Ansichten eines Informatikers

Die Rhetorikübungen des Adolf Spiderman

Hadmut
14.9.2019 23:46

Angewandte Medienkompetenz.

Einige Leser haben mir zu meinem Artikel „Heil Greta!” geschrieben.

Ich hatte das vorhin schon unter den Heil-Greta-Artikel gepappt, aber weil es hier eignetlich reinpasst, nochmal: Eine Leserin, die in Italien aufgewachsen ist, schrieb mir, dass sie sich als Kind immer gewundert hatte, warum Il Duce (=„Führer”, Mussolini) immer so seltsam abgehackt sprach. Die damaligen frühen Lautsprecheranlagen kamen mit dem Hall und den Interferenzen noch nicht klar, und der musste alle paar Worte, vor allem nach laut und artikuliert gesprochenen Worten, immer warten, bis der Hall verklungen war. Das war keine Macke or Marotte Mussolinis, das war der Umgang mit der damaligen Technik:

Dass auch Hitler nicht so gesprochen hat, weil der grundsätzlich so bekloppt gesprochen habe, sondern das antrainierte Sprache für die Mikrofone war, das würde, schrieben mir mehrere Leser, an der einzigen „privaten” überlieferten Tonaufnahme hören, dem sogenannten Hitler and Mannerheim recording, einem privaten Gespräch zwischen Hitler und dem finnischen Befehlshaber der Streitkräfte Mannerheim 1942. Laut dem Wikipedia-Artikel zu dieser Aufnahme soll Hitler nicht gemerkt haben, dass die Aufnahme läuft. Gemacht habe sie der Tontechniker, der die offiziellen Reden in deren Auftrag aufgenommen hatte, danach aber unbemerkt das Aufnahmegerät weiterlaufen ließ. Die Aufnahme findet man auf Youtube. Der hört sich völlig anders an als auf den sonstigen Aufnahmen, man erkennt die Stimme eigentlich gar nicht. Inhaltlich zwar stellenweise selbstherrlich, an anderen Stellen hört er sich eher so an, als sei er mit seiner Situation überfordert und da ungewollt reingekommen (was zu den Hinweisen passen würde, dass der in den letzten Jahren auf Droge war), aber davon abgesehen redet der völlig normal, süddeutsch geprägt eben.

Wenn die Aufnahme echt ist, müsste man viele Dokumentarfilme und Parodien als Quatsch abtun. Es wird immer so getan, als hätte der immer so geredet, als wäre der von vornherein der offensichtliche oder offenhörliche Spinner gewesen.

Ich konnte mich beim Schreiben des Artikels so dumpf entsinnen, neulich mal gelesen zu haben, dass irgendwo irgendwie Fotos von Rhetorikübungen aufgetaucht seien, deren Vernichtung er eigentlich angeordnet hatte, die der Fotograf aber trotzdem aufbewahrt hat, weshalb bekannt sei, dass der das tatsächlich vor dem Spiegel geübt hat.

Ein Leser schickte mir auch den Link auf diese Webseite, auf der diese Fotos gezeigt werden.

Wenn’s jetzt nicht gerade Hitler mit seinem beknackten (aber damals weithin üblichen) Bärtchen wäre, könnte man es für Bühnenübungen oder Plakatfotos eines zweitklassigen Schauspielers halten, der Dracula oder Spiderman spielen will. Das erscheint heute etwas kurios, war aber damals stand der Fototechnik und Dramatik. Viele Theater- und Schauspielfotos aus der Zeit waren genau so gemacht, bis in die Sechziger Jahre merkte man diesen seltsamen Stil noch. Selbst in den alten Star-Trek-Folgen und ähnlichen Filmen sieht man das noch, dass die in dramatischen Szenen so seltsam gucken (und dann noch dieses Augenlicht bekommen, so ein streifenförmiges Licht auf die Augenpartie). Das waren damals gängige Gesten und Haltungen wie heute das typische Gehabe der Rapper.

Hitler hat offenbar systematisch Bühnen- und Darstellungstechnik der damaligen Zeit geübt, Gestik, Mimik, Rhetorik, Stimme. Was wiederum darauf hindeutet, dass es da jemanden im Hintergrund gab, der sagte, wo es hingehen soll. Das, was man so als typisch kennt, war mehr eine gespielte Rolle als echt.

Kurios: Dabei soll er die Laborantin seines Fotografen kennengelernt haben, eine gewisse Eva Braun.

In dem Artikel mit den Fotos heißt es:

Adolf Hitler, leader of the Nazi Party, strikes a pose for photographer Heinrich Hoffmann whilst rehearsing and listening his recorded speech. The album, features black and white images of the Nazi leader in a series of poses, using expressive face and hand gestures, which he would practice and review before addressing the German public. They capture the meticulous training Hitler undertook to perfect his famous speeches, and give a rare insight into his vanity and controlling personality. Once he saw the pictures, he would decide whether to incorporate the various gestures and poses into his speeches and appearances.

Der hat seine Reden vorher aufgenommen, sie dort abgespielt, dazu Posen geübt und sie fotografieren lassen, um sie dann auszuwählen.

Die Fotos sollen von 1925 stammen, also vor der Wahl und Machtergreifung. Frühzeit, Vorbereitung.

„Back to greatness” – wie „America great again”

“It makes perfect sense that he would be doing this. We have this image now of Hitler almost as a buffoon, but he had a lot of charisma and his speeches made people sincerely believe he would lead them back to greatness. He was an absolutely spellbinding public speaker and these pictures show that it was something he worked very hard on. When you listen to his speeches now, he sounds like a ranting, raving maniac, but we know that it came across in a very persuasive way. These pictures give an important insight into how he practiced. He was a showman and rehearsed his gestures to get a particular reaction from his audiences.

He experimented with his own image and asked Hoffmann to take photographs for him to review. Then he’d look at them and say “no, that looks silly” or “I’m never doing that again”. He used Hoffmann as a sounding board, but never intended the images to be published. Hitler was a very modern politician in that way. He was concerned about how he looked and his public persona.”

Egon Hanfstaengl, the son of Hitler’s foreign press officer, said in a documentary, “Fatal attraction of Hitler”: “He had that ability which is needed to make people stop thinking critically and just emote”.

Das ist genau der Punkt. Hitler wird heute immer als der lächerliche Depp dargestellt, den die verblendeten, rassistischen Deutschen gewählt haben, weil sie gerade Depp wollten, aber das stimmt so nicht. Der trat charismatisch auf und versprach Leuten, die gerade kurz zuvor durch den ersten Weltkrieg und die folgenden Verträge gedemütigt wurde, wieder wer zu werden.

Und das hat er systemisch und mit allen Mitteln der damals zur Verfügung stehenden Medientechnik geübt.

Medienkompetenz

Es zeigt sehr deutlich, dass ausgerechnet die Linken, die ja immer behaupten, in Medienkompetenz führend zu sein, das überhaupt nicht erfasst haben (oder es tun und es gut verbergen). Hitler war nicht der durchgeknallte Idiot, den man aus unerfindlichen Gründen wählte, sondern eigentlich der erste Politiker, der sich moderner Medientechnik bediente und den Umgang damit übte und lernte. Ich habe mehrfach geschrieben, dass an dem nichts echt, alles nur zusammenplagiiert war. Stimmt nicht ganz. Inhaltlich schon, aber in der Methodik hat er sich neuer Medien bedient.

Deshalb auch der Volksempfänger, die erste große Fernsehübertragung (Olympische Spiele 1936 in Berlin), Lautsprecher, Mikrofone. Wie schon erwähnt, denkt an den Film The King’s Speech, der zwischen 1925 und 1944 spielt und dieselbe Problematik auf britischer Seite betrachtet und auch eben während des Ausbruchs des zweiten Weltkrieges, also dem gleichen technischen Stand. Auch da ist die Neuerung, dass Lionel Logue erstmal Medientechnik einsetzt, er ließ den König etwas vorlesen, während er ihm Musik auf den Kopfhörer spielte und nahm ihn währenddessen auf, um ihm zu beweisen, dass er auch reden kann ohne zu stottern. Das war neu, das ging vorher nicht. Der König musste lernen, mit Medien umzugehen, wie jeder andere zu dieser Zeit.

Und deshalb sind Unterricht, Museen, Warnungen und so weiter über das Dritte Reich verfehlt. Es geht da immer um Rassismus, Judenhass, Hakenkreuze. Ich habe aber schon mehrfach beschrieben, dass man immer sehr stark auf die spezifischen Symbole – Hakenkreuz, Judenstern, Hitlerbart, Schmalzlocke – abhebt, um nur und selektiv das betrachtet, was singulär war, während sich linke in breiter Weise aus der Methodik bedienen, darauf dann aber – vermutlich ganz bewusst – nicht hinweisen und die Methoden der Nazis nachahmen, damit man nicht merkt, dass sie das Spiel wiederholen.

Letzlich geht es nicht um Hakenkreuze. Ob die nun das, oder ein Dreieck oder was auch immer verwendet hätten, ist eigentlich egal. Ein wesentlicher Punkt ist die Medientechnik.

Und wahrscheinlich kann man mit der Medientechnik gewisses Schutzverhalten im Hirn ausschalten und umgehen, ich vermute es hat – wie bei Nachrichtensprechern – mit dem parasozialen Effekt zu tun, bei dem man jemanden als bekannt und Herdenmitglied wahrnimmt und ihm glaubt und nicht kritisch gegenübersteht, obwohl man ihn eigentlich gar nicht kennt und er nur eine Rolle spielt.

Nochmal dieser Abschlusssatz:

Egon Hanfstaengl, the son of Hitler’s foreign press officer, said in a documentary, “Fatal attraction of Hitler”: “He had that ability which is needed to make people stop thinking critically and just emote”.

„…make people stop thinking critically and just emote…”

Genau das, was mir meine Großmutter in dem früher schon beschriebenen Gespräch berichtet hatte. Sie hatten das große Chaos und Arbeitslosigkeit, nichts funktionierte mehr, keiner wusste, wie es weitergehen soll, und dann kam einer und sagte, er will das wieder in Ordnung bringen und Arbeitsplätze schaffen, für Sicherheit und Versorgung sorgen.

Würde man das aber lehren, wie das lief und wovor man sich hüten muss, dann würden ja all die Rezos und Gretas nicht mehr funktionieren.

Denkt mal drüber nach: Funktioniert Greta nicht nach genau diesem Prinzip? Jemand kommt und sagt, es ist alles übel und die Welt geht unter, aber folgt mir, ich bringe das wieder in Ordnung und bin Eure Rettung? Vielfach multipliziert auf Bildschirme und in jedes Wohnzimmer, damit sie einem so bekannt vorkommt?

Deshalb kann Hitler nicht der mediale Verführer sein, der eine Rolle einübte und spielte, sondern muss der Depp mit den Hakenkreuzen, der Schmalzlocke und dem dämlichen Bart sein, weil das singulär ist und seine Kopisten das nicht nachahmen. Er darf nicht mit den Techniken der Massenmanipulation in Verbindung gebracht werden, die man übernimmt und nachahmt. Sonst würde man sie erkennen. Und man könnte links nicht mehr als das Gegenteil von rechts darstellen, was es ja auch nicht ist. Linke gegen Rechte ist ja letztlich nur ein Bruderkrach, entstanden aus einem Detail, wie schon oft beschrieben.