Ansichten eines Informatikers

Erledigt die EU unsere Juristenschwemme?

Hadmut
26.4.2019 22:59

Von der Seite habe ich das noch gar nicht gesehen.

Ein Leser schreibt mir, leider ohne jede Quellenangabe, was in der EU gerade vor sich gehe:

Hallo Herr Danisch,

die EU-Kommission arbeitet sich ja gerade an den dt. Gebührenordnungen ab und ist
kurz davor das bisherige System der Finanzierung der Freiberufler zu zerschiessen. Aktuell ist die HOAI (Architekten/Bauingenieure) in der europäischen Werkstatt im Schraubstock und wie es aussieht ist sie auch bald klein gesägt. Dass es sich hier um ein rein politisches Projekt handelt, es also ausser dem Gutdünken der Kommission da nicht sehr viele Sachgründe dafür gibt, daraus macht man in Brüssel keinen Hehl.

Ich finde das extrem amüsant. Gerade den Berufsgruppen die sich bisher ja immer sehr „europafreundlich“ präsentierten schießt man jetzt die Finanzierung weg. Und ich gönne das denen wirklich. Wenn ich gerade das Gejammer der Architekten höre, dann könnte ich mich wegschmeißen vor Lachen. Jahrelang war man bunt, weltoffen und EU-Jubelperser und jetzt, da denen dämmert was freie Marktpreise für sie bedeuten, also, dass man da nicht mehr zur Kammer rennen und die Konkurrenz mit dem Vorwurf der Mindestsatzunterschreitung zu höheren Preisen zwingen kann, geht plötzlich das Geflenne los.

Man muss sich das einmal vorstellen, Juristen, Ärzte, Architekten, selbst Tierärzte, die dann vorab erst einmal ganz genau sagen müssen was der Spaß bei ihnen kostet und sich dann auch noch preislich mit der Konkurrenz vergleichen lassen müssen, das ist doch ein Traum. Ausser für die bisher vom „Preismarkt“ verschonten Freiberufler, die hatten ja einen „Qualitätsmarkt“ (kostet bei allen gleich, konkurriert wird nur über die „Qualität“ (lol, ist/war aber echt so)), für die ist das der pure Horror. Bei den Architekten wäre das ganz schlimm, die haben bisher nämlich von explodierenden Projektpreisen profitiert (ihr Honorar stieg mit den Kosten), das könnte aber bald Geschichte sein, eine ganz schreckliche Vorstellung für Qualitätssarchitekten.

Nebenbei werden da noch ein paar andere Kleinigkeiten zerschossen, das Kammersystem, das öffentliche Vergaberecht für derartige Dienstleistungen, das Abrechnungsmodell der gesetzl. Krankenversicherung und evtl. sogar im Nachgang noch die „Gebietsregelungen“ (z.B. Ärzte).

Oh.

Wenn das stimmt, dann wird das lustig. Liest sich, als würden sämtliche festen Honorare und Honorarsätze gekippt, egal ob Arzt, Jurist, Architekt.

Interessant, worauf der Leser hinwies: Bisher hatten wir Fest- oder Mindestpreise und einen Qualitätswettbewerb. Wer liefert für den Preis am meisten.

Wenn das aber wegfällt, dann gibt es einen Preiswettbewerb, wer macht’s einem am billigsten. Dann sind Anwaltshonorare nicht mehr vom Streitwert abhängig, sondern frei aushandelbar.

Was eine weitere Frage aufwirft: Wie läuft das dann mit der Kostenerstattung für die Gegenseite, wenn der Preis da frei ausgehandelt und nicht beweisbar ist? Fällt dann die Kostenerstattung durch die Gegenseite, die es in manchen Ländern ja erst gar nicht gibt?

Sagen wir es so: Wir haben ja eine enorme Juristenschwemme, einen enormen Anwaltsüberschuss. Was zumindest teilweise davon abgefangen wird, dass Anwälte (mindestens) nach Gebührensätzen bezahlt werden und jetzt schon das Problem bringt, dass ein Anwalt mehr verdient, wenn er verliert als wenn er gewinnt, weil er dann in Berufung gehen kann (von wegen Qualitätswettbewerb). Schon jetzt gibt es Anwälte, die am Hungertuch nagen. Vor einiger Zeit hatte ich mal von einem Streit gelesen, bei der die ansässigen Anwälte über die Kammer Druck machten, eine neue Anwältin nicht zuzulassen, um Konkurrenz zu verhindern, und dazu als Vorwand nahmen, dass sie zuwenig Geld hatte, sich eine Kanzlei zu leisten und stattdessen ein Zimmerchen in ihrer Wohnung nutzen wollte. Ich habe ja mal für einige Zeit in einer Rechtsabteilung gesessen, und da haben mir die „Kollegen” erläutert, dass sie aus irgendeinem Grund, an den ich mich nicht mehr erinnern kann, eine Anwaltszulassung hatten, auch um sich Rechtsanwalt nennen zu können, aber lieber angestellt in einer Firma arbeiteten, weil ihnen der Anwaltsstraßenkampf ums Überleben zu schwer war.

Wird lustig.

Wie sagen die so schön? Europa ist die Antwort.

Würde mich interessieren, wieviele Pro-Europa-Wähler sich darüber im Klaren sind, dass sie sich ihren Ast absägen.

Falls das überhaupt stimmt. Hat jemand Quellen dazu?