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Über die Vergabe von Bundesverdienstkreuzen

Hadmut Danisch
9.12.2007 23:42

Manchmal wundere ich mich. Darüber, über wen man sich in diesem Land alles wundern muß. Ein Meta-Wundern, sozusagen. Nun muß ich mich mal über den Bundespräsidenten wundern.

Wie fange ich diese Story nun wieder an? Weil’s ja hier um hochdiffizile und ehrenrührige, aber auch staatswidrige Angelegenheiten geht, muß man wieder mal aufpassen, nicht zu viel und nicht zu wenig zu schreiben. Also steigen wir mal von Süden aufs Pferd.

In George Orwells Animal Farm hieß es

All animals are equal, but some animals are more equal than others.

Man beachte die Abstufungen bezüglich “equal”.

Nach Artikel 56 Grundgesetz leistet der Bundespräsident folgenden Amtseid:

“Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.”

Lassen wir Gott mal aus dem Spiel und wenden uns den Punkten “Pflichten gewissenhaft erfüllen” und “Gerechtigkeit gegen jedermann üben” zu. Und der Frage, ob “jedermann” vielleicht ähnliche Abstufungen haben könnte wie Orwells “all animals”. Equal und so.

Wie vielleicht der ein oder andere Leser dieses Blogs am Rande mitbekommen haben könnte, befasse ich mich hin und wieder mit seltsamen Vorgängen im Hochschulbereich. Wenn beispielsweise Prüfungsergebnisse mehr davon abhängen, welche Vorteile der Prüfer zieht, als welche Leistungen im prüfungsrechtlichen Sinne der Prüfling bringt. Und auch sonst mit seltsamen Geschäften und dubiosen Konzepten, in die der ein oder andere Professor manchmal unbeteiligte Mitarbeiter verstrickt und denen heftigen Schaden zufügt. Da gibt es schon sehr fragwürdige Figuren im großen Spiel, vor allem, wenn es um Geld geht.

Nun las ich kürzlich bestürzt, daß ein solcher Spieler, den ich persönlich bei den eher fragwürdigen Mannschaften sehen würde, das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte. Da hab ich mich erstmal gesetzt und mich gewundert. Den kenne ich den nämlich, und nach allem, was mir über ihn so berichtet wurde, und das war nicht wenig, fiel es mir schwer, darin Verdienste zu sehen – abgesehen vielleicht von seinen eigenen pekuniären. Nun haben wir aber ein Informationsfreiheitsgesetz. Also habe ich beim Bundespräsidialamt einfach mal höflich angefragt, warum gerade der ein Bundesverdienstkreuz bekommen hat, und wer auf die Idee gekommen sei. Und bekam eine Antwort. Schön sauber zitiert warum und wieso derjenige ein Bundesverdienstkreuz haben müssen. Weil er an diesem Studiengang mitgewirkt oder jene Vorlesung gehalten habe. Oder für ein anderes Land dies und jenes getan habe.

Interessant war aber, daß das nicht die Begründung des Bundespräsidenten war, der den Orden verlieh, sondern die Begründung, mit der man dies dem Präsidenten vorgeschlagen hatte. Der Vorschlag kam vom Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Und der Bundespräsident hatte das einfach durchgewinkt.

Dabei war jedoch auffällig, daß da so einiges drinstand, was ein Bundesverdienstkreuz wohl kaum rechtfertigen könnte. Teils standen da Sachen, die so nicht stimmten, gemessen an eigenen Beobachtungen, gemessen an dem, was mir Beteiligte erzählt hatten. Naja, und dann eben so Sachen wie eine Vorlesung zu halten oder an einem Studiengang mitzubasteln, den andere Hochschulen schon früher hatten. Wenn jetzt jeder das Bundesverdienstkreuz bekommt, der mal eine schlecht besuchte Vorlesung hält, dann herrscht da echte Inflation.

Wie kam aber der Ministerpräsident darauf, ausgerechnet den für das Bundesverdienstkreuz vorzuschlagen? Auf seinem eigenen Mist kann das nicht gewachsen sein, denn ein Ministerpräsident hat wohl kaum einen Überblick darüber, wer welche Vorlesung hält und ob sie gut ist. Also fragte ich mal nach dem wieso und warum.

Auch aus dem Staatsministerium Baden-Württemberg antworte man, und unterstrich die Würde und Bedeutungsschwere des Vorgangs damit, daß man sich für die Antwort einen Monat Zeit ließ. Man beließ es bei Allgemeinplätzen. Ja, das Verfahren sei zwischen dem Bundespräsidialamt und den Ländern abgestimmt. Ordensstatut, Ausführungsbestimmungen, Informationen werden von allen fachlichen Stellen und Personen eingeholt, die über Person und Wirken des Ordensprätendenten Auskunft geben könnten. Blabla, Schwafel. Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten Oettinger habe der Bundespräsident in Würding der Verdienste – schwafel – das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Nur warum genau und wieso, auf wessen Vorschlag und wer was bei wem geprüft habe, das sei alles vertraulich. Deshalb gebe es auch keine Auskunft.

Wir sind also wieder in Baden-Württemberg. Wie so oft gibt es hier zu Null und gar nichts Auskunft. Daß ein Bürger mal erfährt, was die Obrigkeit da treibt, kommt im Schwabeländle gar nicht erst in die Tüte. Wo kämen wir da hin, wenn jeder fragen könnte, wofür jemand das Bundesverdienstkreuz erhalten hat? Genau, wofür da manche Universitäten zu Exzellenzuniversitäten ernannt wurden, hält man ja auch strikt geheim. Des Kaisers neue Kleider.

Also tat ich was schlimmes. Ganz schlimmes. Ich rief an.

Der Schock saß tief. Man hatte mich als “Frau Danisch” angeschrieben und war nun erstaunt, daß da jemand behauptete, “Danisch” zu sein, der sich so gar nicht weiblich anhörte. Letztlich glaubte man mir aber doch mehr oder weniger der/die/das zu sein, wer/wie/was ich zu sein vorgab. (Wie lautet eigentlich das feministische femininum von “wer”? Müßte eigentlich “wie” lauten. Ist auch die Frage, die mir da meistens als erste einfällt…)

Man wählte die Worte äußerst bedächtig. Es schien, als eile mir ein Ruf voraus, in dem solche Details wie das Geschlecht von anderen Informationen höherer Priorität überlagert würden. Ich möge Verständnis dafür haben, daß die Sache vertraulich wäre, Datenschutz, Amtsgeheimnis usw.usw.usw. Der Bundespräsident verlange da die Vertraulichkeit und so. Die üblichen Zauber-Buzz-Words zur Abwehr jeglicher Rechte und Anfragen. Ich hielt dem entgegen, daß die Vertraulichkeit ja nur den Informationsfluß von ihnen zu mir betreffen könnte, aber nicht umgekehrt. Haha, ich weiß was, was Ihr nicht wißt. Das Gespräch kam in Gang.

Also las ich die Begründung vor und konnte hören, wie jemand blaß wurde. Woher ich das wüßte. Naja, direkt vom Bundespräsidenten. Der macht da nämlich gar nicht so eine Geheimniskrämerei drum wie Baden-Württemberg. Der sieht das durchaus etwas öffentlicher und nicht für so vertraulich, wofür er Leute auszeichnet. In Baden-Württemberg jedoch scheint man nicht damit zu rechnen daß da ans Licht kommt, wofür man Leute auszeichnet.

Wir wissen nun also, daß der Herr Sowieso für dies, das und jenes ausgezeichnet wurde. Woher wußte denn der Ministerpräsident das? Besucht der neuerdings Vorlesungen in der Dienstzeit? Naja, also zugegeben, vom Ministerpräsident kams auch nicht, der hat das auch nur weitergereicht. So hatte ich mir das vorgestellt.

Wer da nun aber tatsächlich dahintersteckte, wollte man mir partout nicht sagen. Man kann sich allerdings an fünf Fingern abzählen, wer die ganzen in der Begründung genannten Details kennen konnte. Man werde meine Einwände jedoch prüfen.

Inzwischen meldete sich das Bundespräsidialamt wieder bei mir, denen ich mal geschrieben hatte, was ich von dieser Ordensverleihung hielt. Die Erläuterungen waren verblüffend. Man lese hierzu u.a. die Broschüre über den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland

  • Der Bundespräsident stützt seine Entscheidung grundsätzlich auf Anträge und Prüfungsergebnisse der “zuständigen Vorschlagsberechtigten”. Schon das ist seltsam, denn Vorschlagsberechtigt ist eigentlich jeder. Oder doch nicht?

    Nein, man so als jedermann “anregungsberechtigt” und darf dem “Vorschlagsberechtigten” ein Brief schicken. Das heißt gar nichts, denn das kann man sowieso. Vorschlagsberechtigt sind in den meisten Fällen tatsächlich die Ministerpräsidenten, soweit es ihre “Landeskinder” betrifft. Aha. So ist das also.

    Eigentlich sind Orden generell eine Bundesangelegenheit. Sagt auch das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen. Die können laut § 1 nämlich nur vom Bundespräsidenten oder mit seiner Genehmigung gestiftet und verliehen werden. Und das ist gut so, denn der sollte sich eigentlich politisch halbwegs neutral, fair und gleichverteilt verhalten. De facto hat man aber eine Länderangelegenheit daraus gemacht und die faktische Prüfung den Landesregierungen unterstellt, die bekanntlich das genaue Gegenteil von politisch neutral und in Parteienfilz, Amigo-Affären und Korruptionssümpfe verstrickt sind. Das Ding heißt also Bundesverdienstkreuz, ist auf dem Papier Bundessache, wird aber de facto von den Landesparteien verwaltet, womit sich auch eine Art Parteienproporz ergibt.

  • Man sagt auch nicht, daß meine Einwände oder Meinung unberechtigt wären. Im Gegenteil, man bestätigt sie implizit sogar. Es heißt nämlich, daß sich “im Vorfeld der Verleihung” keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die einer Verleihung entgegengestanden hätten. Klar, wo sollten die auch herkommen, wenn man nicht selbst prüft. Der vorschlagende Ministerpräsident wird sie wohl kaum seinem Vorschlag beilegen.

    Interessant ist aber, daß man nur sagt, daß es “im Vorfeld” keine Anhaltspunkte gegeben habe. Wer sich mit der üblichen Behörden- und Diplomatensprache auskennt erkennt sofort, daß dies ein Riesenunterschied zu “es gibt keine Anhaltspunkte” ist.

  • Nun führt man aus, daß eine Entziehung nur nach § 4 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen möglich wäre. Dafür gälte nun aber eine sehr hohe Schwelle. Während man auf die Verleihung keinen Rechtsanspruch hat, kann man sich gegen die Entziehung vor dem Verwaltungsgericht wehren, was natürlich Peinlichkeiten und Streit verheißt. Es müsse eben gravierendes Fehlverhalten bewiesen werden, etwa entehrende Straftaten. Die Erheblichkeitsschwelle sei nicht erreicht.
  • Die Quintessenz ist, daß man zwischen den Zeilen zugibt, daß man den Orden nicht verliehen hätte, wenn man vorher geprüft und gewußt hätte, worum es ging. Man hat aber nicht geprüft, weil man grundsätzlich nicht prüft, sondern die Ministerpräsidenten prüfen läßt, obwohl der Bundespräsident selbst prüfen müßte.

    Nun aber habe der Mann nun einmal den Orden, und man werde ihm den Orden nun auch nicht mehr abnehmen. Weil das für alle Beteiligten übel wäre. Außerdem, so schreibt man, läge darin ein schwerer Eingriff in die persönliche Integrität des Ordensträgers.

  • Die persönliche Integrität der Leute, die sich gegen den Mann zur Wehr setzen mußten und von ihm geschädigt wurden, und die nun selbst durch dessen Auszeichnung in Frage gestellt werden, scheint das Bundespräsidialamt jedoch weniger zu interessieren. Ob man einen Orden bekommt und ob auf die persönliche Integrität Rücksicht genommen wird, hängt allein vom Willen der Landesregierung und damit wesentlich von politischen Interessen und den politischen Verbindungen ab. Some animals are more equal than others.
  • Letztlich beruft sich das Bundespräsidialamt darauf, daß das Staatsministerium des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg geprüft habe. Und das hat nicht geprüft, jedenfalls nicht selbst. Wer geprüft hat und ob überhaupt, war noch nicht herauszufinden. Mal gespannt, was da noch ans Licht kommt.

Da wird also offiziell so getan, als ob das Bundesverdienstkreuz eine heilige Angelegenheit der Bundesrepublik sei und vom Bundespräsidenten persönlich geprüft und verliehen würde, und tatsächlich verliert sich das ganze irgendwo in der lokalen Parteipolitik. Freilich ist einzusehen, daß der Orden inzwischen rund 200.000 Mal verliehen wurde und der Bundespräsident nicht 200.000 Mal prüfen konnte. Allerdings habe ich schon Zweifel daran, ob er auch 200.000 Mal berechtigt vergeben wurde, wenn man sich das Procedere ansieht. Dieses Land macht nicht den Eindruck, als ob ihm 200.000 Leute Gutes getan hätten. Aber selbst wenn: Wenn der Bundespräsident nicht 200.000 Mal prüfen kann, dann soll man eben auch nicht so tun als ob. Und vielleicht sollte man als Farben auch nicht Schwarz-Rot-Gold, sondern die jeweiligen Parteifarben wählen (oder ist das mit Schwarz-Rot-Gelb etwa schon gemeint?)

Man möge sich nun seine Gedanken darüber machen, inwieweit dieser Bundespräsident sich an seinem Amtseid orientiert, seine Pflichten “gewissenhaft” erfüllt und Gerechtigkeit gegenüber jedermann übt.

3 Kommentare (RSS-Feed)

Jens
10.12.2007 0:22
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Jemanden für den Verdienstorden anzuregen, ist nicht unbedingt nett, oder?


Hadmut
10.12.2007 0:29
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Den Kommentar hab ich jetzt nicht verstanden…


Jens
10.12.2007 12:52
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Naja, da so ein Ehrenzeichen ja nicht unbedingt als Ehre anzusehen ist …

Aber man kann es ja auch ablehnen, das dann vorzugsweise öffentlich 😉