Ansichten eines Informatikers

Godwin, Gabalier und der Hakenkreuz-Streit als modernes Pop-Art-Arschgeweih

Hadmut
31.1.2019 0:22

Es ist zum Kotzen.

Heute kam ich an einer Bäckerei vorbei, die auch einen Zeitungsständer zum Verkauf rumstehen hat. BILD-Zeitung, ich hab’s nur im Vorbeigehen gesehen, war auch teilweise verdeckt, nur irgendwas von Andeas Gabalier und „Hakenkreuz-Streit”.

Das ist doch zum Kotzen.

Es gibt inzwischen nur noch „Nazi!”-Krämpfe, überhaupt keine andere Ebene der Auseinandersetzung mehr. Es gibt eigentlich kein anderes Thema mehr.

Klima? Nazi!

Ich habe mich neulich mal mit einem früheren Kollegen unterhalten, der irgendwo anders arbeitet, und dort die üblichen Sicherheitshinweise gab, Platte verschlüsseln, Backup machen und so. Wisst Ihr, was die dem sagten? „Was bist denn Du für ein Sicherheits-Nazi!?”

Letzlich ist das nichts anderes als Godwin’s Law von 1990, dass jede Internet-Diskussion unweigerlich irgendwann bei Hitler oder den Nazis rauskommt. Daher auch die Reductio ad Hitlerum, die in Anspielung auf die reductio ad absurdum die vermeintliche Überzeugung bezeichnet, dass man eine Diskussion abschließend und unangreifbar gewonnen hat, wenn man den Gegner irgendwie mit Hitler oder den Nazis in Verbindung gestellt hat.

Natürlich ist das Unsinn. Wenn Nazis sich die Hände mit Seife gewaschen haben, ist man nicht automatisch ein Nazi, weil man es auch tut. Ich hab noch irgendwas im Hinweis-Haufen, dass die Nazis in der deutschen Geschichte anscheinend die ersten ernsthaften Umweltschützer gewesen sein sollen, womit man nach linker Denkweise eigentlich die Grünen als Naziorganisation klassifizieren müsste. Seltsamerweise hat niemand etwas gegen den Film „Die Feuerzangenbowle”, obwohl der heftige Nazi-Propaganda war und im Jahr 1944 Gute-Laune-alles-gut verbreiten sollte, obwohl in der Endphase des Krieges gar nichts mehr gut war.

Mir schrieb vor ein paar Tagen ein Leser, der in der DDR aufgewachsen war, dass die Welt so einfach war: Schon im Kindergarten lernte er, wer die Guten (Kommunisten) und die Bösen (Nazis) waren. Es wird alles auf diese zwei Kategorien Linke und Nazis reduziert und dann immer nur entsprechend attackiert. Wer es verfolgt hat: Als ich vorgestern auf Twitter wegen Greta angegriffen wurde, ging es auch immer nur darum „So ein Nazi”, völlig egal, was man sagt. Das Design meiner Webseiten gefiel ihm nicht, ich hätte es „lieblos” gestaltet. Also Nazi. Und so fort.

Die völlige Verblödung von Gesellschaft und Medien.

Denn jeder, der daran nicht teilnimmt, wäre natürlich – na, was wohl – Nazi.

Bizarr daran ist, dass noch keiner dieser Linken mir eine irgendwie inhaltlich-sachlich gelagerte Antwort auf die Frage geben konnte, was ein Nazi sei, was er darunter verstehe. Es ist alles so unsagbar dumm. Und es geht kein Tag, eigentlich keine Stunde mehr rum, in der sich nicht irgendein Polit- oder Mediendepp als Nazijäger aufspielt.

Ohne das wüssten sie gar nicht mehr, was sie sagen sollten. Die SPD giert ja förmlich nach jedem Gedenktag, an dem sie von morgens bis abends an den Holocaust denken können, weil ihnen sonst gar nichts anderes mehr einfällt.

Dabei ist das effektiv eine Holocaust-Leugnung. Wenn man Leute als Nazis beschimpft, weil sie kein schönes Webdesign haben oder Mitarbeiter auffordern, Backups von ihren Festplatten zu machen, ist das eine drastische Negierung der Verbrechen, der Morde.

Und das finde ich am schlimmsten: Linke machen „Nazis” inzwischen durch den inflationären Über- und Dauergebrauch zum running Gag, zum Pop-Art-Begriff. Kinder halten das längst für ein allgemeines Schimpfwort wie „Depp”, das keinen historischen Inhalt mehr hat.

Zu meiner Zeit gab es die Punker und die Popper, die sich so als Gegenpositionen betrachteten, wobei die Punker einfach inhaltslos waren und nur irgendwie gegen Konventionen verstoßen und Leute provozieren und schockieren wollten, ohne irgendwas zu kapieren.

Es wird nicht mehr lange dauern und Leute, die zu dämlich sind, irgendwas zu kapieren, und auch keine politischen Ziele oder Positionen haben, allein zur Provokation in Hakenkreuzen rumlaufen.

Es ist eine historische Katastrophe, dass Linke das Thema Nazis quasi zu einem Pop-Art-Zeitgeist-Dauerphänomen machen, das jeder Semantik verlustig gegangen ist. Noch vor wenigen Jahren hätte man sich vor Gericht gewehrt, wenn man als Nazi bezeichnet worden wäre. Inzwischen hat man dafür nicht mehr als ein Achselzucken übrig.

Das wird noch eine Weile so gehen und dann werden die Leute das nicht mehr hören und sehen können und wollen, dann wird das zuviel.

Oder anders gesagt: Linke und ihre Rhetorik sind wie Arschgeweihe in der Endphase. Irgendwann sind sie nur noch lächerlich, aber man bekommt sie nicht mehr weg.