Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Universitäts-Geschwätz-Muster

Hadmut Danisch
5.8.2009 22:52

Über Wissenschaftler – oder genauer gesagt solche, die sich dafür halten.

Ich hatte es schon mehrfach erwähnt. Gerade an der Universität, bei denen, die sich für die größten Wissenschaftler halten, findet man immer wieder ganz bestimmte Verhaltens- und Argumentationsweisen, die geradezu reflexhaft angewandt werden, besonders dann, wenn es darum geht, eine unliebsame Meinung oder einen Standpunkt, der einem ungelegen kommt, niederzureden ohne sich mit der Materie auszukennen oder irgendwelche echten Argumente zu haben.

Das ist hochgefährlich. Denn solche Rabulistik-Techniken sind unwissenschaftlich und das Werkzeug der Inkompetenten. Sie sind aber verführerisch. Denn sie erlauben es, dem, der ohnhin eine stärkere Stellung hat (etwa aufgrund der Rangordnung oder Dienststellung), andere Leute in Grund und Boden zu reden und dabei noch überlegen und wissenschaftlich zu wirken, obwohl er eigentlich nur leeres Zeug schwätzt und nicht nachgedacht hat. Man findet diese Techniken nicht nur in Diskussionen und (Streit-)Gesprächen, sondern auch in Prüfungsgutachten immer wieder. An den Universitäten haben sich im Laufe der Zeit Denk- und Argumentationstechniken verfestigt, die inzwischen auch schon zu Zunft-interner Sprache, zu einem sozialen Gruppenmerkmal geworden ist. Die Leute glauben, sie wären wissenschaftlich, dabei haben sie sich nur Rede- und Verhaltensweise angewöhnt, wie sie in Gruppen und Gangs üblich sind. Die reden damit jeden, der das nicht kennt und darin geübt ist, in Grund und Boden. Das Schöne daran: Wenn der Gegenüber die Methoden kennt, kann er die Leute wunderbar gegen die Wand laufen lassen. Es ist verblüffend, wie viele der Professoren und Dozenten sich diese Schwafeltechniken angewöhnt haben. Beispielsweise:

  1. Trifft jemand eine allgemeine Aussage, dann wendet man ein, daß das nicht belegt/bewiesen sei.
  2. Belegt/beweist jemand seine Aussage mit wenigen konkreten Fällen, dann sagt man, das wären Einzelfälle, das könnte man nicht verallgemeinern.
  3. Belegt/beweist jemand seine Aussage mit vielen Fällen, wirft man ihm vor, daß das zuviel sei und man das nicht alles lesen können. Man verlangt eine Zusammenfassung und das Ziehen von Schlüssen. Dann geht es wieder weiter bei 1 oder 2.
  4. “Das ist nicht wissenschaftlich genug.” Wird immer wieder gern genommen, weil es den anderen unheimlich nieder macht, obwohl gar nichts gesagt wird. Heißt im Klartext, daß der Sprecher etwas ganz anderes haben will, das aber nicht offen sagen möchte. Wird besonders gerne genommen, wenn der Doktorand promovieren und weg will, und der Prof das verzögern möchte, weil er noch Arbeiter/Ghostwriter/Geld haben will.

    Wird vor allem gerne im Doppel mit der Behauptung genommen, daß man selbst die Wissenschaft verkörpert. Schöne Redewendungen sind da “meine wissenschaftlichen Methoden” oder so ähnliches. Quintessenz: Ich wissenschaftlich – Du unwissenschaftlich – aber eigentlich nichts gesagt.

  5. “Sie hätten das Werk X lesen/zitieren müssen. Sie hätten das so und so machen müssen. Dies und jenes fehlt.” Kann man immer leicht sagen, weil man nie alle Werke gelesen haben kann und es immer irgendwen gibt, der es anders macht. Der Sprecher sagt dabei nicht, warum das, was vorgetragen wurde, falsch oder schlecht wäre oder etwas anderes richtiger. Der andere ist aber immer sofort in einer Verteidigungsposition und kann sich meist nicht verteidigen, weil er das Werk X nicht kennt (oder es noch gar nicht erschienen war).
  6. “Beweisen Sie das!” zu irgendwelchen längst bekannten Sachen zu fordern, besonders weil der Sprecher selbst keinen Überblick über die Materie hat und sich nicht auskennt. Immer wieder schön, weil es den Vortragenden zwingt, seine Zeit und die Aufmerksamkeit der Zuhörer damit zu vergeuden, indem er irgendetwas allgemein bekanntes und damit neuigkeitswertloses zu beweisen und sich damit völlig zu verzetteln oder in Kleinigkeiten zu verlieren.
  7. “Beweisen Sie das!” zu Sachen, die man nicht beweisen kann. Ständig und immer Beweise zu fordern hört sich immer so unheimlich wissenschaftlich an. Ist aber eigentlich nur dumm. Nicht alle Aussagen sind beweisfähig, und nicht alle Aussagen sind beweisbedürftig. Zumal in vielen Fällen gar nicht mal auf der Hand liegt, welche Art von Beweis gemeint ist. Mathematisch? Laborexperiment? Juristisch?
  8. Wenn nichts mehr hilft, verweist man auf irgendwelche Koryphäen. An den Universitäten hat immer der Ranghöhere Recht. Also hat man Recht, wenn man sich auf den Höheren beruft, selbst wenn der das nie selbst vertreten hat.

Und noch ein paar mehr dieser Methoden.

Nun ist mir etwas Kurioses passiert. Auf einer Mailingliste habe ich eine Frage gestellt, ob sich jemand mit gewissen Themen beschäftigt. Einfach nur so gefragt. Jemand anderem hat nicht gepasst, daß ich diese Themen überhaupt anspreche (so mit dem Geschmäckle, weil nicht sein kann was nicht sein darf). Und schon bombardierte er mich und andere mit diesen universitätsüblichen Schwafeltechniken. Ich kannte den vorher nicht und wußte überhaupt nicht, wer er war. Aber siehe da: Er ist seit vielen Jahren Dozent an einer Uni.

Es ist sehr erstaunlich, wie sich in den Universitäten bestimmte Redewendungen, Argumentationsphrasen usw. ausbreiten und fest in das Gehabe übergehen. An sich ein Vorgang wie er in jeder Zunft, Clique oder Gesellschaft entsteht. Rap, Hip-Hop usw. sind meines Wissens so entstanden. Nur daß die meisten Zünfte und Cliquen nicht die Wissenschaftlichkeit für sich in Anspruch nehmen.

Ich habe immer stärker den Eindruck, daß hinter der “Wissenschaftlichkeit” an den Universitäten immer weniger echtes wissenschaftliches Arbeiten und immer mehr Aneignen und Einhalten solcher gruppendynamischen Rituale und Verhaltensweisen entsteht. Wissenschaft als das Einhalten des Sozialverhaltens der Clique “Wissenschaftler”.

Das ist sehr gefährlich, weil man sich so sehr leicht selbst einredet, wissenschaftlich zu arbeiten, weil man nicht mehr die echte Mühe wissenschaftlichen Denkens auf sich nimmt, sondern nur noch die als wissenschaftlich empfundenen Verzierungen anlegt. Wissenschaft als antrainierter Selbstbetrug. Ich war sehr verblüfft, wie man im völligen (zufälligen) Blindversuch und allein aus einigen wenigen E-Mails einer Person daran sofort anmerkt, daß sie sich seit Jahren im Universitätsbetrieb bewegt.

Nachtrag: Die schönste Methode der Wissenschaftler habe ich natürlich vergessen. Wenn sie argumentativ gar nicht mehr weiterkommen und ihnen gar nichts mehr einfällt, dann wird einfach der Urheber der unerwünschten Ansicht als nicht wissenschaftlich relevant oder nicht anerkannt oder sowas eingestuft und fürderhin völlig ignoriert. Weil es in der Wissenschaft nicht darauf ankommt, ob eine Aussage richtig oder falsch ist, sondern ob der, der sie sagt, angesehen ist. Womit der Angriff gegen die Person jede Sachdiskussion ersetzen kann. Wieder ein typisches Cliquen-Verhalten.