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Ein paar Worte zum Prüfungsrecht

Hadmut Danisch
27.6.2008 1:24
  • Ich werde ja ab und zu von Leuten angeschrieben oder angerufen, die Probleme mit Prüfungen oder Prüfern haben und um Hilfe gebeten. Dazu muß ich aber doch mal ein paar generelle Anmerkungen machen.

    Grundsätzlich habe ich überhaupt nichts dagegen wenn mich jemand fragt. Es freut mich auch sehr, wenn meine Webseiten jemanden nutzen. Vor allem freue ich mich, wenn sogar Juristen bei mir anfragen oder ich Bücher über Prüfungsrecht zur Ansicht und Bewertung bekomme. Aber ich muß da leider die Hoffnungen Hilfesuchender dämpfen. Ich höre mir zwar gerne an, welche Probleme auftreten, zumal ich dabei selbst ein immer besseres Bild über die oft haarsträubenden Fehler und skrupellosen – teils kriminellen – Manipulationen in deutschen Prüfungen bekomme. Und ich gebe auch gern meine Meinung oder mal eine Empfehlung dazu. Grundsätzlich sollte aber jeder beachten, daß ich kein Jurist und insbesondere kein Anwalt bin. Ich kann, darf, will und werde

  • keine Rechtsberatung oder gar -vertretung übernehmen. Die Universal-Ratschläge, die ich fast immer gebe, sind:

    • Fristen für Rechtsmittel einhalten
    • Akteneinsicht nehmen
    • Empörung abschalten, stattdessen konkrete und greifbare fachliche Bewertungsfehler, Befangenheitsgründe und formale Verfahrensfehler suchen. Ein Anwalt hat kaum eine Chance und auch nicht die Zeit, die fachlichen Fehler in irgendeinem, ihm fremden Fach, aufzudecken. Wer als Prüfling nicht klipp und klar sagen kann, was der Prüfer falsch gemacht haben soll, der hat ein Problem. Vorwürfe wie “zu streng”, “der hat mich rausgeprüft”, “der hat was gegen Frauen”, “der war zu streng”, “der hat immer schlechte Bestehensquoten” und so Zeugs sind wertlos und bringen gar nichts. Was hat der Prüfer tatsächlich (nicht) getan? Wie weist man es nach? Warum ist es falsch?
    • Und wenn man zumindest eine ungefähre Vorstellung davon hat, was man eigentlich vortragen will (oder zuviel Geld hat), sollte man einen Anwalt heranziehen. Wer Ahnung hat, kann das Vorverfahren auch selbst angehen, aber das ist gefählich, weil man dabei irreparable Fehler machen kann.

    In den meisten Fällen ist das gar nicht so schwer, konkrete und schwerwiegende Fehler zu finden. Was deutsche Professoren sich in Prüfungen gelegentlich herausnehmen, sich zu dürfen einbilden oder einfach nicht wissen, ist enorm und bietet häufig beste Angriffspunkte, wenn man es denn konkret nachweisen kann. Erschreckend ist beispielsweise, wieviele Professoren glauben, daß der Prüfling keinen Anspruch auf Akteneinsicht hätte und daß der Prüfer dies willkürlich entscheiden könnte. Wennn das schon so anfängt, hat man gute Chancen, daß da ernsthafte Fehler zutage treten. Und was mir manche Leute von ihren Prüfungen oder Promotionen erzählen, das läßt schwerste Zweifel am deutschen Hochschulwesen aufkommen.

    Aber auch manche Hilfesuchende selbst treiben mir Sorgenfalten auf die Stirn. Das sind die Leute, die mit Anfragen nach dem Schema “ich bin dreimal durchgefallen, was empfehlen Sie mir zu tun” anfragen, ohne daß da irgendein Fehler des Prüfers vorgetragen würde. Das sind dann die Leute, die sich unter Prüfungsrecht vorstellen, daß man da immer noch eine weitere Hintertür aufmachen kann.

    Leute, das ist nicht Sinn und Zweck des Prüfungsrechts. Prüfungsrecht soll dem helfen, der zu Unrecht schlecht bewertet wurde, nicht dem, der zu Recht schlecht bewertet wurde. Man kann bei Prüfungen auch durchfallen, sie also nicht bestehen, und zwar zu Recht. Sonst dürfte es sie rechtlich nämlich so nicht geben. Prüfungsrecht ist nicht der Ersatz dafür, daß man vorher nicht gelernt hat oder das Fach einfach nicht beherrscht. Es geht nicht darum, einfach jedem sein Diplom oder sonstigen Abschluß zu beschaffen, egal ob fähig oder nicht.

    Da fragte mich mal einer an, der dreimal durchgefallen war und damit seinen Prüfungsanspruch verloren hatte, also in dem Fach dauerhaft und abschließend nicht bestanden hatte. Der machte nicht mal einen Hehl daraus, daß er nicht gelernt hatte und das fachlich eigentlich nicht konnte. Der erwartete von mir aber irgendwelche schrägen Tricks, wie man sich immer wieder prüfen lassen kann, bis es endlich irgendwann klappt. Dem (und anderen) habe ich ganz klar geschrieben, er solle sich mal vorstellen, er hätte einen Unfall, sei schwer verletzt, werde mit Blaulicht ins Krankenhaus eingeliefert und müsse dann einen Arzt an sich herumschnippeln lassen, der dreimal durch die Chirurgieprüfung gefallen war und die Zulassung als Arzt nur über Anwaltstricks erhalten hatte. Ob ihnen das gefallen würde. Nein, um Gottes Willen, sowas will keiner. Wieso sie aber dann glaubten, daß anderen wollten, von ihnen behandelt zu werden (oder was es halt gerade ist, Buchhaltung, Bremsen konstruieren oder sowas). Berufszulassungsprüfungen erfüllen den Zweck, die Öffentlichkeit vor Leuten zu schützen, die ihr Fach nicht beherrschen. Und manchen muß ich da schon sagen, daß sie zu diesen Leuten gehören, vor denen die Öffentlichkeit geschützt werden muß, und daß es deshalb richtig ist, daß sie durchgefallen sind. Und daß es meine Handlungsempfehlung ist, sich ein anderes Fach zu suchen und nachzudenken, was zu tun ist, damit man nicht wieder durchfällt. Es mal mit Lernen zu probieren.

    Das Problem ist, daß diese Leute, die da durch die Prüfung hageln und meinen, es in deutscher Manier über den Rechtsweg durchzusetzen, den Rechtsweg verstopfen, das Rechtsmittel inflationär machen und es damit letztlich denen massiv erschweren und verzögern, die zu Unrecht falsch bewertet wurden und den Rechtsweg begehen müssen. Wer Zeit hat, kann sich mal im nächsten Verwaltungsgericht in die Prüfungsrechtsstreitigkeiten setzen.

    Ich hab mal einen Fall angehört, in dem eine Frau klagte, weil sie in einer Prüfung in einem Heilberuf (nicht Arzt, sondern Physiotherapeutin oder sowas, genau hab ich es nicht mehr in Erinnerung) durchgefallen war und es eine Folge dieses Durchfallens war, daß sie den Beruf nicht ausüben durfte. Sie meinte, sie habe einen Anspruch auf Ausübung des Berufs und deshalb müsse man sie bestehen oder eben ohne die Prüfung praktizieren lassen.

    Durchgefallen war sie aber, weil sie in der Prüfung irgendeine Behandlung völlig falsch durchgeführt hat, was bei einem echten Patienten statt einem Dummy unmittelbar zum Tod geführt hätte. Sie hätte ihren Patienten also gerade umgebracht und zeigte sich dabei wohl auch noch uneinsichtig und unbelehrbar. Ein genervtes Gericht mußte ihr und ihrem Anwalt in deutlichen Worten klarmachen, daß das gut und richtig ist, daß es da eine Prüfung gibt, die dafür sorgt, daß Leute, die aus Unfähigkeit ihre Patienten umbringen, nicht praktizieren dürfen und nicht auf die Allgemeinheit losgelassen werden. Es gibt in Deutschland eben nicht nur unfähige Prüfer, es gibt auch unfähige Prüflinge. Manchmal fallen Leute auch zu Recht durch.

    Allerdings, und das ist ganz übel, bekommen viele Leute auch zu Unrecht gute Noten. Und dagegen gibt es kein Prüfungsrecht. Bisher hat sich bei mir auch noch keiner gemeldet, der meinte, daß er zu gut bewertet worden war.

    Ein Kommentar (RSS-Feed)

    RaphaelWimmer
    27.6.2008 7:42
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    Ich habe auch schon erlebt, dass gerade diejenigen, die nicht unbedingt die qualifiziertesten Kandidaten sind, nicht akzeptieren können, dass die Uni kein Traumberufbeschaffungsservice ist. Da wird der Dunning-Kruger-Effekt mal wieder sichtbar.
    Wir hatten schon Studenten, bei denen sowohl Prüfer als auch Beisitzer (ich) in der mündlichen Prüfung gerade noch eine 4.0 anbieten konnten, während der Student hinterher meinte, dass er doch quasi alles richtig erklärt hätte und eigentlich eine sehr gute Note erwartete.
    Ein bisschen zum Thema passend: Meine vorläufigen Erfahrungen mit Bachelor und Studienbeiträgen