht schnell genug verkaufen, bevor der Rest durch den selbsterzeugten Wertverlust wertlos wäre. Selbst wenn sie das in Kauf nähmen – wer sollte ihnen denn so viele Dollars überhaupt abkaufen wollen? Jedes Land hat gerade seine eigenen Probleme. Wer ist so blöd, heute noch groß in den Dollar zu investieren? Jeder will das Zeug loswerden, die Russen wollen’s auch nicht mehr haben. Es würde dazu führen, daß China den Dollar anbietet, und keiner will ihn haben. Der Wert würde quasi auf nahezu Null sinken.

Heißt für die Chinesen, daß der Wertverlust schon so gut wie eingetreten ist. Halten geht nicht mehr, Abstoßen auch nicht mehr. Also sind die Chinesen sauer. Und das sagen sie den Amerikanern und bitten höflichst, den Dollar nicht absinken zu lassen. Was nun wieder sehr problematisch für die Amis ist, denn einerseits müssen sie den Dollar abwerten, andererseits können sie ihre Hauptgläubiger nicht verprellen, sonst gelten sie nicht mehr als kreditwürdig und bekommen überhaupt nie wieder von anderen Geld, was bedeuten würde, daß sie nur noch konsumieren können, was sie selbst erarbeiten. Und das ist nicht mehr sehr viel, nachdem sie ihre Wirtschaft ja gerade selbst erledigt haben (bzw. durch ihre Banken haben erledigen lassen).

Deshalb kam Onkel Obama auf eine andere Idee: Wenn man schon die Lage nicht so einfach dadurch retten kann, daß man den Leuten einfach schöne neue Dollars druckt, dann könnte man doch stattdessen einfach darauf verzichten, ihnen mit der anderen Hand viele Dollars wieder abzunehmen. Also die Steuern senken. Was bedeutet, daß man von der nunmehr geringen Arbeitsleistung (vulgo: Bruttosozialprodukt) mehr den Bürgern läßt und weniger dem Staat gibt. Dadurch wird nicht mehr produziert, aber der Bürger hat gefühlt mehr in der Tasche, kann mehr für sich ausgeben, während die – in den USA ziemlich morsche – staatliche Infrastruktur weiter zerbröselt. Aber gut, es wäre eine Methode, die Bürger wieder in Richtung Konsumkreislauf zu bringen, ohne mehr Geld zu drucken. Also schlagen die Amerikaner vor, doch gleich weltweit die Steuer zu senken, damit das auch funktioniert.

Nun kommt da eine gewisse Angela Merkel an und sagt, das käme nicht in Frage. In Deutschland und Europa müßten die Steuern einfach brutal hoch bleiben. Vor ein paar Jahren hieß es noch, die Sache mit dem Solidaritätszuschlag und so wäre dazu da, die neuen Bundesländer aufzubauen. Nun geht’s denen oft besser als den alten, trotzdem ist der Soli noch da. Konsequenterweise müßte man jetzt auch hier senken, aber Merkel will nicht. Das ist so, wie mit der Sektsteuer: Die hat Kaiser Wilhelm zur temporären Finanzierung des Kaiser-Wilhelm-Kanals und der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt. Zwischendurch war sie wieder weg, aber im zweiten Weltkrieg brauchte man sie wieder, um die U-Boot-Flotte zu finanzieren. Zwar ist der zweite Weltkrieg kürzlich zu Ende gegangen, die Steuer haben wir aber immer noch. Wo kämen wir da hin, wenn in Deutschland die Steuern nicht stiegen? Nicht einmal auf dem gleichen Niveau können sie bleiben, dafür sorgt mindestens die Kalte Progression. Nachdem die Amerikaner ja nun negative Zinsen haben, ist zu befürchten, daß unsere Regierung beim Steuersatz auf 100% abzielt. (Als Kind wunderte ich mich über die Zehntscheune in dem Kaff, in dem ich damals wohnte, und empfand es als unverschämt, dem Bürger den zehnten Teil seiner Erträge abzunehmen. Ach, waren das niedrige Steuern…). Also hat das mit der anderen Hintertür für den Dollar nun auch nicht so geklappt. Angela wollte nicht.

Jetzt bin ich mal gespannt, wer da am besten aus der Nummer rauskommt: Die Amis, die Chinesen oder wir? Und was aus dem Dollar wird.

Mit etwas Glück kriegen die Amis die Kurve und haben dann nur einen riesigen Haufen Schulden. Mit Pech fällt der ganze Mist zusammen.

In einer chinesischen Zeitung (China Daily vom 2.3.09, inzwischen auch online entdeckt) habe ich zu dem Artikel “Devaluation on dollar means trouble for China” eine interessante Karrikatur gesehen: Vorne sitzt ein kleines Männchen, der Kopf ist die Erdkugel, und baut vorsichtig an einem Kartenhaus. Aufschrift “World Economy”. Hinter ihm stürzt gerade ein amerikanisches Kampfflugzeug steil ab, genau auf das Kartenhaus zu. Am Steuer sitzt Uncle Sam. Aufschrift: “US$”

Ein Kommentar (RSS-Feed)

yersinia
17.3.2009 13:54
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Der Solidaritätszuschlag ist nicht mehr dazu da, die neuen Bundesländer aufzubauen. Dafür wurde er zwar “erschaffen”, die Mittel fliessen aber in den Bundeshaushalt ein und werden ab dort für alles mögliche eingesetzt, z.B. Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.