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Ist die Promotion verfassungswidrig?

Ich bereite mich gerade auf die nächste Schlacht vor: Ist die Promotion in Deutschland verfassungswidrig?

Der Ansatzpunkt ist das Prüfungsrecht. Das Bundesverfassungsgericht und die Verwaltungsgerichte haben aus den Art. 12 I (Berufsfreiheit) und 19 IV (Rechtswegsgarantie) eine ganze Reihe von Anforderungen an staatliche Berufszugangsprüfungen aufgestellt. Nur: Das interessiert an den Universitäten und Ministerien niemand. Niemand schert sich drum. Es geht weiter zu wie im Mittelalter.

Das führt dazu, daß die Promotion wesentliche Anforderungen an ein Prüfungsverfahren nicht erfüllt. Es gibt keine Aufgabe, keine gleichen Prüfungsbedingungen, keine erkennbaren Anforderungen, keine Bewertungskriterien, nichts, nur grenzenlose Willkür. Der eine wird von seinem Doktorvater alle zwei Wochen zur Besprechung geholt, der andere sieht ihn nie. Eine normale Prüfung wäre ungültig, wenn der Prüfer die Lösung verrät. Hier schwätzt der Doktorvater in manchen Fällen ständig rein. Es ist im Nachhinein nicht mehr aufzutrennen, was da vom Prüfling oder vom Prüfer kommt. Die meisten Doktorväter prüfen letztlich ihre eigenen Aussagen.

Rechtsschutz? Gibt es nicht.

Neutralität? Die Institute haben ein reges Interesse daran, gerade die Leute in den Professorenmarkt zu drücken, die loyal sind und mit denen sie gut können. In der Realität spielt die Dissertation oft keine, die Institutspolitik die entscheidende Rolle.

Prüfer? Ich habe bisher in Deutschland noch nicht einen einzigen Professor der Informatik gefunden, der genau wußte, was ein Prüfer zu tun und zu lassen hat (falls es doch welche gibt: Bitte mal bei mir melden).

Was ist eigentlich Prüfungsgegenstand? Laut Gesetz irgendwas mit der Befähigung zu selbständigem Wissenschaftlichem Arbeiten. Ja, und was ist das nun? Man kann sich ja so manches drunter vorstellen, aber kaum etwas davon würde durch eine mündliche Prüfung oder eine Dissertation belegt. Nur: Es gibt das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Und nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts ist die Wissenschaft frei von jeglicher staatlicher Ingerenz. Wie kann man sie dann durch eine staatliche Prüfung abprüfen?

Ich kenne genügend Fälle von gefälschten Promotionen in Informatik. Drei Beispiele:

  • Da war die Dame, die meinte, sie könnte ein Protokoll für das anonyme Einkaufen von Software entwickeln. Also entwickelte sie ein Protokoll, bei dem der Verkäufer nicht wußte, mit wem er es zu tun hatte, weil der Käufer sich ein anonymes, wiederverwendbares Pseudonym beschaffen konnte. Allerdings sollte der Käufer dann nach Erhalt der Ware auf freiwilliger Basis bezahlen. Auf meine Frage, wie denn sichergestellt sei, daß der auch wirklich bezahlt, und nicht einfach das Protokoll nach Erhalt der Ware abbricht, meinte sie treuherzig “Ja spätestens nach dem dritten Mal wird der Händler sich schon überlegen, ob er mit dem weitere Geschäfte machen will, wenn der nicht bezahlt.” Eine unglaublich naive Sichtweise. Meine erste Gegenfrage: Und was ist, wenn jeder Dieb genau dreimal klaut? Meine zweite Gegenfrage: Nach diesem Protokoll kann sich der Käufer beliebig viele Pseudonyme beschaffen und der Händler kann nicht erkennen, ob es der gleiche Käufer ist (deshalb nannte sie es ja auch anonym). Woran denn der Händler erkennen können sollte, daß der immer selbe Dieb ihm den Laden ausräumt, indem er unter ständig neuen Pseudonymen kauft und nie bezahlt. Betretenes Schweigen. So sieht der Entwurf eines Sicherheitsprotokolls an einer deutschen Uni aus.

    Ich fragte weiter: Wie sieht es denn mit dem ehrlichen Kunden aus? Womit kann denn der nachweisen, daß er die Software legal gekauft hat und sie nutzen darf? Daß er sie nicht geklaut hat? Wie weist er denn dem Finanzamt nach, daß er Geld für Software ausgegeben hat, wenn es keine Rechnung gibt? Ihre Antwort: Ja, dann muß man sich halt außerhalb des Protokolls beim Händler melden und sagen, daß man was gekauft hat. Dann wird er einem schon eine Rechnung ausstellen. Ah ja. Ich kaufe also erst über ein anonymes Protokoll und rufe dann nachträglich beim Händler an “Grüß Gott, ich bin der Danisch und der anonyme Käufer von gestern war ich. Bitte schicken Sie mir doch noch ne Rechnung.” Woher soll denn der Händler wissen, daß ich das war? Was, wenn er mir das nicht glaubt und ich nicht nachweisen kann, daß ich gekauft und bezahlt habe? Stehe ich dann als Raubkopierer da? Und wenn ich das Finanzamt bescheißen will, kann ich mir dann einfach mal so eine Quittung ausstellen lassen? Ihre Antwort: Vertrauen und Ehrlichkeit müßten schon sein. Und deshalb braucht man dann wohl auch ihr “Sicherheitsprotokoll”.

    Als ich dann darauf hinwies, daß so etwas gegen das Gesetz ist, weil es für solche Dinge wie Softwarehändler und -kunden Buchhaltungs- und Belegpflichten gibt, war sie fassungslos. Davon hatte sie noch nie etwas gehört. Beste Voraussetzungen also um ein Protokoll zum Verkauf von Waren zu erstellen.

    Als Reaktion auf meine Einwände gab sie in der Dissertation dann ihr Anonymisierungsprotokoll unverändert (!) als Authentifikationsprotokoll an. Ist ja auch fast das gleiche. Wegen der Buchhaltungsproblematik gab sie einfach seitenweise willkürlich Gesetzestexte an. Copy-und-Paste bringt jede Diss auf satten Umfang.

    Abgerundet wurde die Dissertation durch ihre Behauptung, daß man kryptographische Schlüssel kurzhalten müsse. Das macht sie sicherer. Weil man sie sich viel leichter merken kann und sie nicht aufzuschreiben braucht. Ein bemerkenswertes Entwurfskriterium.

    Und als Nachweis gab sie an, das Protokoll für eine Firma implementiert zu haben. Dumm daran: Die Firma wußte davon gar nichts, als ich dort nachfragte.

    Ergebnis: Note 1 mit Auszeichnung.

  • Da entwickelte einer ein Protokoll zur schnellen Schlüsselverwaltung. Das schnelle daran war, daß er nicht jedesmal bei jedem Verbindungsaufbau den gesamten Public-Key-Kram durchrechnete, sondern einmal einen Dauerschlüssel erzeugte und aus dem dann die jeweiligen Kurzzeitschlüssel ableitete. Eine mikroskopisch kleine Änderung gegenüber einem bekannten Protokoll. Die ganze Neuigkeit der Dissertation auf einer halben Seite. Nicht nur trivial und selbstverständlich, sondern auch Stand der Technik. War damals schon im SSL-Protokoll bekannt. Und das hab ich denen auch gesagt. Aber es störte sie nicht.

    Er hatte ja noch einen zweiten Teil: Mit einer Variante der BAN-Logik wollte er die Sicherheit des Protokolls nachgewiesen haben. Dumm daran: Die BAN-Logik kann überhaupt keine Sicherheitseigenschaften nachweisen. Außerdem bezieht sie sich auf Authentifikationsverfahren und nicht auf das Aushandeln von Sitzungsschlüsseln für Verschlüsselungen. Also zeugt der Teil davon, daß der Doktorand und seine Prüfer ein paar ganz grundlegende Dinge so überhaupt nicht verstanden hatten.

    Ergebnis: Note 1 mit Auszeichnung und noch irgendwelche anderen Auszeichnungen dazu. Der Mann ist heute Professor und lehrt Sicherheit.

  • Da promovierte einer, von dem ich damals zufällig erfahren hatte, daß er noch ca. 6 Wochen vor der Promotion keine Dissertation hatte und jammerte, daß er nicht wisse, worüber er promovieren sollte. Schwups, war er Doktor. Hing wohl damit zusammen, daß er gleichzeitig mit der Promotion Mitarbeiter beim Zweitgutachter wurde und der für diese Stelle unbedingt einen Promovierten brauchte, wegen Finanzierung und so. Das kam mir komisch vor. Also wollte ich die Dissertation mal sehen.

    Es gab aber keine. Und das fast zwei Jahre nach der Prüfung. Als ich bei der Fakultät fragte, hieß es nur, die stände in der Bibliothek. Da stand sie aber nicht. Als die Bibliothekarin das bestätigte, herrschte 2 Wochen eisiges Schweigen. Dann war sie plötzlich da, druckfrisch, mit nagelneuester Inventarnummer. Also wirklich frisch. Und was muß man sehen, wenn man da reinguckt? Es wird fein säuberlich aufgezählt, was irgendwelche anderen Leute gemacht haben. Nicht geklaut, schön mit Quellenangaben. Dumm daran: Zwischen den Zitaten ist überhaupt nichts dazwischen. Keinerlei Eigenleistung. Kein Zusammenhang. Da hatte man auf meine Anfrage hin in aller Eile irgendwas zusammengeklimpert und in die Druckerei gegeben. Da saß der Knabe aber schon seit zwei Jahren mit Doktortitel auf einer Stelle, auf die nur Promovierte dürfen.

    Ergebnis: So weit ich weiß Note 1

Und von den Beispielen kenn ich noch mehr. Das drollige daran: Ich hatte sie bereits vor Gericht als Vergleichsfälle hinzugezogen, und das Gericht lehnte sie mit dem Hinweis ab, daß es Gleichheit im Unrecht eben nicht gäbe, daß man sich nicht Fälle beziehen kann, die zu Unrecht ihren Doktortitel erhalten haben.

Die Uni weiß das, hat aber noch keine einzige dieser Promotionen annuliert. Hätte mich auch gewundert, denn in allen Fällen war schon vorher bekannt, daß die Promotionen faul sind. Da wird also bewußt mit falschen Bewertungen gearbeitet.

Dabei machen die aus dem Schwindel gar keinen Hehl: Organisationen wie die TU9 oder die Deutsche Physikalische Gesellschaft fordern vehement, daß die Promotion kein Teil des Studiums werden dürfe. Die wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, daß die Promotion eine Prüfung werden könnte. Hintergrund: Im Rahmen des Bologna-Prozesses, der uns auch den Bachelor und den Master gebracht hat, will man auch die Promotion aufräumen. Es wird bemängelt, daß die deutsche Promotion zu intransparent und nicht vergleichbar ist, und das will man ändern.

Ich kann das nur unterstützen und habe die Absicht, entsprechende Klage zu erheben und die Sache durchzusetzen, feststellen zu lassen, daß die Promotion in Deutschland den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Prüfungen nicht genügt und deshalb überhaupt nicht existieren dürfte. Der Zeitpunkt ist günstiger denn je, denn die bessere Alternative ist in greifbarer Nähe.

Deshalb die Bitte an alle Leser: Schickt mir Informationen und Material in diesem Sinne, Kritiken am Promotionsverfahren, faule Dissertationen, was auch immer.