Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Das Elend der Universitäten

Hadmut Danisch
28.7.2009 22:41

Ich habe mir wieder ein Buch gekauft. Über das Elend der Universitäten.

Jens Sambale, Volker Eick, Heike Walk (Hrsg.):
Das Elend der Universitäten
Neoliberalisierung deutscher Hochschulpolitik
Westfälisches Dampfboot (sic)

Wie leider so oft habe ich nicht die Zeit, das Buch sofort durchzulesen. Das macht auch nichts, denn das Buch ist ein Sammelband einzelner Beiträge. Den ersten – von den Herausgebern geschriebenen – habe ich gelesen und er gefällt mir. Weil er vieles bestätigt, was ich in den letzten Jahren beobachtet habe. (Wobei man sich sehr davor hüten muß, daß Gefallen daran festzumachen, daß die eigene Meinung bestätigt wird.)

Worum geht es?

Seit einiger Zeit werden die deutschen Universitäten zu kommerziell orientierten Gebilden umgebaut. Sie tun so, als würde man sie in Firmen umwandeln. Die Politik zerstört derzeit jeden wissenschaftlichen Gedanken und reduziert die Universitäten zu geldabhängigen Dienstleistern der Wirtschaft. Kritisches oder wissenschaftliches Denken werden aufgegeben, es geht nur noch um das Einwerben von Drittmitteln. Das Buch setzt sich kritisch mit dieser Entwicklung auseinander.

ProfessorInnen werden mithilfe leistungsorientierter Mittelverteilung dazu gedrängt, Profite zu erwirtschaften. Was im positiven Sinne als das Ende professoraler Herrlichkeit erscheinen könnte, führt in der Realität zu einer unangenehmen Punktejägerei und könnte in Zukunft eher simpl(ifizierend)e Erfüllungsgehilfen marktwirtschaftlicher Interessen als unabhängige und wissensbegierige Forscherinnen und Forscher hervorbringen.

Ich habe schon seit einiger Zeit den Verdacht, daß die Marktwirtschaft mit den Universitäten gerade das tut, was sie zuvor schon mit dem Finanzsystem und der Weltwirtschaft getan hat: Nämlich sie nach Bereicherung einiger weniger in den Ruin zu fahren.

Die Kritierien, die zur Leuchtturmetikettierung bzw. zum Ehrentitel `Eliteuniversität’ führen, “haben nichts mehr mit kritischem Denken oder eigenwilliger Kreativität zu tun, sondern eher mit Zugehörigkeit zu internationalen Zitierkartellen und der verinnerlichten Bereitschaft, sich deren `Zunftordnungen’ anzupassen” (Keupp 2007: 1192f). Das führt in der Folge zur beängstigenden Frage, was eigentlich mit der Freiheit der Wissenschaft passiert, wenn die WissenschaftlerInnen nicht mehr in erster Linie neues Wissen akkumulieren wollen, sondern die Akkumulation von Drittmitteln im Vordergrund steht. […]
Da wo früher gedankliche Unabhängigkeit und kreative Intelligenz gefragt waren, steht heute die Suche nach fremdgesteuerten Geldströmen bzw. nach Auftragsforschung an erster Stelle. Dabei verhindert die Drittmittelforschung, wie Heinz Steinert in diesem Band schreibt, “ein eigenes Arbeitsprogramm, weil man nur das forschen kann, was aus irgendwelchen Zufällen der Begutachtung und der Konkurrenzlage gerade genehmigt wird.”

Stimmt. Wissenschaftliche Qualität äußert sich heute in der Beteiligung an Zitierkartellen, nicht in der Qualität der Forschung. `Zunftordnung’ ist das richtige Wort.

Das zweite wichtige Exzellenzkriterium besteht in der Ergatterung möglichst hoher Punktwerte durch die Veröffentlichung von Aufsätzen in englischsprachigen Fachzeitschriften, die sich selbst ein Begutachtungsverfahren (Peer-Review) auferlegt haben.[…] Kritische Buchprojekte, die die Wissenschaftsgemeinde herausfordern, sind kaum noch denkbar in einem solchen Prozess standardisierter Begutachtung.

Zumindest nach dem ersten Kapitel gefällt mir das Buch sehr gut. Ob das Niveau durchgängig gehalten wird, daran habe ich anhand der Liste der Beiträge so meine Zweifel. Wissen werde ich es aber erst, wenn ich es gelesen habe.

Eine der Protagonistinnen dieser gefährlichen Entwicklungen ist unsere Forschungsministerin Schavan, über die mir ja schon manches kritische Wort eingefallen ist, nicht nur zu den Vorfällen um die Exzellenzinitiative. Meine Meinung über unsere derzeitigen MinisterInnen ist denkbar schlecht.

Da gibt es heute einen Artikel auf Telepolis darüber, wie die Forschungsministerin Schavan sich darüber wundert, daß nicht alle sie so gut finden wie sie sich selbst. Und dann wieder einen Hinweis, den ich in letzter Zeit immer öfter lese, wenn es um Probleme und Korruption an den Hochschulen geht, nämlich auf die Bertelsmann Stiftung. Man könnte langsam auf die Idee kommen, daß hinter dieser ganzen Umgestaltung und dem Aufkochen dieser Korruptionssuppe die Bertelsmann Stiftung steht. Das von der Bertelsmann Stiftung gegründete Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Ein Z wäre altmodisch aber richtig. Wenn jemand auf modern und aufgeschlossen machen will indem er ein Z durch ein C ersetzt, muß ich immer an den Verband der Cigarettenindustrie denken, denen Zigarettenindustrie wohl zu dreckig klingen würde. Die mag ich auch nicht.

Das CHE gibt dubiose Hochschulrankings heraus, die wohl eher ein Druck- und Marketingwerkzeug als ein ernsthaftes Ranking sind. Warum eigentlich soll eine drittmittelstärkere Hochschule auch die bessere sein? Genauso gut könnte man das als Maß für Korruption und Gefälligkeitswissenschaft ansehen. Die Botschaft des CHE ist, daß Korruption und akademische Prostitution “gut” sind.

Auch die Zahl der Promotionen wird da als Qualitätskriterium hingestellt. Nur die Zahl. Nicht deren Inhalt, nicht die Anforderungen. Das heißt, daß die Hochschule, die die meisten Doktorgrade verschenkt, verkauft, verschleudert, deren Dissertationen der dünnste Mist ist, deren Prüfer die Dissertationen am wenigsten lesen, beim CHE als beste dasteht.

Da besteht gerade erheblicher Druck in Richtung Korruption.

3 Kommentare (RSS-Feed)

nadar
29.7.2009 10:39
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Zum Centrum:

imho ist Centrum altertümlicher als Zentrum. Hier im Ort gibt es einen Gasthof, der Zeit seines langen Bestehens “Central” heißt. Auf alten Fotos sieht man unter anderem “Colonialwarenhandlungen”. Ich bin kein Linguist, aber im Geschichtsunterricht hat man gelernt, dass früher zu gewissen Zeiten in einigen Kreisen mehr französisch als deutsch gesprochen wurde als heute das Denglisch. Zitrone, Zentrum, Soße und anderes sind für mich Eindeutschungen von citron, centre und sauce.

Neudenglisch wäre ein “center for highschool development”.

leicht OT:
Als ich zum ersten Mal das Wort “inkludieren” hörte, dachte ich bei mir “wieder eine merkbefreite Eindenglischung -.-”
Aber nach ein wenig Recherche stand fest, dass das Wort so alt ist und selten benutzt wird, dass Otto-Normaldeutscher (bzw ich) das kaum noch kennt.


Hadmut
29.7.2009 17:57
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Der Kommentar ist aber nun wirklich seeehr weit vom Thema weg.


rjb
30.7.2009 22:41
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Problematisch ist nicht das Begutachtungsverfahren “peer review” (obwohl man damit natürlich auch Unsinn anstellen kann), sondern der Wahn, man brauche sich zur Einschätzung der Qualität einer Arbeit überhaupt nicht um deren Inhalt zu kümmern, sondern könne das mittels computer-berechenbarer “Metriken” tun; insbesondere anhand der Häufigkeit, mit der die Arbeit von anderen Autoren zitiert wird (“impact factor”). Siehe dazu z.B.
http://golem.ph.utexas.edu/category/2008/12/science_citation_index.html
Wenn Wissenschaftler angesichts solcher Praktiken eine zynische Einstellung zum Betrieb entwickeln, dann ist das nachvollziehbar. Wer die wissenschaftliche Qualität möglichst effektiv in den Keller fahren will, hätte sich kaum etwas Geeigneteres ausdenken können. Beispielsweise erzwingen es solche Verfahren regelrecht, daß sich Zitierkartelle bilden.