Ansichten eines Informatikers

Von der Wissenschaftswidrigkeit der Geisteswissenschaften

Hadmut
14.11.2021 18:57

Ein zufällig aufgeschnappter Dialog.

Ich glaube, es reicht nicht mehr, den Geisteswissenschaften nur Unwissenschaftlichkeit vorzuwerfen. Man muss sie als wissenschaftswidrig beschimpfen.

Bin so zufällig über diesen Tweet gestolpert:

Aus ihrem Profil:

Videojournalistin & Moderatorin bei @derStandardat | Instagram: @vrentacular | Mitglied @Netzwerk_Klima

Ich wollte der eigentlich gerade antworten, dass man die evidenzbasierte Wissenschaft spätestens mit Gender-Studies totgeschlagen hat, und dass es Leute ihres Metiers, der Presse, waren, die der Wissenschaft das Messer in den Rücken gerammt haben. Und dass es nach 20, 30 Jahren Gender- und Feminismuskrieg zutiefst verlogen ist, wenn Journalisten jetzt ankommen und auf wissenschaftlich und evidenzbasiert machen. Weil evidenzbasiert nur dann evidenzbasiert ist, wenn es auch dann gilt, wenn es einem nicht in den Kram passt, und nicht nur dann als Vehikel herangezogen wird, wenn es zufällig gerade passt. Das evidenzbasiert bedeutet, das Wissen aus der Wirklichkeit zu ziehen und nicht umgekehrt die Teile einer Wirklichkeit zu konsultieren, die zur gerade gewünschten Meinung passen. Dass eine selektive Wahrnehmung eben nicht evidenzbasiert ist, sondern der Denkfehler des confirmation bias.

Und es eine Schande ist, wenn überhaupt noch ein Journalist das Wort Wissenschaft in den Mund nimmt.

Dann ist mir aber aufgefallen, was andere Leute da so geantwortet haben.

Ich dachte, ich fall’ vom [wollt Ihr nicht wissen, wo ich saß].

Wissenschaft zielt darauf, zu Aussagen zu gelangen, die möglichst wenig angreifbar sind. In Sozialwissenschaften ist Empirie Mittel zum Zweck, diese Nichtangreifbarkeit herzustellen. In “echten” Geisteswissensch. gibt es hingegen keine Empirie, dennoch sind die wissenschaftlich.

Was für ein bodenloser Schwachsinn.

Jeder halbwegs vernünftige und wissenschaftlich geschulte Mensch hätte ihn an dieser Stelle erst einmal aufgefordert, schleunigst darzulegen, was er unter „Wissenschaft“ oder „wissenschaftlich“ überhaupt versteht. Denn wesentlich mehr als „blanke Willkür, Faulheit und dummes Geschwätz, vom Steuerzahler gezahlt und vom Geschwafel der Wissenschaftsfreiheit geschützt, unkündbar verbeamtet“ ist da nämlich in den Geisteswissenschaften in der Regel nicht. Oder zumindest nicht mehr.

Wissenschaft als das Treffen von Aussagen, die möglichst wenig angreifbar sind.

Was ist das für ein Schwachsinn?

Je absurder, je weltfremder, desto wissenschaftlicher?

Da sind wir aber wieder in diesem Positivmusstreit, den ich schon so oft hatte. Viele Geisteswissenschaftler glauben, dass nicht der, der etwas behauptet, dafür zuständig sei, es zu belegen und nachvollziehbar zu machen, es zu verifizieren. Sondern alles als wahr zu gelten hat, was vom Publikum nicht widerlegt wird, es also allein die Aufgabe des Publikums sei, die Unrichtigkeit zu beweisen.

In der Realität kommen Geisteswissenschaftler deshalb dann mit der Antifa, die jedem im Publikum aufs Maul haut oder aus der Uni mobbt, oder gar nicht erst reinlässt, der es noch wagt, zu widersprechen. Nach der Methode wird dann alles zu Wissenschaft, wo die Antifa genug rumgeprügelt hat.

So offenkundig dämlich der Ansatz, das Denkmodell der Geisteswissenschaften schon per se ist, es wird ja dann noch ad absurdum dadurch geführt, dass sie dann unlauter bis gewalttätig das Publikum zum Schweigen bringen.

Das hat auch überhaupt keinen Anspruch. Die lassen einfach ihren Geschwätzdiesel laufen und fertig. Mehr ist es nicht.

Und genau auf diesem Prinzip, einfach irgendeinen beliebigen Schwachsinn zu behaupten, der einem die größten finanziellen Vorteile erlügt, und dann jeden anzugreifen, der was sagt, beruhen ja vor allem die „feministischen Theorien“. Wissenschaft nach dem Raubprinzip: Man behauptet einfach irgendwas, haut jedem aufs Maul, der was dagegen sagt, und erklärt das dann zur Wissenschaft.

Was für ein Quatsch.

„Die CDU hat so viele Wähler verloren, weil sie zu weit nach links gerückt ist“ sind gleich vier Aussagen in einer.

  1. Die CDU hat viele Wähler verloren.
  2. Die CDU ist nach links gerückt.
  3. Die CDU ist zu weit gerückt.
  4. Die zweite und dritte Aussage beschreiben die Kausalität für die erste.

Zunächst mal sind das überhaupt keine wissenschaftlichen Aussagen, weil sie lediglich einen einzelnen Sachverhalt betreffen, kein Wissen. Sie sind wahr oder unwahr, aber nicht wissenschaftlich, und wissenschaftlich wäre, zu beschreiben, wie man das feststellt, oder zu solchen Aussagen kommt.

Zur Erklärung: Jede Woche füllen Leute Lottoscheine aus, und ab und zu gewinnt einer. Dessen Lottoschein ist aber nicht wissenschaftlicher als die anderen, nur weil’s bei dem dann zufällig stimmt und bei den anderen nicht.

(Und ich habe zwar nicht Politik studiert, ich darf das aber auch sagen. Man muss zwar in den Wald, aber nicht selbst Wildsau werden, um eine zu schießen.)

Und dass sie Sachverhalte im Sinne der Beschreibung einzelner Vorgänge, Korrelationen und Kausalitäten nicht unterscheiden können, hatte ich ja schon oft beschrieben. Und das wird besonders dann problematisch, wenn in ihren Sätzen sowas wie „weil“ vorkommt, wenn sie aus ihrer Sachverhaltsbeobachtung die Kausalität gleich ohne weiter Begründung mitsaugen wollen.

Der Haken ist nämlich: Die Empirie liefert normalerweise nur Sachverhalte und Korrelationen. Die Empirie liefert per se und im Allgemeinen keine Kausalitäten, wenn wir nicht zufällig Vorgänge beobachten können, die auch die Kausalität belegen.

Die Empirie, so gut und wichtig sie ist, ist nämlich im Allgemeinen nicht geeignet, Kausalitäten zu belegen. Dazu braucht man einen besonderen, künstlichen Spezialfall der Empirie, gemeinhin als Experiment bekannt. Das aktive Austesten dieser vermuteten Kausalität. Heißt: Empirisch zu zeigen, dass unter denselben Bedingen, die sich ausschließlich in der Kausalursache unterschieden, die Kausalfolge nicht eintritt und eintritt, und am besten auch noch erklärt, auf bekanntes und bewiesenes Wissen in der Kausalkette zurückführt.

Einfach zu behaupten, dass die CDU viele Wähler verloren hat, kann zutreffend sein, ist aber keine wissenschaftliche Aussage, sondern eine Beobachtung (was ist überhaupt „viele“?) in Laienniveau. Könnte genausogut heißen, dass die Wähler der CDU alle über 90 waren und weggestorben sind oder sie alle ausgewandert und damit Staatsbürgerschaft und Wahlrecht aufgegeben haben.

Dass die CDU „nach links“ gerückt ist, ist auch viel zu unpräzise.

Aber wieso da ein „weil“ stehen soll, ist unklar. Man könnte genausogut behaupten, dass der CDU die Wähler davongelaufen sind, weil sie nicht weit genug nach links gerückt ist. Denn die Wähler sind ja noch weiter nach links gerückt, zu SPD und Grünen. Wäre die CDU den Wählern zu links, hätten sie AfD gewählt.

Er sagt ja auch schon selbst, dass die Aussage „empirisch“ nicht haltbar ist, aber was soll sie denn dann sein? Gleichzeitig wissenschaftlich und falsch? Die ganze Diskussion ist bekloppt und beruht darauf, dass sie gar nicht erst über wissenschaftliche Methoden verfügen und deshalb versuchen, umgangssprachliches Geschwafel in ihr Schema einzuordnen.

Wissenschaftler würden sowas vielleicht als Anregung zu wissenschaftlicher Betrachtung auffassen, aber nicht als Wissenschaft.

Das Problem ist, dass diese Vögel erst gar keinen Wissenschaftsbegriff haben, sondern alles für Wissenschaft halten, was sie im rhetorischen Nahkampf irgendwie verteidigen können. Blubber, Blubber. Wissenschaft ist, wenn man eine ausreichend große Keule hat, um jedem aufs Maul zu hauen.

Und eine „nichtempirische Basis, wie man dazu kommt, das und nicht was anderes zu sagen“, ist, wenn überhaupt, noch nicht Wissenschaft, sondern überhaupt erst mal die Darstellung der Gedanken gegenüber Dritten, die allererste Grundlage von Wissenschaft. Daran scheitert der Genderapparat schon mal komplett.

Außerdem ist das eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingungen. Wenn einer – wie die Genders – nicht sagen kann, wie er überhaupt darauf kommt, ist es nicht wissenschaftlich, das stimmt. Aber das heißt noch lange nicht, dass es wissenschaftlich ist, wenn es einer kann. Hatten wir ja gerade. ZDF aspekte meinte, dass Judith Butler den Genderscheiß und die Behauptung sozial konstruierter Geschlechter erfunden hat, weil sie damit Transsexuelle und „Queere“ als „normal“ anerkennen könne. Das ist eine Erläuterung, wie sie darauf kommt, aber immer noch Schwachsinn, nicht Wissenschaft.

Die Reaktion darauf hätte sein müssen „Gut, ich habe jetzt verstanden, warum Du das und nicht was anderes sagst. Das bedeutet aber, dass Du eine knackdumme Nuss bist und in einer Professur einfach gar nichts verloren hast!“ Denn der Grund, warum man etwas behauptet, kann sich ja selbst bei Nachvollziehbarkeit (oder gerade dann) als falsch, korrupt, dumm, verlogen herausstellen.

Trotzdem aber werden solche Leute in den Geisteswissenschaften herumgereicht, wie das nächste Zirkuspferd in der Manege.

Und natürlich: „Theoriebildung ist kein auf Einheitlichkeit zielendes Unterfangen.“

Klar, jeder behauptet irgendwas anderes. Wenn sie darauf nicht abzielt, also auch nicht darauf, andere zu überzeugen, sondern sich nur selbst einen runterzuholen, dann ist sie wissenschaftlich völlig substanz- und wertlos. Denn Wissenschaft handelt vom wiederverwendbaren, vom weitergabefähigen Wissen. Das ist es aber nicht, wenn jeder eine andere Suppe kocht und jeder seine für die richtigste hält.

Was die machen ist nicht nur unwissenschaftlich, es ist wissenschaftswidrig. Es hat mit Wissen nichts zu tun. Die machen nichts anderes, als sich ein Sozialbiotop auszupolstern. Deshalb halten die auch alle Wissenschaft nur für ein soziales Verhalten – die kennen schlicht nicht mehr. Deshalb gerät das dann auch zum Cargo Cult, wenn die versuchen, Wissenschaftler nachzuahmen. Die kapieren schlicht nicht, was da eigentlich abläuft. Und deshalb kamen die auch mit der Frauenquote und „quality is a myth“: Die halten das alles für Sozialtänze, bei denen man jeden mittanzen lassen und sich nur an ihn gewöhnen muss.

Und dann sind wir wieder bei den fehlenden Hirnteilen, wenn das Rudelverhalten maßgeblich ist und versucht, die anderen Hirnteile zu simulieren. Wenn man den weißen Kittel der Wissenschaftler als Rudelsymbol auffasst und meint, man müsse die nur zum Aufnahmeritual zwingen.

Aber Politik und Medien lassen sich von denen rumtreiben. Und das Ergebnis sind dann halt Feminismus, Gender, Marxismus, Migrationsheiligkeit, Diversitätsglauben. Da wird einfach irgendein willkürlicher Mist behauptet,

Ich kann kaum in Worte fassen, wie sehr ich diese Leute verachte.